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Geld bringt Ansehen

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Sechs Monate dauerte der Alphabetisierungskurs. Und als die Zeit um war, wollten die 33 Frauen nicht einfach auseinandergehen. Drei von ihnen hatten im Jahre 1990 zunächst einen Lehrgang am staatlichen Alphabetisierungsinstitut in Ouagadougou, der Hauptstadt von Burkina Faso, besucht. Danach hatte sie das Institut aufgefordert, 30 Frauen in ihrem Viertel zusammenzubringen, um ihre neuerworbenen Kenntnisse an diese Frauen weiterzugeben. In dem halben Jahr gemeinsamen Lernens nun waren die 33 einander so vertraut geworden, daß sie auch weiterhin zusammenarbeiten wollten.

Ein Projekt war bald entworfen. Und auch nach einem Namen mußten die Frauen nicht lange suchen. „Songtaaba” wollten sie sich nennen, was so viel wie „gegenseitige Hilfe” bedeutet. Denn darum ging es ja: Miteinander für die Verbesserung ihrer Lebensbedingungen zu arbeiten.

Die Frauen beschlossen, ein Klein-unternehmen aufzumachen. Beginnen wollten sie mit der Produktion von Soubala, einem Getreidegericht, das die Leute gerne als Imbiß zu sich nehmen. Drei Monate lang legten sie Geld zusammen, bis es für den ersten Getreideankauf reichte. Die Arbeit konnte beginnen. Wo immer sie ihr Produkt verkauften - es waren vor allem kleine Abendlokale - bestanden die Frauen auf Rückmeldungen. Denn die Qualität sollte passen.

„Sobald das Ganze ordentlich angelaufen war, bemühten wir uns um eine offizielle Registrierung beim Kleingewerbeverband”, erzählt Marcelline Ouedraogo, eine der drei Frauen, die die Gruppe ursprünglich zusammengebracht hatten. „Nach zwei Jahren war es dann so weit.”

Bis dahin mußten die Frauen nicht nur eine Reihe von Qualitätskontrollen bestehen. Sie mußten vor allem auch dem Mißtrauen standhalten, das ihnen von allen Seiten und ganz besonders von ihren Ehemännern entgegengebracht wurde. „Was wollt ihr denn da? Wohin soll denn das führen?” Immer wieder wurden die Frauen mit diesen Fragen konfrontiert.

„Zum Jahreswechsel 1992/93 organisierten wir dann mit unserem selbstverdienten Geld in unserer neuerworbenen Produktionsstätte ein großes Fest. Wir luden alle unsere Ehemänner dazu ein. Es war ein voller Erfolg. Nach dem Sanktus des Gewerbeverbandes bekamen wir nun auch den von unseren Männern.”

Heute, zweieinhalb Jahre danach, sind aus den 33 Frauen 100 geworden. Auch ihre Tätigkeiten haben sich ausgeweitet. Im Hof von Songtaaba liegen Berge von Karite-Nüssen. Eine Gruppe von Frauen stampft die Nußkerne zu Pulver, eine andere vermengt in riesigen Gefäßen das Pulver mit Wasser zu einem Brei, der sogenannten Karitebutter. Sie wird zur Herstellung von Seifen und Gesichts-cremen verwendet.

Zehn Tonnen Karitebutter erzeugen die Frauen heute im Monat. Auch Seife stellen sie her. Zu ihrer Produktpalette gehören weiters getrocknete Tomaten, Zwiebeln und Knoblauch sowie Erdnußbutter und Erd-nuß-Snacks. Einen Teil der Waren liefern sie an Geschäfte, einen Teil verkaufen sie in ihrem eigenen kleinen Laden. In einem zweiten Laden, nur wenige Gehminuten von Songtaaba entfernt, haben sie auch noch ein Obstgeschäft aufgemacht.

„Mit 5.000 CFA (umgerechnet 100 Schilling) haben wir 1990 begonnen. Heute haben wir fast eine Million CFA (10.000 Schilling) in unserer Kassa. Das Wichtigste aber ist, das Projekt finanziert sich selbst”, sagt Marcelline Ouedragaogo stolz.

Um Hilfe von außen hat sich Songtaaba nur für ihr Schulprojekt gewandt. Da ein Alphabetisierungskurs am Anfang stand, wollten die Frauen auch weiter etwas für ihre Bildung tun. UNFPA, der Familienfonds der Vereinten Nationen, stellte der Gruppe Unterrichtsmaterial sowie eine Tafel, Tische und Sessel für einen Kursraum zur Verfügung. Für die neu hinzugekommenen Frauen finden weiter Alphabetisierungskurse statt. Darüber hinaus gibt es Einführungen in Betriebsführung und Vermarktung.

Die Ehemänner sind willkommene Besucher im Projekt. Männliche Mitarbeiter aber wollen die Frauen keine. „Da bestünde die Gefahr, daß sich viel zu rasch wieder die alten Geschlechterhierarchien etablieren ”, sagt Ouedraogo. Die Männer könnten insbesondere die Vermarktung der Produkte übernehmen und sich somit wieder die Kontrolle über die Finanzen sichern. „So aber bringen wir Geld nach Hause und werden deshalb ernstgenommen und zu Entscheidungen beigezogen. Solange eine Frau nicht selbst Geld verdient, hat sie kein Mitspracherecht. Denn geschätzt wird unsere Arbeit nur dann, wenn sie Geld einbringt.”

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