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Für viele ist das Land zu klein

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Seit September ist C. P. Wieland, Unternehmer in München, Präsident des Weltbundes der Österreicher im Ausland.

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Seit September ist C. P. Wieland, Unternehmer in München, Präsident des Weltbundes der Österreicher im Ausland.

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DIEFÜRCHE: Welche Ziele haben Sie sich als neugewählter Präsident des Weltbundes der Österreicher im Ausland gesetzt?

CARL PAUL WIELAND: Der Weltbund will allen Auslandsösterreichern helfen, die Identität zu bewahren und dort zusammenzuarbeiten, wo sie gerade leben. Schaun Sie, ich bin ein Wiener, ich kann nichts dafür und will es auch gar nicht verleugnen. Hier in München, wo ich seit 1955 lebe, wo ich meine Frau kennengelernt habe, wo meine beiden Söhne als sehr erfolgreiche Wirtschaftsanwälte arbeiten, habe ich mich immer danach gerichtet, mich ein-, aber nicht unterzuordnen. Das sollte für alle Auslandsösterreicher gelten.

DIEFURCHE: Welchen Ruf genießen Österreicher im Ausland?

WlELAND: Seit 15 Jahren bin ich Präsident der Österreichisch-Bayerischen Gesellschaft. Wenn man bedenkt, daß es österreichische Staatsbürger als Angehörige eines Nicht-EU-Mitgliedslandes in Deutschland sehr schwer haben - sie müssen um eine Aufenthalts- und um eine Arbeitsbewilligung ansuchen —, dann ist es umso positiver, wenn Österreicher besonders hier in Bayern gelobt und als Menschen geschätzt werden.

Die Bayern sind übrigens sehr tolerant, fragen nicht nach der Herkunft, sie schätzen im Grunde genommen nur die Leistung, das Können und das Verhalten. Als Gäste müssen wir uns natürlich anständig aufführen, dann gibt es keinerlei Probleme. Diese Toleranz, die ich hier in Bayern finde, ist in Österreich nur schwer vorstellbar.

Aber fast alle Österreicher geben im Ausland ein gutes Bild ab. Und das überträgt sich dann auf die Heimat. Wir pflegen das sehr bewußt und sehen darin auch einen Dienst der Auslandsösterreicher für ihr Vaterland.

DIEFURCHE: Irgendwie hört man aus Ihren Worten heraus, daß es offenbar einen Unterschied zwischen Ausländem und Ausländem gibt WlELAND: Unbedingt. Ich bin ernsthaft besorgt wegen zunehmender Ausländerfeindlichkeit. Aber diese entsteht, wenn Staaten eine unzumutbar große Anzahl von Ausländern aufnehmen. Dann gibt es noch Leute, die sich nicht einordnen können, nur frech

und fordernd auftreten. Kein Wunder, daß es dann zu Aggressionen kommt. Deutschland nimmt jährlich so viele Leute auf, wie Hannover Einwohner hat. Das macht doch keinen Sinn.

Gott sei Dank gibt es auch den anderen Ausländer, jenen, der sich anständig aufführt. Ich bin überzeugt, daß wir alle friedlich miteinander leben können, aber wir dürfen dabei die anderen, unsere Gastgeber, nicht stören.

Es ist doch logisch, daß der, der hier zu Hause ist, sein Territorium verteidigt. Ich konnte mich auch nicht, als ich hierher kam, präpotent aufführen; dann hätte ich mir keine Freunde geschaffen. Es galt zu zeigen, da ist einer, der hilft uns, arbeitet bei uns mit und ist fleißig.

DIEFURCHE: Was Sie von Österreichern in Deutschland sagen, klingt sehr rosig. Gibt es bei Auslandsösterreichern Problemländer?

WlELAND: Eigentlich nicht. Der Österreicher ist sehr, sehr anpassungsfähig. Er kommt aus einem heute kleinen Land, das aber kulturell ein Riese ist. So fragt man zwar in Südafrika oder in Amerika, wo liegt dieses Österreich? Gleichzeitig weiß man um die Kultur dieses Landes Bescheid und schätzt diese Dinge, die aus Österreich kommen und unser Leben bereichern.

DIEFURCHE: Warum gehen überhaupt Österreicher weg aus ihrem Land?

WlELAND: In erster Linie, um sich eine besere Existenz aufzubauen. Das hat die große Emigrationswelle aus dem Burgenland nach dem Ersten Weltkrieg gezeigt. 1938 mußten viele jüdische Österreicher das Land verlassen — aus ganz anderen Motiven. Wenn Sie mein Beispiel wollen aus den

fünfziger Jahren: ich war mit 18 Vollwaise und ging nach München, weil ich glaubte, dort mehr Chancen zu haben.

Für Wirtschaftsleute besteht heute das Dilemma, daß Österreich als Mutterboden für viele Firmen einfach zu klein ist. Gewisse Entwicklungskosten sind in Österreich nicht mehr hereinzubringen, Österreich ist enorm auf Export angewiesen. Deswegen plädiere ich auch ganz energisch dafür, daß wir der EU beitreten, uns der großen Völkerfamilie anschließen: wobei wir nicht unsere Identitä aufgeben und das föderalistische System auch weiterhin beibehalten sollten. Ich bin gegen eine demokratische Diktatur aus Brüssel.

DIEFURCHE: Ein prominenter Auslandsösterreicher, Hans Janitschek, seinerzeit Generalsekretär der Sozialistischen Internationale, der jetzt in New York lebt, warnt vor einem EU-Beitritt

WlELAND: Da möchte ich mit einem Tiroler Wort antworten: Mit voller Hose ist leicht stinken. Wer in Amerika lebt, braucht keinen anderen Markt. Die USA sind groß genug. Aber Deutschland ist enorm exportabhängig, gar nicht zu reden von Österreich.

DIEFURCHE: Was fordern Sie für Auslandsösterreicher hier in der alten Heimat?

WlELAND: Eine wichtige Aufgabe wird die Durchsetzung der Unverlierbarkeit der Staatsbürgerschaft sein. Beim Bundeskanzler und Außenminister habe ich dafür vollstes Verständnis gefunden. Wenn wir ein diesbezügliches Gesetz durchsetzen, hat das für jeden Auslandsösterreicher den Vorteil, daß er in die Heimat zurückkehren kann, ohne die Staatsbürgerschaft neu beantragen zu müssen. Es ist sinnvoll für ein kleines Land wie Österreich, die Bürger zusammenzuhalten. In der Schweiz gilt zum Beispiel die Unverlierbarkeit der Staatsbürgerschaft. Wer Schweizer ist, bleibt Schweizer, auch wenn er eine andere Staatsbürgerschaft angenommen hat, wie dies beispielsweise die USA bei Emigranten verlangen.

Außerdem plädiere ich für die Meldepflicht für Paßösterreicher. Dann können Auslandsösterreicher bei politischen Schwierigkeiten durch die Konsulate auch rascher informiert werden.

Mit Carl Paul Wieland sprach Franz Gansrigler.

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