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Gerechtigkeit für Alexander Lohr

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Es wäre an der Zeit, den Kriegsverbrecherprozeß gegen Generaloberst Lohr, den letzten Oberbefehlshaber der Balkanfront, neu aufzurollen.

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Es wäre an der Zeit, den Kriegsverbrecherprozeß gegen Generaloberst Lohr, den letzten Oberbefehlshaber der Balkanfront, neu aufzurollen.

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Das neue Rußland hat schon 1991 ein Gesetz über die Rehabilitierung von Opfern politischer Repression verabschiedet. Die russische Generalstaatsanwaltschaft hat auf dieser Basis im Vorjahr neben anderen auch den deutschen General Helmuth von Pannwitz rehabilitiert, bei Kriegsende Kommandeur des XIV. Kosakenkorps im Partisaneneinsatz in Kroatien. Pannwitz ging mit seinen Soldaten in Gefangenschaft und wurde im Jänner 1947 in Moskau öffentlich gehenkt. Im Prozeß war ihm die Erschießung von 15 Partisanen zur Last gelegt worden, die von einem kroatischen Gericht abgeurteilt worden waren.

In Belgrad herrscht Schweigen, wenn gefragt wird, ob es nicht an der Zeit wäre, auch den Prozeß gegen den letzten Oberbefehlshaber der Balkanfront, Generaloberst Alexander Lohr, neu aufzurollen, dessen Todestag sich am 25. Februar zum 50. Mal gejährt hat. Nach wie vor stehen die Prozeßakten unter Verschluß - es fehlt aber auch jede Begründung, warum auch heute noch das Todesurteil gegen Lohr als gerecht angesehen würde. „Die jugoslawischen Kriegsverbrecherprozesse waren Racheakte, wie sie in dieser Form von keiner Nation auf der Siegerseite praktiziert wurden”, schreibt der Erlanger Historiker Oswald Hahn. In der Sowjetunion wurden fünf Prozent der gefangenen Generäle hingerichtet, in Jugoslawien 70 Prozent. Lohr war der einzige, der nicht gehenkt, sondern erschossen wurde.

Drei Hauptanklagepunkte wurden gegen ihn vorgebracht: die Bombardierung Belgrads am 6. April 1941,die

Verantwortung für Geiselerschießungen sowie für Verbrechen an Häftlingen. Bei der Bombardierung Belgrads hatte Lohr gegen den Befehl Hitlers, die Stadt zu zerstören, ausdrücklich nur strategische Ziele anfliegen lassen, womit die Zahl der Opfer nur einen Bruchteil derer betrug, die etwa bei der tagelangen

Flächenbombardierung Dresdens im Februar 1945 betroffen waren. Die von Lohr bestätigten 'Todesurteile der Militärgerichte betrafen Partisanen, die nach damals geltendem Kriegsrecht illegal kämpften. Die Verbrechen in kroati-sehen Konzentrationslagern waren dem Einfluß des deutschen Oberbefehlshabers entzogen.

Diesen Vorwürfen stehen die Verdienste Alexander Lohrs gegenüber: Er hat zwischen 1927 und 1938 die Fliegertruppe des österreichischen

Bundesheeres aufgebaut - und nur dieser Leistung war die angefeindete Gedenktafel in der Stiftskirche gewidmet.

Ohne auf die strategischen Leistungen von Generaloberst Lohr während des Kriegs, die heute nur mehr für Militärhistoriker verständlich sind, einzugehen, bleibt vor allem eines bestehen: der von ihm geführte Rückzug der deutschen Wehrmacht im Südosten hielt die Titotruppen so lange zurück, bis die Engländer in Kärnten eingetroffen waren und die jugoslawischen Aspirationen bremsten.

Tito selbst erklärte im Juni 1945 in Cilli: „Wir haben Triest, Istrien und Kärnten befreit, aber die internationalen Umstände in Kärnten entwickelten sich derart, daß wir uns vorübergehend aus Kärnten zurückziehen mußten. Das Land ist unser und wir werden darum kämpfen!” Ohne Alexander Lohr wäre auch die spätere Nachkriegspolitik anders verlaufen.

Es wäre Zeit, auch ihm in seiner Heimat Gerechtigkeit widerfahren zu lassen.

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