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„Gott hat midi gestellt“

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Als Zeuge für die Wahrheit, als Märtyrer der verfolgten und bedrängten Kirche, starb am 2. Februar 1945 — kurz vor dem Ende der braunen Gewaltherrschaft — Jesuitenpater Alfred Delp als Opfer des „Volksgerichtshofes“. Mit seinem Tod legte er Zeugnis ab für den Widerstand des deutschen Katholizismus, getreu seiner Uberzeugung, daß „die Geschichte innerhalb ihrer Ordnung und ihrer Möglichkeiten auf das Zeugnis und die Entscheidung des Menschen gestellt ist“. Das Mitleid mit seinem Volk, das sich den Scharlatanen ausgeliefert hatte, ließ ihm keine andere Wahl.

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Als Zeuge für die Wahrheit, als Märtyrer der verfolgten und bedrängten Kirche, starb am 2. Februar 1945 — kurz vor dem Ende der braunen Gewaltherrschaft — Jesuitenpater Alfred Delp als Opfer des „Volksgerichtshofes“. Mit seinem Tod legte er Zeugnis ab für den Widerstand des deutschen Katholizismus, getreu seiner Uberzeugung, daß „die Geschichte innerhalb ihrer Ordnung und ihrer Möglichkeiten auf das Zeugnis und die Entscheidung des Menschen gestellt ist“. Das Mitleid mit seinem Volk, das sich den Scharlatanen ausgeliefert hatte, ließ ihm keine andere Wahl.

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Wer in jenen Jahren einer ebenso lautstarken wie verhängnisvollen Propaganda des Nationalsozialismus eine unbeeinflußte Stimme suchte, mußte bei der Lektüre der 1939 verbotenen Zeitschrift „Stimmen der Zeit“ auf die Artikel Alfred Delps stoßen. Hier meldete sich ein unbestechlicher Beobachter zu Wort, der aus christlicher Verantwortung warnte. Bereits 1935 veröffentlichte Alfred Delp ein kritisches Buch über oder genauer gegen Martin Heidegger, den Modephilosophen, in dem Delp das Tragische der deutschen Existenz in der fehlenden Mitte erkannte, im Schwanken zwischen Extremen. 1943 war es ein schmales, aber gewichtiges Buch, „Der Mensch und die Geschichte“, das damals von Hand zu Hand ging und in dem Alfred Delp warnend von Gewalttaten sprach, die das Bild der Geschichte verdunkeln. Und wer die Zeichen der Zeit zu deuten verstand, wußte, was die Schiffe mit „schwarzen Segeln“ bedeuten. Es waren

„Piratenschiffe“ und Schiffe „mit den roten Segeln“, die Schiffe der „Bluttat und des Todes“. Am deutlichsten aber war seine Studie „Der kranke Held“ über das heroische Idol des Oberst Lawrence, in dem Alfred Delp den Zeittyp des modernen Menschen erblickte, „der dem Leben von Freiheit und Verantwortlichkeit nicht mehr gewachsen ist und in die Anonymität der Masse und Maschine flieht“. Alfred Delp empfand die Gottesunfähigkeit des Menschen schmerzlich. Aber er machte sich auch keine Illusionen darüber, daß die Entwicklung mit dadurch verursacht worden war, „weil das Gute unfruchtbar ist, weil es Tradition als konservative Schläfrigkeit und Gewohnheit mißversteht, weil es die Bewährung des Lebens so oft nicht in den Raum des Lebens hineinverlegt, sondern daneben“. Entschlossen setzte Alfred Delp seine Hoffnungen auf eine neue „Urteils- und Gewissensfähigkeit in einer neuen Ordnung, einer Ordnung Gottes“. Dafür

bezahlte er mit seinem Leben. Alfred Delps Weg verlief gradlinig. Der 1907 in Mannheim Geborene trat bereits als- Gymnasiast zur katholischen Kirche über und schloß sich als Neunzehnjähriger dem Jesuitenorden an. 1942 stieß er zum „Kreisauer Kreis“, jener Verbindung aufrechter Männer beider Bekenntnisse und aller Stände, die sich um den Aufbau einer neuen Ordnung nach dem Kriege sorgten und in deren Mittelpunkt Helmuth Graf Moltke stand. Im Juli 1944 wurde Alfred Delp in seinem Pfarrhaus in München-Bogenhausen verhaftet und wegen „Hochverrats“ angeklagt. Damit begann sein Leidensweg durch die Berliner Keller und Gefängnisse der Gestapo, in denen er wie die meisten Gefangenen Gewalt erdulden mußte. Wie haltlos die gegen ihn erhobenen Anklagen in Wirklichkeit waren, zeigt sich daran, daß der Prozeß mehrfach abgesagt und verschoben werden mußte. Die Beschuldigungen fielen in der Verhandlung Punkt für Punkt zusammen. Was blieb, war die Rache für eine christliche Haltung, waren Willkür für Gespräche über die Zukunft und den Gewissenskonflikt eines Mannes, der die Unvereinbarkeit von Christentum und Gewaltherrschaft erkannte. Mit Alfred Delp stand stellvertretend der deutsche Jesuitenorden vor Gericht, das zeigte die Mißachtung aller Rechtsnormen überdeutlich.

Ein schlichter Wachtmeister wunderte sich über diese politischen

Häftlinge, die bei Luftangriffen mit gefesselten Händen in ihrer Zelle bleiben mußten: „Die halbe Nacht beten sie, am Tage studieren sie und für unsereinen haben sie immer noch ein gutes Wort.“ Im Untersuchungsgefängnis Tegel sorgten hilfsbereite Menschen dafür, daß Alfred Delp die Messe lesen und heimlich sein Gelübde ablegen konnte. So bereitete er sich für die „Nagelprobe des Glaubens“ vor. Im November 1944 erfuhr er, daß Bernhard Letterhaus und seine Mitangeklagten hingerichtet worden waren. Das Todesurteil blieb auch ihm nicht erspart. Am 23. Jänner 1945 traten Graf Moltke und seine Gefährten ihren letzten

Gang nach Plötzensee an. Am 2. Februar folgte ihnen Alfred Delp. Seine Asche wurde in alle Winde zerstreut. Heute erinnert eine Tafel in der Münchener St.-Georgs-Kirche und ein Gedenkstein auf dem Friedhof in Lampertheim an diesen Bekenner, dessen Worte sich erfüllten: „Es sollen einmal andere besser und glücklicher leben dürfen, weü wir gestorben sind.“ An Alfred Delp erinnern heißt aber auch, auf sein Vermächtnis hinzuweisen. Einem evangelischen Mithäftling schrieb er: „Sorge dafür, daß unsere Kirchen in ihrer Uneinigkeit unserem gemeinsamen Herrn keine Schande machen.“

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