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Gelittenjur „ Gott und Osterreich”

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Politischer Widerstand im engeren Sinn war vor 50 Jahren gar nicht nötig, um als katholischer Priester mit den NS-Machthabern in Konflikt zu geraten.

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Politischer Widerstand im engeren Sinn war vor 50 Jahren gar nicht nötig, um als katholischer Priester mit den NS-Machthabern in Konflikt zu geraten.

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Es lebe Christus, der König! Ks lebe Österreich!” Mit fester Stimme spricht der Häftling die Worte aus. Seine letzten Worte. Es sind die letzten Worte des Gersthofer Kaplans Dr. Heinrich Maier, als er im Wiener Landesgericht von der Todeszelle zur Guillotine geführt wird. Maiers Wächter holt aus, schlägt dem Todeskandidaten seinen eisernen Schlüsselbund über den Schädel, raunzt: „Schon wieder einer, der die Gösch'n nicht halten kann.” Wenig später saust das Fallbeil auf Kaplan Maier herab. Es ist der 22. März 1945, der letzte Hinrichtungstag vor der Erstürmung Wiens durch die Sowjetarmee. Zehn Hinrichtungen werden an diesem allerletzten Tag noch durchgeführt, eine davon betrifft den überzeugten NS-Gegner Heinrich Maier, 3 7 Jahre alt. Pater Josef Zeininger, damals wie Maier in einer Todeszelle inhaftiert, überlebt und wird später Bischofsvikar für die Stadt Wien.

Kaplan Heinrich Maier ist einer von 15 Priestern, die zur Zeit des Nazi-Terrors in Osterreich zum Tode verurteilt und hingerichtet werden. Geboren im Jahre 1908 in Großweikers-dorf, besucht Maier die humanistischen Gymnasien in St. Pölten und Leoben und tritt nach der Matura 1926 ins Wiener Priesterseminar ein. Er studiert an der Katholisch-Theologischen Fakultät, erwirbt in Rom an der Gregoriana den Dr. phil. 1932 wird er im Wiener Stephansdom zum Priester geweiht.

Nach der Betreuung verschiedener Pfarren folgt Maier schließlich seiner Berufung nach Wien-Währing, an die Pfarrei Gersthof-St. Leopold. Die bedrohliche Entwicklung der politischen Situation in Österreich, der wachsende Totalitätsanspruch des Nationalsozialismus sowie persönliches Erleben von Judenmißhandlungen lassen Dr. Heinrich Maier zu einem entschiedenen Gegner des Begimes werden.' In ihm reift die Überzeugung, daß dem auf Brutalität, Polizei- und Militärmacht aufgebaute NS-System nur durch einen politischen Umsturz, und das in enger Kooperation mit den Alliierten, begegnet werden könne. Gerade als Priester, findet Maier, hat er die Aufgabe, sich aktiv für die Befreiung Österreichs einzusetzen.

Er knüpft Kontakte zur Gruppe um den Tiroler Forstingenieur Walter Caldonazzi, zu Widerstandskreisen in Deutschland, ab 1943 sogar zu alliierten Geheimdiensten. Die Konsequenzen bleiben nicht aus: Am 28. März 1944 wird der Seelsorger nach dem Meßopfer in der Sakristei von St. Leopold von Gestapobeamten verhaftet. Nach einem zweitägigen Prozeß vor dem Volksgerichtshof wird Maier wegen Hochverrats zum Tode verurteilt, mit ihm die Angeklagten Andreas Hofer, Walter Caldonazzi, Josef Whynal, Hermann Klepell, Dr. Wilhelm Bitsch, Dr. Franz Josef Messner und Dr. Clemens Pausinger. Nach zahlreichen Folterungen im KZ Mauthausen dip ihn 711m Verrat wpitprpr Vprbündeter bewegen sollen, wird das Urteil vollstreckt.

Politisch aktiv wie Maier ist auch der Klosterneuburger Chorherr Bo-man Karl Scholz. Er ist Mitbegründer einer illegalen Freiheitsbewegung, die nach Kriegsbeginn 1939 den Namen „Österreichische Freiheitsbewegung” erhält und rund 400 Mitglieder umfaßt. Ihr Ziel ist es, die nationalsozialistische Staatsführung zu stürzen, einen neuen österreichischen Staat zu gründen. Die Gruppierung bleibt nicht unentdeckt: ein Gestapospitzel schleicht sich ein und denunziert die Freiheitsbewegung. Boman Scholz wird am 22. Juli 1940 verhaftet. Eine Odyssee durch elf verschiedene Gefängnisse beginnt. Die Denunziation hat elf Todesurteile zur Folge, von denen neun vollstreckt werden, weitere neun Gesinnungsgenossen sterben infolge jahrelanger Haftstrafen. Scholz wird am 10. Mai 1944 im Landesgerirht Wipn pnthanntpt Mit rlpn Wnr.

ten „Für Christus und Österreich” besteigt er das Schaffott.

Um mit den NS-Machthabern in Konflikt zu geraten, ist keinesfalls politische Aktivität notwendig. Einschränkungen, Bespitzelung, Verfolgung geschehen überall allein durch die Tatsache, daß man katholischen Glaubens, Angehöriger der katholischen Kirche, der Geistlichkeit ist.

Von 1938 bis 1945 werden 208 Priester in Österreich gau- oder landesverwiesen, mehr als 1.500 erhalten Predigt- und Schulverbot. Ins Gefängnis gehen 724 Priester, sieben davon sterben dort. 110 kommen ins KZ, von ihnen gehen 20 zugrunde. Schließlich werden 15 zum Tode verurteilt und hingerichtet. Die Gründe für Verhaftungen und Verurteilungen sind vielfältig: staatsgefährliche Äußerungen in Predigt, Schule und Privatgesprächen, Übertretung staatlicher Verordnungen bezüglich Gottesdienst, kirchlicher Feiertage und Glockenläuten, Verweigerung des Hitlergrußes, Verteilung von Gütern an Kriegsgefangene, Abhören ausländischer Sender, Beherbergung von Flüchtlingen.

Oft scheinen die Begründungen für eine Verhaftung äußerst fadenscheinig, nur vorgeschoben, um einen unbequemen Kritiker aus dem Verkehr zu ziehen. So im Fall des gebürtigen Vorarlbergers Msgr. Carl Lampert. Seit 1939 als Provikar der Apostolischen Administratur Innsbruck-Feldkirch tätig, muß er die Diözese vor den staatlichen Behörden vertreten, da der Bischof von den Machthabern nicht anerkannt wird. Lampert stellt sich schützend vor die Priester und Ordensleute seiner Diözese und verteidigt die Kirche, wo er nur kann. Einmal wird er kurz verhaftet, mehrmals verhört. Als er für den im KZ Buchenwald getöteten Götzenser Pfarrer Otto Neururer (siehe Seite 15) eine Todesanzeige veröffentlicht, wird Lampert wegen „Aufwiegelung” verhaftet. Nach mehr als einem Jahr KZ-Haft in Dachau und Sachsenhausen wird der Seelsorger freigelassen und nach Norddeutschland verbannt.

1943 folgt die neuerliche Verhaftung infolge der Aussagen eines Ge-stapospitzels, der ihm von deutschen Geheimwaffen erzählt. Carl Lampert wird 1943 wegen „Wehrkraftzersetzung, Feindbegünstigung und Abhören von Feindsendern” angeklagt, 1944 folgt die Verurteilung zum Tode wegen „versuchten Landesverrats und Spionage”. Am 13. November 1944 wird Lampert um 16 Uhr in Halle hingerichtet. Bis zum Schluß hält er an seinem Glauben fest. Ein Zeitzeuge erinnert sich später an einen Ausspruch Lamperts: „Ich lebe gern und möchte auch gern das Ende dieser Tyrannei erleben. Aber wenn es Gottes Wille ist, dann sterbe ich auch gern, denn ich weiß, daß mein Erlöser lebt.”

Ebenso Opfer der willkürlichen NS-Verhaftungs- und Vernichtungspolitik wird der oberösterreichische Karmeliter Paulus Wörndl. 1894 bei Salzburg geboren, kommt der junge Wörndl ins Ordensinternat Wels. Er tritt 1913 bei den Unbeschuhten Karmplitpn pm naph rlpm Thpnlnmo. nn/1

Philosophiestudium empfängt er im Jahre 1919 die Priesterweihe in Wien. Es folgen Tätigkeiten in Wien-Döb-ling, in Graz und schließlich St. Pölten. Wörndl ist ein unerschrockener und beliebter Prediger, der besonders bei der Jugend Anklang findet. Für die Gestapo ist das Grund genug, ihn beobachten zu lassen - seine Post wird zensuriert, die Predigten werden überwacht. 1939 verhängt man das Gauverbot über ihn und er wird nach Linz versetzt.

Ein Mitbruder rät dem Karmeliter, in die Schweiz zu flüchten. Doch Wörndl lehnt mit der Begründung ab, sein Leben gehöre Gott und er werde es für die jungen Priester aufopfern. Wegen seines Briefwechsels mit einem ehemaligen Pfadfinder, der in Norwegen eine Widerstandsgruppe aufgebaut hat, wird Paulus Wörndl am 6. Juli 1943 verhaftet und zu einem Jahr Kerker verurteilt. Verhöre, Nahrungsentzug, Mißhandlungen und Krankheit setzen ihm zu, vermögen jedoch nicht seine Gesinnung zu brechen: „Schenkt mir Gott das Leben, dann soll es Ihm ganz gehören. Fordert es Gott aber von mir, dann soll es Ihm geweiht sein und Seinen heiligen Interessen.” Außerdem sagt er:

Heimat, für die heilige Kirche und besonders für die Wiedervereinigung der Konfessionen.”

Nach neun Monaten Gefängnis, Folter und Hunger wird Paulus Wörndl vom Linzer Landesgericht dem Volksgerichtshof in Berlin-Plötzensee überstellt. Dort verurteilen ihn die Richter wegen „Hochverrat, Zersetzung der Wehrmacht und Konspiration mit dem Feind” zum Tode. Der Karmelit stirbt knapp fünfzigjährig am 26. Juni 1944 durch das Fallbeil.

Hinrichtungen wie in den Fällen Maier, Scholz, Lampert und Wörndl finden noch eine ganze Reihe statt: Dr. Angelus Steinwender und Dr. Johann Pieller, beide erschossen am 15. April 1945; Karl Raab, hingerichtet am 21. September 1942; Johann Schwings-hackl, gestorben am 28. Februar 1945 kurz vor seiner Exekution; Otto Neururer, gestorben im Buchenwalder Todesbunker am 30. Mai 1940; Matthias Spanlang, gestorben im Todesbunker am 5. Juni 1940; Johann Steinmayr, hingerichtet am 18. September 1944; Edmund Pontiller, hingerichtet am 9. Februar 1945; Jakob Gapp, hingerichtet am 13. August 1943; Alois Grimm, hingerichtet am 11. September 1944 im Zuchthaus Brandenburg-Görden; Heinrich Dallarosa, enthauptet am 24. Januar 1945... Nicht zu vergessen darüber hinaus sind unzählige Tote christlicher Gesinnung, die in Konzentrationslagern und Zuchthäusern

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