6733094-1966_08_04.jpg
Digital In Arbeit

Generationswechsel ob der Enns

Werbung
Werbung
Werbung

Die Umbildung der Landesregierung und die Neubesetzung des Präsidentenstuhles der Landwirtschaftskammer überschattete in Oberdsterreich fast die Kandidaten-aufstellung fiir die Nationalrats-wahlen. Es gab zwar weder hier noch dort eigentliche Überraschun-gen, auch lag die Umbildung be-zaehungsweise Ergänzung der Landesregierung schon seit einem Jahr in der Luft, so daß es auch keinerlei zeitliche Überraschung gab; immer-hin ist verständlich, daß ein neuer Landeshauptmannstellvertreter, ein neuer Landesrat und ein neuer President der Landwirtschaftskam-mer interessanter sind als drei Oder vier neue Abgeordnete in Wien.

Der Riicktritt des langjährigen Landeshauptmannstellvertreters Johann Blöchl (71), eines Mühlviertler Bauernvertreters, der sich vor allem in der Besatzungszeit unschätzbare Verdienste fiir Oberdsterreich und österreich erworben hat (er war als „Zivilbeauftragter” de facto „Lan-deshauptmann” des Mühlviertels, unterstand zum Teil direkt Wien, war aber trotzdem Mitglied des oberdsterreichischen Landtages und der Landesregierung), machte Platz fiir die nächste Oder vielleicht schon übernächste politische Generation, den 45jährigen Landesrat Dr. Erwin Wenzl, gleichzeitig aber auch fiir den 55 jährigen Landtagsabgeordneten und bisherigen Präsidenten der Landwirtschaftskammer Johann Diwold, einen Miihlviertler Bauem und klugen und erfahrenen Politi-ker, der nunmehr als Agrarreferent neues Mitglied der oberdsterreichi-schen Landesregierung wurde. Auch die Vorentscheidung fiir dessen Nachfolger in der Landwirtschaft ist gefalien: Es wird Dr. Karl Lehner, Bauer in Breitbrunn bei Linz.

Die bundischen Grenzen verwischen sich

Diese drei Manner zeigen einmal mehr auf, wie sehr sich in Oberdsterreich — erfreulicherweise — die biindischen Grenzen verwischen: Der neue Landeshauptmannstellvertreter Dr. Wenzl, ein Jurist und Bergmannssohn, 1st bäuerlicher Mandatar (wenn auch durch seine langjährige Funktion als Landes-parteisekretär fiber die Biinde ge-wachsen), der neue Landesrat Diwold stammt aus dem keineswegs wohlhabenden unteren Miihlviertel, wo sich die Grenzen zwischen Bauer und Kleinbauer stark verwischen, und der neue President der Landwirtschaftskammer ist Doktor med., iibt diesen Beruf allerdings nicht aus. Der einstige Bauemsohn hat wieder einen Hof in der Hor-schinger Gegend iibemommen und schon in den letzten Jahren ge-schickt die bäuerlichen Interessen, vor allem im Rübenbauverband, aber auch auf internationalem Par-kett vertreten; er ist sprachen-gewandt und mit 40 Jahren in einem gunstigen Alter. Alle drei sind, wenn auch unterschiedliche, so doch jeder in seiner Art markante Ver-treter der christlichen Bevölkerung Oberösterreichs.

Der Generationswechsel

Diesem praktizierten Generafions-wechsel in der Landespolitik ist eigentlich der innerhalb der oberdsterreichischen Vertreter im Nationalrat schon vorausgegangen, ist bei sämtlichen politischen Parteien Oberösterreichs schon vor vier Jahren erfolgt, so daß heuer nur ge-ringfiigige Korrekturen vor sich gehen werden, die vermutlich bei SPÖ und FPÖ je einen Mandatar, bei der ÖVP vielleicht drei betref-fen und die keine Verjiingung dar-stellen.

Während bei der SPÖ im Bundes-gebiet insgesamt 16 Mandatare ,,ab-lösungsreif” wurden, übersprang in Oberdsterreich ein einziger nicht die Altersgrenze, der 66jährige Inn-viertler Mandatar Johann Buttinger. An seine Stelle tritt als Spitzen-kandidat des Wahlkreises XIII der 49jährige Schichtführer der Alumi-niumwerke Ranshofen, Franz Hell-wagner. Alle übrigen „Hoffnungs-mandate” blieben praktisch unver-ändert. Ein Großteil von ihnen, nämlich sechs, sind erst eine Legis-laturperiode im Nationalrat, einer von ihnen, der Steyrer Josef Schmidl, war nach dem Riicktritt Enges überhaupt nur wenige Monate Mitglied des „Hohen Hauses”. Auch wenn man eine gewisse Eingewdh-nungsfrist ins Kalkül ziehen muß, sind die meisten von ihnen in Wien iiberhaupt nicht in Erscheinung ge-treten — vom Spitzenkandidat des Wahlkreises XIV, Bruno Pitter-mann, natürlich abgesehen. Danebën trat im Parlament der sonst in Oberdsterreich eher umkämpfte Kammeramtsdirektor der Linzer Arbeiterkammer, Dr. Viktor Kleiner, noch am meisten in Erscheinung. SPÖ-Kandidat Nr. 2 des Wahlkreises Linz, der VÖESt.-Zentral-betriebsratsobmann Walter Braunais (44), ist zwar schon zwei Legis-laturperioden im Parlament und Vorsitzender des Ausschusses fiir die Verstaatlichte Industrie, doch ist der Ausschuß kaum jemals ein-berufen worden. Nationalrat Libal fiihlte sich fast ausschließlich als Kriegsopfervertreter, Nationalrat Karl Spielbiichler aus Gosau ist in erster Linie Biirgermeisiter, und der Gmundner Vizebiirgermeister Rudolf Thalhammer faßt sedn Mandat auch mehr als Untermauerung seines Gmundner Postens, denn als ent-scheidende Funktion in der gesetz-gebenden Kdrperschaft der Repu-blik auf. Alle anderen sind mehr stille Zuschauer in Wien und fleißige Mandatare ihres Wahlkreises.

Während man auch bei der SPÖ die berufliche Gliederung und die zu vertretenden Schichten immer sorg-fältig beriicksichtigt, ist der alters-mäßige Aufbau der sozialistischen Mandatare Oberösterreichs zwar keineswegs iiberaltert (Durch-schnittsalter: 49,6 Jahre), er zeigt aber einen beachtlichen, wenn auch kaum beachteten Nachteil: während nur zwei Abgeordnete alter als 60 Jahre sind (Dr. Pittermann und Dr. Kleiner) und einer alter als 50 Jahre ist, liegt das Alter aller anderen ernstzunehmenden Kandidaten ausnahmslos zwischen 43 und 49 Jahren, es wird also später vermutlich keine schrittweise Ab-Idsung, sondem fast eine Kollektiv-wachablösung vor sich gehen, was fiir eine politische Kontinuität des Parlaments, aber auch der Ver-tretung Oberösterreichs nicht ohne weiteres von Vorteil ist.

Bei den Freiheitlichen ist nur nach außenhin das Rennen offen, weil die FPÖ so wie bisher in keinem der fünf oberdsterreichischen Wahlkreise ein Grundmandat erhalten dürfte. Bisher erhielt das Reststimmenmandat der Spitzenkandidat des Hausruckviertels, der Weiser Dr. Kos (55), ein Mann, der nach wie vor das Vertrauen seiner Mannen genießt. Daneben ließ sich der Bundesparteiobmann der FPÖ, der Landtagsabgeordnete Peter (45), erstmaiig fur den Nationalrat auf-stellen, und zwar als Spitzenkandidat des Wahlkreises Linz.

Weniger die Aufstellung selbst, als der später gefaßte Beschluß, daß das erwartete Reststimmenmandat auf jeden Fall dem Bundesparteiobmann Peter und nicht Dr. Kos zufallen wird, fiihrte eben zum Ver-zicht von Kos auf seinen Posten als FPÖ-Spitzenkandidat im Wahlkreis Häusruckviertel; der nachfolgende bäuerliche FPÖ-Kandidat B aching er ist trotz des ersten Platzes in dem prominenten und fiir die FPÖ nicht uninteressanten Viertel damit nur noth ein Zählkandidat, denn seine Chancen sind praktisch gleich Null.

Mehr Raum fiir den ÖAAB

Bei der ÖVP war vor allem ‘däs Drängen des ÖAAB spürbar, besser als bisher vertreten zu werden, was diesem Bund einen Landtags-abgeordnetenplatz fiir den fiir den Nationalrat nominierten Innviertler Bauernbundkandidaten Kinzl brin-gen wird. Hemmend fiir das Empor-kommen politischer Talente — vermutlich nicht nur in Oberdster-reich — ist nicht nur die biindische Gliederung, sondem auch die Bal-lung politischer Talente, die zu man-chen Komplikationen, Verärgerun-gen, aber auch zu manchem echten Dilemma fiihrt. Was etwa fiir Rom das Politikerreservoir Siiditaliens zu sein scheint, ist fiir Oberdsterreich das untere Miihlviertel, wo sich praktisch in einem einzigen Bezirk eine Fiille von begabten und in-itiativen Politikem zusammen-drängt: der Biirgermeister und friihere Nationalrat Hattmannsdor-fer, der Wirtschaftsbundmandatar, Nationalrat Ing. Helbich, der ÖAAB-Funktionär und Biirgermeister von Perg, Waidhofer, der neue Landesrat Diwold und der nachgeriickfe Landtagsabgeordnete und Landesobmannstellvertreter der Österreichischen Jugendbewegung Weixlbaumer. Ähnlich ist es mit den beiden begabten bäuerlichen Man-dataren im Raume Hdrsching, dem Präsidenten der Landwirtschaftskammer Dr. Lehner und dem Landtagsabgeordneten Ritzberger oder zweier Wirtschaftsbundmandatare im Traunviertel, Nationalrat Stan-dinger und Bundesrat Iro.

Unter den ÖAAB-Mandataren sind bisher neben Nationalrats-präsident Dr. Maleta (Spitzenkandidat, Wahlkreis Linz), Nationalrat Dr. Josef Gruber (in Wien, wie in seinem Wahlkreis) und der Innviertler Mandatar Staatssekre-tär a. D. Dr. Kranzlmayr sichtbar in Erscheinung getreten.

Beim ÖAAB scheidet der lang-jährige Nationalratsabgeordnete, der Ebenseer Vizebiirgermeister Mittendorfer, auf eigenen Wunsch aus; ihm folgt der Finanzbeamte Karl Sand-meier (49), der als Gemeinderat in Gmunden kommunalpolitische Er-fahrungen gesammelt hat.

Der Wirtschaftsbund, der in Wien viel vielseitiger und starker vertreten ist als auf dem Land, stellt Staatssekretär Dr. Kotzina, den friiheren Kammeramtsdirektor der Linzer Handelskammer, den jungen, agilen und ambitionierten Indu-strieilen Ing. Helbich (Mauthausen), den ruhigen, angesehenen und fleißigen Nationalrat Mayr aus Win-dischgarsten und den Biirgermeister von Vöcklabruck, Staudinger. Man spricht auch heute schon davon, daß aus diesem sehr starken Wirt-schaftsbundteam, das in Wien tätig ist, einmal der kiinftige President der Handelskammer kommen wird und nicht, wie sonst iiblich, aus der Landespolitik.

Die bäuerlichen Vertreter waren iiberwiegend erstmals im Parlament vertreten, abgesehen von dem nunmehr ausgeschiedenen Innviertler Abgeordneten Wührer (60) und dem Vertreter der Landarbeiter und Präsidenten der Landarbeiterkam-mer Nimmervoll (57), der das erste und aussichtsreichste Reststimmenmandat des Wahlkreisverbandes West innehatte und hat. Im Innviertel wird fiir Wiihrer der bis-herige Vizepräsident der Landwirtschaftskammer und Landtagsabgeordnete Karl Kinzl (50) neu kandidieren, im Traunviertel fiir den ausscheidenden Josef Luham-mer Dipl.-Ing. Dr. Hermann Zitt-inayr vom Schardinger Molkereiver-band (40). Unverändert bleiben die bäuerlichen Kandidaten des Hausruckviertels (Anton Schlager, 45) und des Miihlviertels (Johann Brei-teneder, 45, und Ernst Grundemann-Falkenberg, 63).

Zwischen Vierzig und Fünfzis

Altersmäßig ergibt sich eine nicht ungiinstige Gliederung: alter als 60 Jahre sind nur zwei Kandidaten, zwischen 50 und 60 sechs, zwischen 40 und 50 sieben. Das Durchschnitts-alter aller 52 ÖVP-Kändidaten ist mit 46 Jahren demnach nicht un-giinstig..

Die KP hatte in Oberdsterreich bisher wenig. zu vermelden; ihr gliickte bisher nie ein Grundmandat fiir den Nationalrat und den Landtag, ihre 12.351 Stimmen bei den letzten Nationalratswahlen sind sozialistisches Hoffnungsgebiet und dies um so mehr, als der politische Sog unter anderem auch durch die Tatsache sichtbar wird, daß die sozialistische Mehrheit des Magistrais Linz ihre Plakatwände bereit-willig auch der in keinem der ober-dsterreichischen Wahlkreise kandidierenden KP zur Verfiigung stellt, und zwar im selben Ausmaß wie der ÖVP Oder SPÖ. Olahs DFP hat zwar im ersten Ansturm je ein Mandat bei den Betriebsratswahlen der Stickstoffwerke und der Steyrer Werke erobem können, trotz allem ist es Olah in Oberdsterreich nicht geglückt, bekannte Namen aus dem Kreis seiner friiher hier recht dick sitzenden Anhänger für sich zu ge-winnen, so daß seine Chancen mit-telmäßig sein diirften. Die DFP selbst verspricht sich bei den Nationalratswahlen einen größeren Erfolg als bei den Betriebsratswahlen, weil man in Anbetracht der kleinen, leicht fiberschaubaren und kontrol-lierbaren Wahlsprengel bei Betriebsratswahlen nicht von einer ganz geheimen Wahl sprechen konne.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung