Grauer Wahlkampf für Rot-weiß-Rot

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Im Vergleich zu den Inszenierungen der Nationalsozialisten war die Nationalsratswahl 1945 enttäuschend, dafür aber war sie aber demokratisch.

Die Demokratie war noch nicht ganz geboren", beschreibt Karl Pisa im Rückblick die Zeit vor der ersten Nationalratswahl der Zweiten Republik am 25. November 1945. Pisa war im Juni '45 vom Kriegsdienst nach Wien heimgekehrt, der 21-Jährige erfuhr durch Zufall von einem Journalisten-Schnellsiedekurs, ergriff mit dem Eintritt in den övp-Pressedienst die erste Chance auf Arbeit, die sich ihm bot, und konnte in dieser Funktion Wahlkampf und Wahlen 1945 aus nächster Nähe mitverfolgen.

"Grau in Grau", so wie das zerbombte Wien, beschreibt Pisa im Gespräch mit der Furche die Wahlversammlungen im Herbst 1945 - kein Vergleich zu den noch aus Wochenschau und Radio bekannten Inszenierungen der Nationalsozialisten. Auf den Nachkriegswahlversammlungen wehten keine Fahnen und es wurde nicht musiziert und hätten sich die Hauptredner, erzählt Pisa, unangekündigt in eine der letzten Zuschauerreihen gesetzt, sie wären dort nicht erkannt worden.

Einer der Hauptredner der Volkspartei war Leopold Figl: Anfang April 1945 schien er nur noch die Wahl zwischen Hinrichtung in Wien oder Ermordung in Mauthausen oder Stein gehabt zu haben - jetzt, ein halbes Jahr später, flößte Figl als ein Repräsentant des demokratischen Österreichs seinen Zuhörerinnen und Zuhörern in mitreißenden Reden neuen Lebensmut und Glauben an das "Österreich von morgen, ein neues, revolutionäres Österreich" ein.

"Vulkan Figl"

Aus Figl ist es "wie aus einem Vulkan" herausgebrochen, beschreibt Pisa die Wahlkampfreden des späteren Bundeskanzlers. Da war nichts gekünstelt, da war jedes Wort von einer starken inneren Emotion getrieben, die auch zu schiefen Bildern und Vergleichen führen konnte, sagt Pisa und kann sich heute noch über Figls Ausspruch "Das ist die Fahne des Meilensteins" amüsieren.

In seinem zum Republiksjubiläum herausgebrachten Buch "1945: Geburt der Zukunft" zitiert Pisa einen anderen weniger verhauten, dafür "bauernschlauen" Figl-Vergleich: "Am 25. November geht es um die Entscheidung in Österreich, und eine alte Bauernregel sagt von diesem Tage: Die Kathrein stellt'n Tanz ein.' Ja, am Kathrini-Tag wollen wir den Tanz einstellen." Stürmischer Beifall brandete nach dieser Ankündigung auf, erinnert sich Pisa, und das Wahlergebnis und die Zeit danach sollten Figl recht geben: Der Tanz der kpö war nach dem 25. November 1945 eingestellt und mit ihrem Ausscheiden aus der Konzentrationsregierung 1947 waren die Kommunisten ganz von der Tanzfläche verschwunden.

KPÖ maßlos überschätzt

Die Stärke der kpö wurde vor allem von den sowjetischen Besatzer im Vorfeld der Wahlen maßlos überschätzt - mit ein Grund, warum die Sowjets in der Abhaltung freier Wahlen kein allzugroßes Risiko sahen. Hinzu kam, dass antikommunistische Wahlplakate beschlagnahmt wurden. Für große Aufregung sorgte ein anonymes Plakat mit dem Text: "Wer die Rote Armee liebt, wählt kommunistisch." Zur Fehleinschätzung über das wahre Ausmaß der Unterstützung für die kpö in der Bevölkerung trug auch die von den Sowjets unterstützte Propaganda-Materialschlacht der Kommunisten bei. Hinzu kam das Sicherheitsrisiko, gibt Pisa zu bedenken, immer wieder wurden missliebige Bürger von den Sowjets verschleppt, und unter anderem auch Figl in seinem Auto sitzend von kommunistischen Randalierern "kräftig durcheinandergebeutelt".

Kein Wiedergutmach-Sieg

Am Wahlsieg der övp lässt sich nach dem 25. November aber nicht mehr rütteln: Die Volkspartei erreicht im Bund die absolute Mehrheit und 85 Mandate; die spö kommt auf 76, die kpö auf vier Mandate. Auch in sieben Bundesländern ist die Volkspartei Wahlsieger, nur Wien und Kärnten wählen mehrheitlich rot. Im Gegensatz zum sozialistischen Spitzenkandidaten und späteren Vizekanzler Adolf Schärf, der in seinen Erinnerungen schreibt, dass er 1945 nicht mit der Erlangung der Mehrheit gerechnet hat und diese ein "unerwarteter Glücksfall" gewesen wäre, wird in Historikerkreisen überwiegend die These vertreten, dass die Sozialisten mit einem Sieg bei dieser Wahl gerechnet haben. Auch Karl Pisa meint, dass sich die Sozialisten eine Art "Wiedergutmachungsgewinn" für die Zeit des Austrofaschismus erwartet haben.

Mitschuld an der spö-Niederlage wird einem sozialistischen Wahlplakat mit der Aufschrift: "Nazi nach Sibirien, Kriegsgefangene nach Haus" gegeben, das anstatt die Frauen von Kriegsgefangenen anzusprechen, vor allem die Frauen der von der Wahl ausgeschlossenen belasteten und minder belasteten ehemaligen Nationalsozialisten abgeschreckt hat.

Und entschieden wurde die erste Wahl der Zweiten Republik von den Frauen, denn von 3.449.605 Wahlberechtigten waren 2.216.259 Wählerinnen. Und die Frauen ließen sich von Figls versöhnlichen Tönen ansprechen, ist Pisa überzeugt: "Einmal sollte Schluss sein, mit dem gegenseitigen ins Gefängnis schleppen." Der 25. November 1945 war das willkommene Datum für einen solchen Neuananfang.

Buchtipp:

1945: GEBURT DER ZUKUNFT

Von Karl Pisa, Edition Steinbauer,

Wien 2005, 208 Seiten, geb., e 29,

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