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Fund in der Wüste

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Die „Furche“ veröffentlichte in Nr. 21 vom 22. Mai 1948 Mitteilungen ihres Mitarbeiters in Palästina über die Auffindung wertvoller Bibelhandschriften. Über den Fortgang der wissenschaftlichen Überprüfung liegt uns nunmehr folgender Bericht vor:

Alte Handschriften der hebräischen Bibel sind selten wie weiße Raben oder schwarze Schwäne. Das Neue Testament sowie die Septuaginta — griechische Übersetzung des Alten — liegen ganz oder teilweise vor in den berühmten vier Majuskelhandschriften: Vaticanus, Sinaiticus, Ephraimi rescripts und Alexandrinus, die aus dem 4. und 5. Jahrhundert nach Christus stammen. Hingegen reichen unsere bisherigen ältesten Zeugen des Alten Testaments nur bis ins 9. Jahrhundert nach Christus. Eine erstaunliche Tatsache, wenn man bedenkt, daß doch in all den vielen Synagogen solche „Heilige Rollen“ für den liturgischen Dienst an Sabbat- und Festtagen verwendet wurden. Und die Synagoge ist, bald nach ihrer Erstehung während und nach dem babylonischen Exil, eine Institution geworden, die sich bei den Juden in Palästina, ja in der gesamten Disaspora einer einzigartigen Popularität erfreute. All diese alten Rollen aus Pergament oder Papyrus sind anscheinend einer systematischen Vernichtung anheimgefallen, sobald sie, durch den vielfältigen Gebrauch verunstaltet, durch neue ersetzt wurden. Als einzige Ausnahmen galten bisher der sogenannte „Papyrus Nash“, ein in Cambridge befindlicher winziger Papyrusstreifen, der die Zehn Gebote enthält und angeblich aus dem 2. Jahrhundert nach Christus stammt, und der „Samaritanische Pentateuch“ aus der Synagoge zu Nablus, der ebenfalls dem zweiten Jahrhundert zugeschrieben wird.

Man kann sich daher gut vorstellen, mit welcher Skepsis in der Welt der Sachverständigen die Mitteilung des Bischofs Athanasios vom Kloster Mar Markos in Jerusalem aufgenommen wurde, daß er mehrere 2000 Jahre alte Bibelhandschriften in hebräischer Sprache besitze. Der holländische Dominikanerpater J. van der P1 o e g, Professor an der Universität in Nymwegen, befand sich Ende 1947 gerade in der Ecole biblique St.-Etienne in Jerusalem, als eine Einladung an dieses für die archäologische Forschung Palästina berühmte Institut erging, die Handschriften zu besichtigen. Er stattete dem Bischof der schismatischen Syrier einen Besuch ab und dabei wurden ihm die Handschriften vorgezeigt. Er griff sofort die größte Rolle heraus. Sie bestand aus mehreren aneinandergenähten Pergamentstücken und batte die stattliche Länge von sieben Metern. Das ziemlich spröde Material wie einen Konsonantenbestand ohne Vokalzeichen auf. Professor van der Ploeg konnte bald feststellen, daß er es hier mit dem Text des Propheten Isaias zu tun hatte. Eine zweite Rolle kleineren Umfangs enthielt den Text des Propheten Habakuk. Diese und ein paar andere Rollen, so behauptete der syrisch Bischof, seien in einer Grotte in der Nähe des Toten Meeres entdeckt worden. Ein Mitglied seiner Gemeinde aus Bethlehem habe sie dort in Tonkrügen versteckt vorgefunden. Der Bitte des Besuchers, zwecks einer Untersuchung die Tonkrüge dem „Archäologischen Institut“ anzuvertrauen, wurde nicht Folge geleistet. Alles, was Professor van der Ploeg vorläufig erwirken konnte, waren einige photographische Aufnahmen der Funde, um sich dann mit den Professoren de Instituts darüber zu beraten. Das Ergebnis war abweislich. P£re H. Vincent, der Altmeister der palästinensischen Altertumskunde, stellte ihm vor Augen, es sei noch nie dagewesen, daß man in Palästina Handschriften in Tonkrügen gefunden babe. Zweifellos handle es sich hier um eine der unzähligen Fälschungen, von denen er im Laufe seiner 50jährigen archäologisdten Tätigkeit so manche entschleiert hatte. Van der Ploeg würde mit dieser Sadie, so meinte P. Vincent, nur seine Zeit verlieren. Und der holländische Professor beugte sich damals der Autorität seines ehemaligen Lehrers. Heute bereut er es.

Denn inzwischen hat Professor Sufee- n i k von der jüdischen Universität in Jerusalem, dem ebenfalls Einblick in die Handschriften gewährt wurde, es jedenfalls der Mühe wert gefunden, auch ohne Genehmigung des Bischofs Mar Markos, einige Kapitel aus dem vorliegenden Isaiastext zu veröffentlichen. Und die Amerikaner haben den ganzen Fund gekauft und mitgenom men. Die wissenschaftliche Untersuchung der Texte schreitet voran. Die bisherigen Veröffentlichungen in den Zeitschriften, die wie gewöhnlich mit großer Aufmachung von einem sensationellen Funde sprechen, scheinen diesmal keineswegs einer soliden Grundlage zu entbehren. Wie Professor van der Ploeg in einem Artikel in „De Nieuwe Eeuw“ mitteilt, ist. Professor All- bright, USA, für die Echtheit der Handschriften eingetreten. Vorläufig und nur oberflächlich wird das Alter der entdeckten Texte auf mindestens 2000 Jahre geschätzt. Außer der großen Bedeutung dieses Textfundes für Archäologen und Exegeten sollen auch noch weitere Überraschungen mit diesem Fund verknüpft sein, wie Professor van der Ploeg von zuständiger amerikanischer Seite-mitgeteilt Wurde.

Ein so umfassender Text aus dem Alten Testament erregt an und für sich schon großes Aufsehen bei Fachleuten. Erinnert man sich außerdem, daß dem Heiland in der Synogoge von Nazareth eben die Rolle des Propheten Isaias zur Vorlesung dargeboten würde, dann erhöht sich für uns alle noch in ganz besonderer Weise der Wert einer Isaiasrolle aus der Zeit Jesu Christi.

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