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Golddämmerung?

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In der Währungsgeschichte finden sich viele Beispiele dafür, daß Reformen, die aus der Notlage geboren waren, sich zu ganz anderen Instrumenten entwickelten, die das alte System grundlegend umgestalteten. So ging es mit der Scheidemünze, mit der man ursprünglich nur dem Verschwinden jeweils des einen oder anderen Metalls aus der Zirkulation einen Riegel vorschieben wollte, mit der Devisendeckung der Noten, die ursprünglich der Notenbank Zinsgewinne bringen sollte, mit der Einziehung der Goldmünzen 1914, durch die die kriegführenden Staaten die Mittel zur Bezahlung der amerikanischen Kriegslieferungen aufbrachten, mit der Einführung der Diskontpolitik, mittels der die Notenbanken ursprünglich nur den Konkurrenten das bessere Wechselmaterial abwerben wollten, usw.

Auch die jetzt in Washington beschlossene Spaltung des Goldpreises, 35 Dollar für Notenbankgold und ein schwankender Marktpreis für Industrie-, Schmuck- und Hortungsgold, ist eine Notlösung, die aber weite Perspektiven für das internationale Währungssystem eröffnet.

Schon in Bretton Woods 1944, als der Internationale Währungsfonds geschaffen wurde, hat Keynes mit allem Nachdruck die Frage aufgeworfen, ob die Einzahlung der Länderquaten zu 25 Prozent in Gold nicht nur überflüssig, sondern wegen der Goldknappheit sogar handelshemmend sei. Er argumentierte: Es wäre genauso widersinnig und überflüssig, wenn unsere Depositenbanken verlangten, daß jeder Kontoinhaber stets ein Viertel seiner Guthaben in Banknoten einzuzahlen hätte und nur den Rest durch Gutschriften auffüllen dürfte. Diese Logik scheiterte jedoch an dem amerikanischen Experten White, der von seiner ursprünglichen Forderung, 50 Prozent seien in Gold einzuzahlen, nur die Hälfte nachließ. Maßgebend für den amerikanischen Standpunkt war offenbar die Sorge, für die 24 Milliarden Dollar damaliger Goldbestände, die sich im Krieg in den USA angehäuft hatten, eine Verwendung zu sichern. Schließlich bestand ja gerade darin ein Druckmittel auf die Habenichtse, diie sich das Gold für die Einzahlung in den Währungsfonds bei den USA ausleihen mußten.

In der Nachkriegskonjunktur funktionierte das System von Bretton Woods mit Gold, Dollar und Pfund als gleichwertige Liquiditäten recht und schlecht. Die Differenzen, die früher einmal, vor 1939, durch Goldtransporte von Land zu Land abgedeckt wurden, bereinigte man nunmehr im Verrechnungswege — interessant ist, daß ein Rudiment der früheren Goldtransporte noch verblieb: Goldübertragungen innerhalb des Fonds fanden nicht nur auf den Länderkonten, also auf dem Papier, statt, sondern die Goldbarren wurden tatsächlich vom Safe des einen Landes in das daneben befindliche des anderen gelegt. Solange halten sich auch im modernen Zahlungsverkehr alte, sinnlos gewordene Bräuche!

Die jetzt beschlossene Spaltung des Goidmarktes zieht um die Währungsgoldbestände der Welt, etwa 40 Milliarden Dollar von insgesamt 70 Milliarden (ohne Oststaaten), einen eisernen Ring. Die Summe wird ab nun weder erhöht noch vermindert werden. Die Notenbanken dürfen kein Gold mehr an den Markt abgeben, die neue Goldförderung, etwa 3 Milliarden jährlich, kommt nicht mehr in die Notenbanken, sondern ist auf den privaten Markt verwiesen. Das Notenbankgold ist somit völlig isoliert, hermetisch abgeschlossen, der freie Goldpreis hat keinen Einfluß mehr auf den Preis dieses Verrechnungsgoldes, zu dem man die Notenbankbestände degradiert hat.

Dieser Maßstab des Geldwertes, in den Bankkellern sorgsam verwahrt, hat viel Ähnlichkeit mit dem Meterstab aus Platin, der in Paris verwahrt wird, um die Unabänderlichkeit des Metermaßes in aller Welt zu garantieren. Was würde geschehen, wenn dieser Platinstab eines Tages verschwände; Gar nichts würde sieh ändern, Meter würde Meter bleiben, der Stab war nur ein Fetisch, ein physikalischer Aberglaube aus einer Zeit, da man noch nicht wußte, daß man Maße auch noch anders, und viel genauer bestimmen kann.

Was würde geschehen, wenn eines Tages die aufgestapelten Goldbarren aus den Kellern des Währungsfonds und der Notenbanken verschwänden? Ebenfalls nichts. Es wäre nicht ärger, als wenn ein Spielklub, der bisher Jetons aus wertvollem Stoff ausgab, nunmehr zu Plastikjetons überginge. In einem geschlossenen Marktbereich, wie dem der Notenbanken, wo weder ein Zu- noch ein Abfluß des Metalls möglich ist, hat eine solche „Deckung“ überhaupt jeden Sinn verloren. Keynes hat richtig vorausgesehen, daß es im Währungssystem der Zukunft genügen wird, eine abstrakte Verrechnungseinheit

— Bancor — festzusetzen, der keinerlei materielles Substrat zugrunde liegen muß. Das Materialgeld der Vergangenheit entwickelt sich ja heute in allen Bereichen zum Verrechnungsgeld — werden doch schon die Löhne auf Konten überwiesen und die Einkäufe in den Groß kaufhäusern mit Kreditkarten getätigt.

Die Herrschaft des Goldes im Währungssystem ist kaum 100 Jahre alt. Es bedurfte eines starken Anstoßes von seiten der Bank von England 1890, um das Silber zu demonetisieren und das Gold zum Standard zu erheben. England hatte als damaliger Hauptproduzent des gelben Metalls kein geringes Interesse daran, wie Marshall 1888 vor der Gold Commission darlegte. Wie damals für das Silber, würde heute für das Gold diese Stunde schlagen, wenn die Notenbankleiter sich der Überflüssigkeit ihrer „Barschatzdeckung“ bewußt würden und begännen, sie auf dem Markt abzustoßen.

Eine Woge glücklicher Zufälle hat seinerzeit das Gold auf den Thron des Währungssystems gehoben. Die Goldgewinnung stieg gleichzeitig mit dem Wirtschaftswachstum der Welt, es hatte nur geringe industrielle Verwendung, während das Silber ein wichtiger Industriestoff wurde, die

Gewinnungskosten blieben konstant, da die Lohnerhöhungen durch die Rationalisierung der Goldminen aufgewogen wurden. Einige dieser Voraussetzungen sind heute nicht mehr gegeben. Die Stabilität des Goldwertes wird seit 1931 durch eine Manipulation des Goldmarktes aufrechterhalten. Auf lange Sicht kommt noch ein weiteres Argument gegen das Gold hinzu. Den bereits bestehenden Goldhaben wächst jährlich ein Ring von drei Prozent neu geförderten Goldes zu. Allein in einem Jahrzehnt wird heute so viel Gold gewonnen, wie in den vorangegangenen Jahrtausenden! Der Pool muß eines Tages überfließen.

Die Märzbeschlüsse von Washington waren von der Not des Augenblicks diktiert. Für weitschauende Lösungen hatten die Experten keine Zeit und vielleicht auch keine Vorstellungen. Allerdings wurde in der Eile aus Not ein Weg beschritten, der keineswegs in die Richtung der Erwartungen Prof. Rueffis in Paris führen wird, der seit Jahren eine Verdopplung des Goldpreises und Rückkehr zum Goldstandard wie vor 1914 verlangt, sondern in die entgegengesetzte Richtung — zu einer Demonetisierung des Goldes. Hier hat Keynes zweifellos richtiger gesehen.

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