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Geprellt!

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Mag man sich in diesen Tagen in unserem österreichischen Gästehaus damit trösten, daß der „hohe Besuch“ die Risse und Sprünge im Gemäuer, die sich immer weiter ausbreitenden Flecke modrigen Schwamms nicht merken wird, mag man je nach Temperament galgenhumorig oder unentwegt kinderoptimistisch die Vereinbarungen der neuen Regierung über die Beamtengehälter als immerhin noch „geschupftes“ Kompromiß hinstellen: Wir sind dieser Meinung in keiner Weise. Die neue Führung der ersten Regierungspartei hat sich in jene hoffnungslose Defensivsituation hineinmanövrieren lassen, deren Sterilität man mit so lautem Reformeifer den „Alten“ zum Vorwurf machte.

Es ist der sozialistischen Taktik gelungen, die Regierungsmitglieder der Volkspartei gegenüber den gerechten und billigen Lohnforderungen der Beamten, für die jeder in unserem Lande Verständnis hat, in die Rolle des knausrigen Neinsagers zu versetzen. — Die erste Phase.

Dann preßte der sozialistisch geführte Gewerkschaftsbund der durch einen sozialistischen Vizekanzler mitgeführten Bundesregierung in kluger Rollenverteilung und in einer geradezu entwürdigenden Komödie von Nachtsitzungen mit Würstelpausen „Perzent um Perzent“ für die schutzsuchenden Beamten ab. — Die zweite Phase.

Dann schob man den ressortmäßig zuständigen Regierungsmitgliedern der ÖVP, vor allem dem Finanzminister, die Aufgabe der budgetmäßigen Bedeckung dieser neuen Staatslasten zu, setzte aber dem konstruktiven Be- deckungsvorschlag durch Umschichtung des Staatsvermögens ein starres Nein entgegen. — Die dritte Phase.

Dann blieb dem Finanzminister nichts anderes übrig, als neben anderen Sparmaßnahmen empfindliche Streichungen bei den laufenden Haus- haltmitteln jener Ressorts vorzuneh- men, die nicht nur gesetzlich gebundene Zahlungen an Löhnen und Gehältern zu leisten, sondern Förderungsund Aufbaukredite zu vergeben haben. Dies trifft besonders das Unterrichtsund Kulturressort. — Die vierte Phase.

Und spätestens im Herbst wird man dann von der „schwarzen“ Kulturpleite, vom kulturfeindlichen Rückschrittler Drimmel sprechen. Das wird mit Sicherheit die fünfte Phase sein ..,

Was hat die Volkspartei diesem klar erkennbaren Phasenplan in den Entscheidungstagen entgegengesetzt? Praktisch nichts. Während die Sozialisten getrennt nach Vizekanzler, Energieminister und Gewerkschaftspräsident marschierten, aber klug vereint schlugen, haben die Feudalherren der verschiedenen ÖVP-Bünde ihren „Beitrag“ zur Budgetsanierung und zu einheitlichen Stützung des neuen Finanzministers durch Präsentieren neuer, das Budget noch mehr belastender Forderungen geleistet.

Daß dieses Spiel der faulen Kompromisse, daß diese Politik der Hin- tertürln noch als Erfolg hingestellt wird, ist nicht unsere Sache. Jede Partei muß selbst wissen, was ihr am Ende nützen wird.

Aber daß bei diesem wohlüberlegten sozialistischen Phasenplan die wenigen noch vorhandenen Kulturträger in unserem wohlfahrtlichen Ausverkaufsland mit 100 Millionen gestrichenen Subventionen die Geprellten sein werden, interessiert uns sehr wohl.

Wir haben Verständnis, daß der Unterrichtsminister in seiner Pfingst- rede vor katholischen Studenten diesen „Handel offenbar“ gemacht hat. Und wir glauben, daß der Tag nicht fern ist, an dem nicht nur ihm in sehr drastischer Weise die Geduld bei diesem mehr als üblen Katz- und Mausspiel reißen wird.

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