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Geist ersetzte die Auflage

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Wenn ER bei Pressekonferenzen oder Podiumsdiskussionen in seinen stets mitgeführten Statistiken zu suchen und dann auf einem seiner Minicomputer zu rechnen begann, wurden auch diskussionserprobte Spitzenpolitiker und Topmanager nervös. Weil. ER derlei Veranstaltungen nicht besuchte, um gläubig das Gesagte zu rapportieren, sondern um es, möglichst noch vor Ort, auf den Prüfstand zu stellen. Und bei Meinungsverschiedenheiten glaubten die anderen Zuhörer dann meisf das, was ER dazu sagte.

ER war auch „nicht irgend jemand", wie Bundeskanzler Franz Vranitzky in der letzten TV-Konfrontation mit Wolfgang Schüssel beim Zitieren feststellte, sondern „der Professor Knapp", der Sonntag vor einer Woche völlig überraschend im Alter von 70 Jahren verstarb. Noch unerwarteter als sein Tod war für alle Freunde die Todesursache: Er, der seit Jahrzehnten alles, was nur irgendwie möglich war, zu Fuß ging - so auch regelmäßig von seiner Wohnung in Wien-Hietzing zur Arbeit in die Innere Stadt - erlitt bei einem Spaziergang in seiner Wohnumgebung einen schweren Herzinfarkt.

Horst Knapp war unbestrittener Doyen der österreichischen Wirtschaftspublizistik. Sein Aufstieg begann im April 1960 mit der Übernahme der „Finanznachrichten". In den nunmehr fast 36 Jahren, in denen Horst Knapp die Wochenzeitschrift als Verleger und Chefredakteur führte, wurden er und die „Finanznachrichten" zu einer Institution, deren Bedeutung die Auflage von rund 1.100 Exemplaren dramatisch übertraf. Horst Knapp setzte des öfteren mit der Mini-Auflage wirtschaftspolitisch mehr in Bewegung als die Rotationsstraßen der Boulevardblätter.

Horst Knapp selbst wurde sehr bald zu einem gefragten Kommentator für Print (so auch für diefurche) und TV, erfolgreichen Buchautor (Wirt-schaftsfibel, Gesellschaftsfibel, Wirtschaft von A bis Z, et cetera) und gefragten Vortragenden. Immer wieder wurde er, für einen Journalisten ungewöhnlich, von führenden Politikern (Kreisky, Androsch und anderen) direkt in die wirtschaftspolitische Beratung einbezogen. Für die Anregung des „Big Bargain", einer einkommenspolitischen Abstimmung der Sozialpartner im Frühjahr 1967, wurden ihm der Dr. Karl Renner-Preis für Publizistik und der Professorentitel verliehen.

Was die wenigsten wissen: „Zur Zeitung" brachte 1946 den damals 21jährigen Horst Knapp ein gewisser Richard Nimmerrichter, der später als „Staberl" Karriere machte. Nimmerrichter stellte den Kontakt mit der - mittlerweile verblichenen - „Arbeiter-Zeitung" her, die dann ein Feuilleton mit dem Titel „Der Zug" abdruckte.

Horst Knapp verfügte über ein umfassendes Orientierungswissen und ein geradezu fotografisches Zahlengedächtnis. Obwohl er seine Beiträge mit der Feder schrieb, weil er beim Fließen der Tinte „ein fast körperliches Behagen" (Knapp) empfand, wird seine Produktivität wohl auch von der Notebook-Generation nicht übertroffen werden. Anfangs der siebziger Jahre, als die „Finanznachrichten" noch im „alten" Büro in der Bankgasse 1 (welch Traumadresse!) residierten, kam Horst Knapp meist gegen neun Uhr ins Büro, sah die Post durch, zog sich dann ins nahe Cafe Herrenhof zurück, um gegen Mittag mit acht bis zehn in Druckschrift (!) beschriebenen karierten A4-Blättern zurückzukehren. Wenn Knapp am Ende einer Pressereise dem Zug oder dem Flugzeug entstieg, hatte er in der Regel auch schon das druckfertige Manus bei sich.

Zu den großen (aber naturgemäß weniger bekannten) Verdiensten Horst Knapps zählt auch, daß er immer wieder ambitionierten jungen Leuten die Chance gab, sich in seiner Redaktion die Basis für eine erfolgreiche Karriere zu schaffen. Kurt Hor-witz ist heute Chefredakteur des Volksblatts, Helmut Hanusch Geschäftsführer des trend-profil-Verla-ges, Andrea Heiige wurde Pressespe-cherin von Finanzminister Lacina, Herbert Schober Fondsmanager der GiroCredit, um nur einige zu nennen.

„Niemand ist unersetzlich" gilt mit Sicherheit nicht für Horst Knapp!

Der Autor war

von 1972 bis 1974 Redakteur der Finanznachrichten.

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