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Gespräch mit den Katholiken?

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An die Arbeiter kommt die FPÖ kaum heran. Zudem darf sich die FPÖ nicht allzusehr den Arbeitern anbieten, will sie sich nicht die Gunst ihres noch immer verläßlicheren Gönners, des rechten Flügels der SPÖ, verscherzen.

Also versucht man es diesmal mit den Katholiken, um so mehr, als diese nicht mehr an eine politische Partei gebunden und scheinbar zu „haben” sind.

Die Nationalen der Ersten Republik waren keineswegs ausschließlich dem Nationalsozialismus verpflichtet. Ein nicht unbeträchtlicher Teil der nationalen Intellektuellen waren gläubige Katholiken. Die Geschichte der politisch gewichtigen Gruppe der Katholisch-Nationalen (unter ihnen eine Reihe katholischer Priester!) ist eine Kette von tragischen Irrtümern, von Versuchen, Österreich einem „Reich aller Deutschen”, von dem man sich zwar keine Verstellung machte, einzugliedern, aber auch eine Kette von Hochverratsaktionen, für die’ es freilich keine in die Zeit nach 1938 übertragenen Gutschriften gab.

Die FPÖ versucht nun in einer Spätperiode ihrer Entwicklung an die Tradition der österreichischen Deutschnationalen anzuknüpfen und sich den gläubigen Katholiken als in Hinkunft wählbar anzubieten:

• Das „parteifreie Wirken der Kirche” wird offiziell begrüßt, besonders der Rückzug der Priester aus der Parteipolitik.

• Die Autonomie der Kirche „… in dem ihr zustehenden Wirkungskreis” wird anerkannt.

• Der FPÖ liegt jedenfalls an einem „Miteinanderauskommen” von Partei und Kirche.

Die rechte und die linke Hand

Es wäre unfair, das Anbot der Freiheitlichen an die Kirche, in ein „Gespräch” und in einen Gedankenaustausch einzutreten, einfach z bagatellisieren. Im Gegenteil. Wenn auch der Kirche so etwas wie fein „Außenamt” fehlt, hat sie doch informelle Kontakte mit den großen politischen Parteien. Warum sollte dergleichen nicht auch mit den Freiheitlichen versucht werden?

Bis zum Parteitag war die FPÖ neben den Kommunisten — diese noch übertreffend — die antikatholische Partei schlechtweg — wie die FDP in der deutschen Bundesrepublik. Das zeigt sich auf Bundesebene beim Schulgesetz und stets da, wo es um die Behandlung politischer Materien ging, die auch eine Stellungnahme zum Phänomen der Kirche und ihrer Positionen im gesellschaftlichen Raum herausforderten.

Vorläufig handelt es sich um ein unverbindliches, aber gewissenhaft zu prüfendes Anbot.

Bemerkenswert ist jedoch anderseits, daß ein niederösterreichischer Delegierter ohne Widerspruch auf dem Parteitag eine antikatholische Attacke auf dem Klepper der vormärzlichen Aufklärung reiten und darauf hinweisen durfte, daß er aus einer Gegend komme, die schwärzer als der Kongo sei. Seine Bitte um „Entwicklungshilfe” für seine kongolesische Provinz untermauerte der Repräsentant einer „FPÖ von 1963” mit dem Hinweis, daß er sich „zum Fortschritt von morgen” bekenne und daher „Vorbehalte” gegen „Dunkelmänner” anmelden müsse (auch Herr Rosenberg tat dergleichen), die „Gott für ihre irdischen Zwecke in Anspruch nehmen”. Damit man an seinem Mißmut über die Reverenz des Parteivorsitzenden gegenüber der Kirche keinen Zweifel habe, lehnte der Redner Subventionen für die katholischen Schulen ab.

Auch die Ausführungen des deutschen Altliberalen Dehler gegen die Kirche, sein nachdrückliches Nein zur „Vorwegnahme des Reiches Gottes” im „Gewand des Zeitlichen” seitens eines „katholischen Konservativismus”, hinter dem man unschwer die Kirche in der Welt vermuten kann, paßten nicht in das offizielle . Redekonzept. Ebępsof wenig e paßten die Kulturkampf?-marxistischer Politiker, gerade im Land Salzburg und knapp vor dem Parteitag demonstriert, zur neuen Linie, wenn man auch zugeben muß, daß eine Vermengung von religiösen Symbolen mit parteipolitischen Argumenten hart an Blasphemie grenzt und nicht der geistigen Situation des Österreich von 1964 entspricht.

Trotzdem soll die Neigung der

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Freiheitlichen, mit der Kirche ein Gespräch zu beginnen, ernst genommen werden.

… und die „praktizierenden Österreicher”

Mari will also „praktizierenden Katholiken” eine Chance bieten, die FPÖ zu wählen. Ein gleiches Anbot hat man leider den praktizierenden Österreichern nicht gemacht. Das Bekenntnis zum Vaterland ist jedoch für einen Katholiken eine moralische Verpflichtung und inj vierten. Gebot begründet, flieht das Bekenntnis zu irgendeinem Abstraktum ,,JŠatioa”,. sondem zu einem konkreten, in seinen Grenzen und menschlichen Verflechtungen überschaubaren Vaterland.

Auf dem Parteitag der FPÖ war von Österreich kaum die Rede. Kein Wunder! Wo sind denn die Freiheitlichen, die sich nach 1933 und vor allem nach 1938 für die Freiheit der Republik engagiert hatten? Man kann nicht gut das Nein zur Rückkehr Dr. Otto Habsburgs in ein Österreichbekenntnis umdeuten.

Viel war dagegen von einer deutschen Volks- und Kulturgemeinschaft die Rede. Welche der beiden Großparteien hat jemals gegen das Deutschtum an sich Stellung genommen? Wenn die FPÖ verlangt, daß man einzelne Reden ihrer Funktionäre nicht als repräsentativ ansieht, muß sie dies auch bei den anderen Parteien gelten lassen, vor allem, wenn es sich um Proklamationen aus der Zeit kurz nach 1945 handelt, in denen noch die Erregung über die Geschehnisse im Dritten Reich nachgeklungen war.

Wenn sich jemand einer deutschen Kulturgemeinschaft verschlossen hatte, dann war es der Nationalsozialismus, der in einem ungeheuerlichen Zynismus die Südtiroler an Italien verschacherte. Wann kommt endlich die vehemente Abrechnung der FPÖ mit dem Verrat des Nationalsozialismus?

Das Adjektiv „deutsch” hat außerdem diesseits und jenseits der Grenzen eine andere Bedeutung. In unserem Land ist das „Deutsche” mit den Geschehnissen von 1938 belastet. Dafür trifft die Regierungsparteien keine Schuld. In einer Situation, in der es möglich, ist, daß das deutsche Staatsoberhaupt von den Österreichern als einer Nation spricht, in der alle Politiker unseres Landes einem integrierten Europa zustimmen — auch die FPÖ,tut dies — zieht die Fixierung auf das Deutsche nicht mehr, weil es den deutsch sprechenden Österreichern ohnedies etwas Gegebenes ist.

Eine liberale Partei?

Die FPÖ will auch eine liberale Partei sein. Um dies zu dokumentieren, lud sie sich zwei prominente ausländische Liberale ein, den Altliberalen Dehler und einen Liberalen von der Hohen Behörde. Außerdem versucht sie, mit dem Schweizer Freisinn ein Gespräch anzuknüpfen.

Die FPÖ will. als liberal, gelten, sie hat, ąbęf,.nicht den .Mut, diesen deklarierten Liberalismus mit Nachdruck zu vertreten. A ch.der öft-

malige Hinweis auf eine „Freiheit”, der sich die Partei verpflichtet weiß, kann an diesem Tatbestand nichts ändern.

Wenn die Freiheitlichen nicht eindeutig jede Verbindung mit einem wahrlich nicht real freiheitlich gewesenen Nationalsozialismus abschwören, wenn sie sich mit der Scharlatanerie eines Mr. Hoggan identifizieren, dann muß man annehmen, daß das Liberale für sie nicht mehr ist als ein Alibi, ein Wort, nicht mehr, gesetzt, um eine andere Gesinnung zu verdecken, die zu äußern heute eben nicht sehr fein ist. Man kann, um mit Herrn Dr. Dehler zu sprechen, nicht nebenher ein Freiheitlicher sein, man müßte sich auch dann als freiheitlich erweisen, wenn man die gewissen 51 Prozent hat. Die Nationalsozialisten, an die Macht gekommen, waren aber kaum „freiheitlich” in Gesinnung und in Praxis. Wenn die FPÖ im Namen der Freiheit gegen die Regierungsparteien Stellung nimmt, dann muß sie im Namen eben dieser Freiheit dem- Nationalsozialismus ift aller: Form abschwö- rfeifc .

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