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Gehen die Uhren anders?

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Die Ausgangslage für die Gemeindewahlen am 2. April ist für einen Außenstehenden etwas verwirrend, da nicht in allen Gemeinden Vorarlbergs einheitliche Parteilisten antreten. Trotz offizieller Gemeindewahl ist es, wie auch im übrigen Österreich, primär eine Persönlichkeitswahl in Form von Bürgermeisterwahlen. In den nicht ganz hundert Vorarlberger Gemeinden besitzt die SPÖ lediglich in zwei Gemeinden die absolute Mehrheit, die F in vier und die Vorarlberger Volkspartei in 36 Gemeinden.

Spannend wird die Wahl vor allem in der Landeshauptstadt Bregenz. In der ehemaligen SPO-Hochburg stellt die ÖVP in der Person von Siegi Gasser seit fünf Jahren den Bürgermeister, der seine langjährige landespolitische Erfahrung geschickt für die Landeshauptstadt umsetzen konnte. Es wird allgemein erwartet, daß in Bregenz der Amtsbonus sehr für den amtierenden Bürgermeister Gasser spricht, der auch in Umfragen hohe Beliebtheits- und Bekanntheitswerte aufweist. Die Sozialdemokraten haben als Gegenkandidaten den eher unbekannten Landtagsabgeordneten Zechner aufgestellt. Umstritten ist in Bregenz die Kandidatur einer ehemaligen Grün-Landtagsabgeordneten, die von einem Gericht verurteilt worden ist.

In der größten Stadt des Landes, in der Messe- und Industriestadt Dornbirn, muß der ÖVP-Bürgermeister Budi Sohm um seine absolute Mehrheit bangen. Hier tritt in der F der Europaparlamentarier und ehemalige Kästie-Manager Nußbaumer an, dem in der Vorarlberger Medienlandschaft dieser Kommunalgang eher als Werbegag ausgelegt wird. In der ehemaligen Schubertiade-Stadt Hohenems erwartet man keinen Erdrutsch, obwohl der ÖVP-Bürgermeister Ammann zwar eine solide Kommunalarbeit aufweisen kann, jedoch eher farblos in den Wahlkampf geht. Sein Stichwort: „Wir haben kein Geld.”

Anders laufen die Uhren in der westlichsten Stadt Österreichs, in Feldkirch. Der junge und agile Bürgermeister Wilfried Berchtold hatte vor wenigen Jahren ein schweres Erbe übernommen. Nach einem äußerst populären OVP-Bürgermeister Bilz hat er in der Montfortstadt die Aufgabe übernommen, die absolute VP-Mehrheit zu verteidigen. Hier ist es den Sozialdemokraten gelungen, durch eine nicht ungeschickte Personalaufstellung für neuen Schwung zu sorgen

Stichwort Personen: Generell kann festgestellt werden, daß alle wahlwerbenden Gruppen viele Frauen nominiert haben. Wie man hört, oftmals unter harten Anstrengungen und Überredungskünsten. Das Wort „parteifrei” scheint auch in Vorarlberg Mode geworden zu sein. Fast auf jeder Liste ist dieser Zusatz vermerkt.

Die einzige Stadt, die von einem Sozialdemokraten regiert wird, ist die Alpenstadt Bludenz. Der Stuhl von Bürgermeister Heinz Wiede-mann wird stark umkämpft. Die stark verschuldete Stadt könnte am 2. April vom parteifreien Kandidaten der Volkspartei, Kraft, „übernommen” werden. Kraft ist von Beruf Bezirksrichter.

Die größte Marktgemeinde Österreichs, das Stickereizentrum Lustenau, ist traditionell in „blauer Hand”. Der langjährige Landesrat Grabher ist kürzlich vom Sitz der Landesregierung auf die kommunale Ebene gewechselt. Es wäre eher eine Überraschung, wenn hier eine personelle Anderung eintreten würde. Die Bodenseegemeinde Hard wird vom Präsidenten des Vorarlberger Gemeindeverbandes Bürgermeister Köhlmeier (ÖVP) regiert. Und so wird es vermutlich auch bleiben. Bankweil, genannt „Hauptstadt des Vorderlandes”, hat keine stabilen Mehrheitsverhältnisse, obwohl die Volkspartei auch hier durch Hans Kohler einen aktiven und jungen Bürgermeister stellt. Die einzige schwarz-grüne Koalition gibt es in der Marktgemeinde Götzis.

Österreichweit kann ein Absinken der beiden Großparteien festgestellt werden, die Volkspartei konnte sich in Vorarlberg auch bei der Landtagswahl gut halten. Wie erwähnt, werden am 2. April in Vorarlberg vor allem die „Dorfkaiser” gewählt. Hier spielt der Bonus des Amtes eine ganz entscheidende Rolle. Wie in Vorarlberg üblich, besteht auch bei diesem Urnengang Wahlpflicht für alle Wahlberechtigten. Ein amtlicher Stimmzettel ist nicht vorgesehen, jede wahlwerbende Gruppe muß aus ihrer Tasche heraus die Stimmzettel in der nächstgelegenen Druckerei in Auftrag geben und anschließend unter das Wahlvolk bringen.

Laut Vorarlberger Gemeindegesetz besteht die Möglichkeit, daß in einer Gemeinde keine wahlwerbende Gruppe zur Wahl antritt. Es stehen alle wählbaren Frauen und Männer der Gemeinde zu einer Vorwahl an. Diejenigen Personen, die am meisten Stimmen erhalten, sind dann die vorgeschlagenen Volks-vertreter(innen). Daß dieses Wahlmodell vor allem in Kleinst- und Kleingemeinden möglich ist, scheint logisch. Diese Art der Gemeindewahl ist vor allem im Bregenzerwald stark, aber auch in anderen Bergregionen des Landes.

In manchen Gemeinden haben sich sogar die Partei-vorsitzenden der verschiedenen politischen Gruppierungen darauf geeinigt, gemeinsame Vorwahlen durchzuführen, die für alle Parteien bindend sind. Ein Vorgang, der vermutlich im übrigen Österreich eher Seltenheitswert hat.

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