Geschäft und Propaganda: Hitlers Fotograf

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Vor 70 Jahren, am 1. Oktober 1946, endete der erste der Nürnberger Prozesse. Als Dokumente wurden dabei Fotos von Heinrich Hoffmann verwendet - der wirtschaftlich profitierte, die Propaganda mitverantwortete und schließlich selbst verurteilt wurde.

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Vor 70 Jahren, am 1. Oktober 1946, endete der erste der Nürnberger Prozesse. Als Dokumente wurden dabei Fotos von Heinrich Hoffmann verwendet - der wirtschaftlich profitierte, die Propaganda mitverantwortete und schließlich selbst verurteilt wurde.

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Heinrich Hoffmann war ein fleißiger Mann. Mit 24 eröffnete er in München ein Fotoatelier. Das war im Jahr 1909, er war damals 24 Jahre alt. Wenige Jahre später, ab 1913, wandte er sich dem Handel mit Pressefotos zu. Über 30 Jahre später, im Jahr 1945, beendete er seine fotografische Karriere abrupt. Zweieinhalb Millionen Fotos hatte er bis dahin zusammengetragen, viele davon hatte er selbst aufgenommen. In den folgenden Jahren beschäftigte er sich aber weiterhin mit seiner enormen Fotosammlung, nun allerdings nicht mehr freiwillig, sondern unter Zwang.

Als der Krieg zu Ende ging, wurde Hoffmann von US-Militärs an der österreichisch-bayerischen Grenze festgenommen. Er war nämlich nicht irgendein Fotograf, sondern Hitlers Leibfotograf, der ihm jahrelang auf Schritt und Tritt gefolgt war. Hitlers Image als "Führer" verdankte sich zu einem Gutteil den zahlreichen Propagandafotos, die Hoffmann aufgenommen und massenwirksam vermarktet hatte.

Presse und Propaganda

Bis heute stammt ein Großteil der Hitler-Bilder in TV-Dokumentationen, Ausstellungen und Schulbüchern aus dem ehemaligen Medienimperium Hoffmanns. Im Schatten Hitlers war dieser zum einflussreichen Medienunternehmer aufgestiegen. Und er war steinreich geworden. Im Gefängnis bekam Hoffmann die Aufgabe, seinen Bilderberg zu ordnen. Die Fotos wurden nämlich als wichtige Dokumente während der Nürnberger Prozesse verwendet, die im November 1945 begannen und im April 1949 endeten. Der erste Mammutprozess gegen die über 20 Hauptkriegsverbrecher endete vor 70 Jahren, am 1. Oktober 1946.

Wer war dieser Heinrich Hoffmann (1885-1957), dessen Karriere so eng mit dem Aufstieg Hitlers verbunden war? Und der vor Gericht stets behauptete, nichts mit dessen brutaler Eroberungs-und Vernichtungspolitik zu tun gehabt zu haben. Er habe, so beteuerte er, nur Bilder gemacht. Sonst nichts. Hoffmanns NS-Karriere hatte früh begonnen. Bereits 1920 war er der NSDAP beigetreten, bald darauf entstanden erste Fotos von NS-Politikern, auch Hitler fotografierte er schon Anfang der 1920er-Jahre. Bald danach stellte er sich als Pressefotograf in den Dienst von NS-Blättern, seit etwa 1930 gehörte er zum engeren Kreis um Hitler. Dieser besuchte ihn immer wieder in seinem Münchner Atelier. Anfang der 1930er-Jahre lernte Hitler hier seine spätere Geliebte Eva Braun kennen, die in Hoffmanns Unternehmen als Fotolaborantin tätig war.

Hoffmanns Stunde als Medienunternehmer schlug 1933, als Hitler an die Macht kam. Er wich nun als Fotograf nicht mehr von seiner Seite und lichtete Hitler bei offiziellen Treffen ebenso wie im privaten Rahmen ab. Er verstand es meisterlich, den privilegierten Zugang zu Parteigrößen und Machtträgern in massenhaft vervielfältigte Bildpropaganda umzumünzen. Auf diese Weise stieg Hoffmann rasch zum größten und wichtigsten nationalsozialistischen Bildlieferanten Deutschlands auf. Das Unternehmen expandierte in den 1930er-Jahren rasant. 1932 verfügte es noch über 17 Angestellte, 1943 arbeiteten bereits an die 300 Mitarbeiter für die Firma. Täglich wurden von mehreren Büros in Deutschland aus an die 160 Redaktionen mit aktuellen Pressefotos beliefert. Daneben wurden auch zahlreiche Bildbände, Werbebroschüren, Postkarten und weiteres Propagandamaterial produziert. Über 60 Fotobücher mit teils enormen Auflagen erschienen bis 1945. Immer und immer wieder wurde darin Hitler ins Rampenlicht gerückt, seine Jugend, sein Aufstieg zum Kanzler, sein privates Leben, seine Eroberungen, seine Kriege. All diese geschäftlichen Aktivitäten spülten Hoffmann an die sechs Millionen Reichsmark in die Kassen, ein gewaltiges Vermögen.

Als Hitler 1938 Österreich annektierte, zögerte Hoffmann keinen Augenblick, geschäftlich in die "Ostmark" zu expandieren. Er ließ es sich nicht nehmen, Hitler auf seiner ersten triumphalen Reise nach Österreich zu begleiten und zu fotografieren. Als Hitler am späten Abend des 13. März 1938 vom Balkon des Rathauses in Linz seine erste Rede auf österreichischem Boden hielt, war Hoffmann mit seiner Kamera dabei. Das Bild, das Hitler vor schwarzem Hintergrund und im Scheinwerferlicht zeigt, signierte er und vermarktete es anschließend im gesamten Deutschen Reich. Er gab der Aufnahme den Titel "Der Befreier".

Künstlerisches Raubgut

Hoffmann hielt sich regelmäßig und gerne in Wien auf. Im Herbst 1938 erwarb er sogar eine österreichische Kunstzeitschrift, die er dann selbst herausgab. Zuvor hatte er eine "arisierte" Wiener Kunstbuchhandlung in seinen Besitz gebracht und in prominenter Lage an der Wiener Ringstraße (Opernring 19) seinen "Verlag nationalsozialistischer Bilder Heinrich Hoffmann" eröffnet. Im Schaufenster und in den Verkaufsräumen waren fast ausschließlich Hitlerporträts zu sehen, für deren Verkauf der Inhaber eifrig die Werbetrommel rührte. In einer Anzeige von Oktober 1938 heißt es: "Die besten Führerbildnisse sowie Porträtaufnahmen von maßgebenden Männern aus Partei und Staat stehen in unserer Ausstellung unverbindlich zur Besichtigung frei."

Hoffmann war ein begeisterter Kunstsammler. 1937 hatte er sich an der Beschlagnahmungswelle "entarteter Kunst" beteiligt, er half mit, diese ins Ausland zu verkaufen. Im Gegenzug beauftragte ihn Hitler im selben Jahr mit der Zusammenstellung einer "Großen Deutschen Kunstausstellung". Für den Aufbau seiner privaten Kunstsammlung machte er sich seine beruflichen Netzwerke zum Regime zunutze. Als der Krieg begonnen hatte, stieg er auch in den Kunstraub ein. Auch hier bediente er sich seiner österreichischen Kontakte. Kajetan Mühlmann, ein österreichischer Nationalsozialist der ersten Stunde, vermittelte ihm unter anderem künstlerisches Raubgut aus Frankreich, Belgien und den Niederlanden.

Zehn Jahre Haft, Vermögensentzug

Im April 1945 war die steile Karriere Hoffmans mit einem Schlag zu Ende. Anfang 1946 begann in Nürnberg der Prozess gegen ihn. Das Verfahren endete ein Jahr später, am 31. Jänner 1947. Hoffmann war der einzige Fotograf, der in Nürnberg verurteilt wurde. Das Urteil lautete: zehn Jahren Haft und Vermögensentzug. Mit immer neuen Eingaben und Verzögerungsversuchen gelang es ihm, sich gegen die Gerichtsentscheidung zur Wehr zu setzen. Das Strafausmaß wurde auf vier Jahre reduziert, 1950 wurde er aus dem Gefängnis entlassen. Einsicht zeigte er auch danach keine. Er kämpfte weiterhin um die Rückgabe seines Vermögens. Die Gemälde, die inzwischen in bayerischen Staatsbesitz gelangt waren, erhielt er tatsächlich zurück. Um seine große Fotosammlung hingegen kämpfte er erfolglos. Sie war nach dem Krieg in die USA gebracht worden. Heute sind die Bilder in den National Archives in Washington zugänglich -als historische Quelle und zugleich als Mahnmal für die Folgen des nationalsozialistischen Propagandakrieges.

Der Autor ist Fotohistoriker, Publizist und Herausgeber der Zeitschrift "Fotogeschichte".

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