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George Catlett Marshall

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Der Wechsel im amerikanischen Außen-ministerium kam nicht nur. für die überseeische Weit, semdern auch für die USA und selbst für die leitenden Persönlichkeiten im Weißen Haus vollkommen überraschend. Seine Publizierung vollzog sich in einer sogar für Amerika etwas ungewöhnlichen Form: sämtliche Abteilungen des Weißen Hauses hatten bereits ihren Dienstbetrieb geschlossen und im Pressesaal waren nur mehr die wenigen Ver-

treter der großen Nachrichtenagenturen anwesend, als Pressesekretär Ross in den späten Abendstunden des 7. Jänner plötzlich den Journalisten — die sich in Erwartung eines langweiligen Nachtdienstes eben zu einer Kartenpartie zusammengefunden hatten — persönlich mitteilte, daß in wenigen Minuten eine äußerst wichtige Mitteilung bekanntgegeben werde. Kurz darauf erschien Ross neuerlich im Pressesaal und übergab den Korrespondenten

Der Versuch, der außerordentlichen Papierknappheit in der österreichischen Zeitungsproduktion durch eine vorübergehende Einsparung im Wege einer vorübergehenden 50prozentigen Einschränkung des Papierbedarfs aller Blätter zu begegnen, hat die „Furch e“ veranlaßt, für eine kurze Ubergangszeit bis zur Ordnung des Papiermarktes anstatt eines viermal wöchentlichen Erscheinens mit 16 Seiten, ein dreimaliges in je zehntägigen Abständen mit jeweils 12 Seiten in Aussicht zu nehmen. Diesem Ersparungsplan entspricht der heutige Umfang unseres Blattes.

Die diesmalige Nummer der „Furche“ war redaktionell noch nicht abgeschlossen, als die Vertreter des Tageszeitungs- und des Zeitschriftenverbandes sich vor eine so katastrophale Gestaltung des Papiermarktes, mitbedingt durch die nicht zeitgerechte Durchführung eines wichtigen, den Export von Holz und Holzprodukten betreffenden Ministerratsbeschlusses, gestellt sahen, daß die Vertretungen der Zeitungs- und Zeitschriftenpresse sich — wie sie in einer Erklärung feststellen — „in vollem Bewußtsein ihrer Verantwortlichkeit für die staatspolitischen Interessen wie auch für die Interessen der gesamten Öffentlichkeit genötigt sehen, am Di enstag, den 21. Jänner, das Erscheinen sämtlicher Zeitungen und Zeitschriften in ganz Österreich solidarisch einzustellen, wenn der von der Regierung gefaßte Beschluß von der Papierindustrie nicht durchgeführt wird.“

Die Zeitungsvertreter wünschen damit Maßnahmen zu beschleunigen, die dem jetzigen unhaltbaren Zustand ein Ende bereiten.

Die „Furch e“, die in den dreizehn Monaten ihres Bestandes eine allen Annahmen der ursprünglichen Planung weit übertreffende Verbreitung und von seiten ihres großen in- and ausländischen Leserkreises einen außerordentlichen, mit Dank und als Verpflichtung empfundenen Beifall erkalten hat, ist der bestimmten Erwartung, daß sie Ihr Erscheinen in kurzer Frist wieder aufnehmen kann.

„Die Furche“

Abschriften der Demissionsgesuche Byrnes vom 16. April und vom 19. Dezember vorigen Jahres sowie des Antwortschreibens Trumans, in dem dieser den Rücktritt seines Außenministers annahm.

Die Schockwirkung der überraschenden U.mbesetzung war dann auf dem europäischen Kontinent genau so vollkommen, wie etwa im Fernen Osten, in Australien oder in Latein-Amerika. Dia Verwunderung über die plötzliche Abberufung Byrnes' wurde jedoch allgemein noch überboten durch die Überraschung über die völlig unerwartete Ernennung des Fünfsterngenerals George Catlett Marshall zu seinem Nachfolger.

Die erste Reaktion auf die Ernennung des neuen Außenministers ist durch die völlige Ungewißheit gekennzeichnet, in welche der bekannten politischen Richtungen man Marshall einreihen soll. Er ist weder Demokrat noch Republikaner, weder als ausgesprochener Russengegner, noch als besonders sowjetophil bekannt. Niemand weiß etwas Tatsächliches über seine Einstellung zum Vetorecht oder zur Palästina-' frag: daß in dieser Hinsicht auch für die nächste Zeit keine programmatischen und politisch bindenden Äußerungen Marshalls zu erwarten sind, erhellt aus der Erklärung, die der neue Außenminister auf der Rückreise von Nanking nach 'Washington anläßlich einer Zwischenlandung in Honolulu abgab. Als Marshall gefragt wurde, ob er Mitglied der Demokratischen Partei sei, antwortete er kurz und bündig: „Ich bin Offizier.“ Die Antwort der Presse aller Kontinente auf die Ernennung des neue Außenministers kam bisher über das Gebiet einseitiger Spekulationer. und reiner Vermutungen nicht hinaus.

Das Interesse des Auslandes an dem Wechsel Byrnes—Marshall gilt m erster Linie der Frage, ob dem Personenwechsel auch eine Änderung der Außenpolitik der USA folgen werde und inwieweit, beziehungsweise in welcher Richtung, der neue Mann die Politik der USA gegenüber dem jeweils in Betracht kommenden Land beeinflussen wird. Je nach dem Staat, beziehungsweise der politischen Richtung, die zu dem Ministerwechsel Stellung nimmt, ändert sich somit also der Gesichtswinkel, von dem aus man die Personalverändemng im State Department betrachtet, wobei jedoch ohne Zweifel ein gemeinsamer Nenner vorhanden ist.-Ausgehend von der Tatsache, daß die Sowjetunion und die USA heute mit weitem Vonsprung die beiden führenden Großmächte der Welt darstellen, sind vor allem Marshalls Beziehungen zur Sowjetunion und seine Einstellung diesem Land gegenüber von Wichtigkeit. Der neue Außenminister Amerikas kommt aus einem Gebiet, wo er viele Situationen und Schwierigkeiten vorfand, die seiner ersten und größten Aufgabe, dem deutschen Friedensvertrag, sehr ähnlich sind. Man erinnert sich noch allgjtmtin der amerikanischen Protestnoten gegen den Abtransport mandschurischer Industrieausrüstungen durch die Sowjetunion zu einem Zeitpunkt, als noch keinerlei Abkommen über die Aufteilung der japanischen Reparationen getroffen war. Die amerikanischen Proteste richteten sich auch dort mehrmals gegen Reparationsleistungen aus der laufenden Produktion des besetzten Gebietes. Man erinnert sich ferner der zahlreichen Schwierigkeiten in Korea, welches Land noch immer durch eine starre Demarkationslinie entlang des 38. Breitegrades in einen sowjetrussischen und einen amerikanisch besetzten Teil zerschnitten wird. Mehrmals wechselten bereits amerikanische und russische Erklärungen über die Notwendigkeit der Herstellung einer demokratischen Regierung in Korea ab; beide Mächte beschuldigten sich gegenseitig, die Beschlüsse des Außenministerrates bezüglich Korea zu verschleppen. Mehrmalige Versuche, zu einer Einigung über Korea zu kommen und damit die Räumung des Landes zu ermöglichen, sind bisher über einen formellen Briefwechsel der beiden Oberkommandierenden nicht hinausgegangen. Gegenwärtig sind sämtliche Verhandlungen über die Räumung und Demokratisierung des Landes gänzlich abgebrochen und die Entwicklung kl den beiden Zonen des Landes nimmt eine völlig entgegengesetzte Richtung. — Außenminister Marshall hat sich nach Ende des Krieges außerdem über ein Jahr lang in China, einem Lande aufgehalten, das unter der Aggression des Achsenpartners Japan schwer gelitten hat und nichts notwendiger braucht als den Frieden, um wie-

der zu einem menschenwürdigen Dasein zurückzufinden.

Wenn der neue Außenminister bei der Moskauer Konferenz der Außenminister der Großen Vier zum erstenmal vor das Forum der internationalen Diplomatie treten wird, dann wird er sich zahlreichen ähnlichen Fragen und dem gleichen Partner gegenübersehen. Die gegensätzliche Auffassung der USA und der Sowjetunion in verschiedenen Fragen der deutschen Reparationspflicht stellt noch immer eines der wichtigsten Hindernisse für ein Einvernehmen über Deutschland dar, und die divergierenden Meinungen über eine wirtschaftliche oder politische Einheit Deutschlands gelten als der gordische * Knoten in der Deutschlandpolitik der Großen Vier. Außenminister Marshall geht von dem einen Brennpunkt an der sowjetrussischen Grenze, wo er als Vermittler zwischen den Kommunisten und der nationalchinesischen Regierung nur unbeteiligter Zuscher an den amerikanisch-russischen Meinungsverschiedenheiten war, nunmehr durch seine maßgebliche Teilnahme an den Verhandlungen über den deutschen Friedensvertrag und den österreichischen Staatsvertrag zur intensiven Beschäftigung mit allen Fragen an dem an- * deren Brennpunkt der sowjetrussischen Grenze über. Man erwartet allgemein, daß Marshall während seiner dreizehnmonatigen Tätigkeit in China sich ein genügend tiefes Reservoir diplomatischer Erfahrung für diese zunächst sichtbare Hauptaufgabe in seinem neuen Posten angelegt hat. Seine Beziehungen zu sowjetrussischen Kreisen während seiner Ver m i 111ertätigkeit in China waren ausgezeichnet. Ohne auf das Gebiet der Anekdote zu verfallen, kann festgehalten werden, daß die

Landung der Alliierten in Südfrankreich während der ersten Wochen der Invasion in der Normandie auf eine Initiative Stalins zurückgeht, die gegen die ursprüngliche Abneigung Churchills und Roosevelts nur durch die militärische Zusage Marshalls auf der Konferenz von Jalta — der als damaliger Generalstabschef der USA die volle Verantwortung für dieses Unternehmen auf sich nahm — erfolgreiche Wirklichkeit wurde. Es kann auch daran erinnert werden, daß anläßlich eines Banketts während der Potsdamer Konferenz Generalissimus Stalin auf den erfolgreichen General zuging und ihn um sein Autogramm bat. Sowohl in amerikanischen als auch in Sowjetkreisen sind die ausgezeichneten Beziehungen Marshalls zu den Marschällen Woroschilow und Schukow bekannt. Wenn der neue Außenminister auf Grund seiner persönlichen Beziehungen vielleicht auch geradezu prädestiniert erscheinen mag, in seiner neuen Verwendung die erfreulich entspannte Stimmung der New-Yorker Außenministertagung weiter auszubauen, so muß in diesem Zusammenhang jedoch auf eine Tatsache verwiesen werden: während des Krieges w?r Marshall der Generalstabschef einer alliierten Armee und damit Leiter der militärischen Operationen nicht nur des mächtigsten, sondern des entscheidenden Verbündeten, der Sowjetunion. Im Fernen Oster. wa- er der persönlich unbeteiligte Mittler zwischen Tschiangkaischek und den chinesischen Kommunisten. In seiner zukünftigen Tätigkeit als Außenminister wird er jedoch nicht nur irgendein eben auch beteiligter Mitspieler, sondern auf Grund der gegenwärtigen Verteilung der Weltmacht der entscheidende Mitspieler der Sowjetunion sein.

Es wird vielfach angezweifelt, ob Marshall die Nadelstichpolitik seines Vorgängers

fortsetzen wird, der sich schon so weit auf die russische Politik eingespielt hatte, daß er von vornherein mehr verlangte, als er wollte, und zu jedem Vorschlag nein sagte, um später im detaillierten Ringen mit den Vertretern einer anderen Meinung unter ständiger Abwägung von Vorteil und Nachteil, durch das Aufgeben oder starre Halten von Positionen, meist über ein französisches Kompromiß seinem eigenen Vorschlag möglichst nahe zu kommen. Man neigt vielfach zu der Auffassung, daß Marshall, der diplomatisch völlig unbelastet den anderen Großmächten gegenübertritt — seiner 44jährigen erfolgreichen Tätigkeit als Berufssoldat steht lediglich der dreizehnmonatige Aufenthalt als Sonderbotschafter Trumans in China gegenüber — den Versuch unternehmen wird, die amerikanischrussischen Beziehungen in allen ihren Belangen bo9 seinem ersten Zusammentreffen mit den führenden Sowjetpolitikern aufzurollen und fftr die Zukunft die Möglichkeit eines Spieles mit offenen Karten herbeizuführen. Ob die Russen ihm dabei folgen werden, wird in erster Linie von seinem Auftreten im Moskauer Außenministerrat abhängen.

Als Marshall seine erste diplomatische Mission in China antrat, hat man ihm drei Eigenschaften nachgerühmt: seine Schweigsamkeit, seine Arbeitskraft und den scharfen Verstand. Es ist kein Zweifel, Marshall ist nicht nur als Berufssoldat, sondern auch als Amerikaner ein Mann von außergewöhnlichem Format. Es ist ferner für Amerika außergewöhnlich, daß ein Berufssoldat die außenpolitischen Agenden des Landes führt. Man darf daher erwarten, daß der neue Außenminister im Dienste der Menschheit aoeh außergewöhnliche Leistungen vollbringen wird. D. K.

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