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Gute Aussichten

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Oesterreich steht am Ende eines Fremdenverkehrsjahres und kann mit Befriedigung und Stolz auf die 1959 erzielten Erfolge zurückblicken. Es war ein neues Rekordjahr, das mit fast 40 Millionen Nächtigungen, davon 60 Prozent Ausländernächtigungen, abschloß. Damit steht Oesterreich unbestritten an dritter Stelle im europäischen Fremdenverkehr, nur noch übertroffen von Italien und Frankreich.

Die Einnahmen aus diesem Fremdenverkehr betrugen mehr als 5,2 Milliarden Schilling, nach internationalem Maßstab gemessen, 200 Millionen Dollar. Diesen Ziffern liegen die Ausweise der Oesterreichischen Nationalbank zugrunde, das heißt es sind reine Fremdwährungen, die im Zuge des Reiseverkehrs nach Oesterreich hier in Schillingbeträge umgewechselt wurden; nicht erfaßt in dieser Summe sind die Schillingbeträge, die von ausländischen Besuchern aus dem Ausland nach Oesterreich mitgebracht wurden und die den Ertrag des Fremdenverkehrs, wenn man sie erfassen könnte, in einem noch günstigeren Verhältnis darstellen würden.

Der Reiseverkehr nach Oesterreich, gemessen an der als genauester Maßstab geltenden Ziffer der Ausländernächtigungen, hat im abgelaufenen Fremdenverkehrsjahr um 12,5 Prozent zugenommen, die daraus resultierenden Deviseneinnahmen sind um 21 Prozent gestiegen. Es ist nur gerecht und verständlich, daß auch der Ausreiseverkehr der österreichischen Staatsbürger in das Ausland sich erhöht hat. Die Beanspruchung unserer Nationalbank durch Reisedevisen ist um 23 Prozent auf mehr als 1 Milliarde Schilling angestiegen, so daß aus dem Fremdenverkehr, diesem „Geschäft organisierter Gastfreundschaft“, ein Devisennettobetrag von 4,158 Milliarden Schilling verbleibt.

In der gleichen Zeitspanne betrug das Defizit unserer Handelsbilanz, also der Mehrbetrag der Einfuhr über die Warenausfuhr, 4,137 Milliarden Schilling, so daß der Fremdenverkehr nicht nur dieses Passivum abdeckte, sondern noch ein Devisenplus von 21 Millionen Schilling aufzuweisen hat.

Es gibt Meinungen, die in den Auslandreisen der österreichischen Staatsangehörigen etwas unsere Wirtschaft Schädigendes sehen .und die für Auslandreisen aufgewendete Milliarde lebhaft bedauern. Solche Ansichten sind falsch, denn der Fremdenverkehr kann nur in der Form von Wechselbeziehungen und in einer Atmosphäre absoluter Freizügigkeit existieren. Es können Zeiten Maßnahmen erfordern, die einer solchen Freizügigkeit entgegengesetzt sind, aber dann gehen nationalökonomische Ganzheitsprobleme den Bedürfnissen und Gesetzmäßigkeiten einzelner Wirtschaftssektoren voran.

Wir betonen also die Gegenseitigkeit und Bindungslosigkeit des internationalen Fremdenverkehrs. Trotzdem dürfen wir uns nicht verhehlen, daß wir einer stets stärker und härter werdenden Wettbewerbssituation gerade im Fremdenverkehr entgegengehen. Neue Wirtschaftsräume suchen im Aufbau ihrer Existenz ebenso wie einst die europäischen Staaten nach Zerstörung der europäischen Wirtschaftsstruktur eine wesentliche Hilfe in der Entwicklung des Fremdenverkehrs. Viele solcher neuer Wirtschaftsräume sind im Laufe der letzten Jahre entstanden und noch im Entstehen. Sie glauben, im Fremdenverkehr eine leichte Möglichkeit zur Beschaffung von Devisen zu haben, die Erfahrungen der europäischen Länder bestätigen diese Ansichten, und so treten sie nunmehr der touristischen Nachfrage als neues Angebot gegenüber. Die Nachfrage ist jedoch über die Erdoberfläche bedeutend weniger gestreut als das Angebot. So bieten sich vor allem der europäische und der nordamerikanische Raum als Zentren der Nachfrage, und an sie wendet sich vor allem das neue Angebot. Die Technik in ihrer Entwicklung auf dem Transportsektor kommt diesen neuen touristischen Möglichkeiten entgegen,

und selbst der Umstand, daß in vielen Fällen Beherbergungs- und Betreuungseinrichtungen den Bedürfnissen der Reisenden nicht entsprechen, ist mitunter Anlaß, an den abenteuerlichen Nuancen derartiger Reisen Gefallen zu finden.

Die alten europäischen Fremdenverkehrsländer müssen daher in ihren touristischen Angeboten werbemäßig mit den Bemühungen nau auftretender Länder Schritt halten und in den Fällen, in denen ihr Werbebudget schwach ist, eine Werbestrategie entwickeln, die in ihren Auswirkungen den budgetmäßig viel kräftigeren Ländern standhalten kann. Dies gilt im besonderen für Oesterreich, das von Nachbarn tungeben ist, denen jeweils ein Vielfaches seines Fremdenverkehrswerbebudgets zur Verfügung steht.

Dazu kommt, daß innerhalb des zentraleuropäischen Raumes durch die Schaffung neuer transkontinentaler Verkehrswege auch von diesem Umstand bedingte Veränderungen der Fremdenverkehrsströme zu erwarten sind, denen nur mit raschester Fertigstellung ähnlicher Projekte und Arbeiten innerhalb Oesterreichs begegnet 'werden kann.

Ein weiteres Moment fremdenverkehrspolitischer Ueberlegungen bilden die Konstruktionen von Wirtschaftsräumen und Wirtschaftsgemeinschaften wie die EFTA und die EWG. Mehr als so Prozent des Ausländerfremdenverkehrs nach Oesterreich kommt aus den Ländern der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, und die Tatsache, daß innerhalb dieses wirtschaftlichen Großraumes alle europäischen touristischen Möglichkeiten enthalten sind — ist es doch ein touristischer Raum, der von der Nordsee bis nach Sizilien und von den Pyrenäen bis nach Oberbayern reicht —, stimmt nachdenklich. Dies um so mehr, als in den organisatorischen Planungen der EWG-Staaten Einrichtungen vorgesehen sind, die für die Zwecke einer Fremdenverkehrsplanung und -förderung durchaus geeignet scheinen, wie gemeinsamer Arbeitsmarkt, Währungsvereinfachungen, gemeinsame Investitionsinstitution, freies Recht der Niederlassung, Reisen ohne alle Formalitäten u. a. m.

Die organisatorischen Pläne der Länder der Europäischen Freihandelszone reichen nicht so weit; sie sind auch kaum für fremdenverkehrspolitische Maßnahmen geeignet. Ganz abgesehen davon ist unter den Partnern der EFTA ein Land, um dessen Angehörige als Fremdenverkehrsteilnehmer sich alle anderen bemühen, nämlich Großbritannien. Pessimisten blicken da her sorgenvoll in die touristische Zukunft d"r Staaten, die nicht Mitglieder der EWG sind. Ich halte einen solchen düsteren Ausblick für völlig ungerechtfertigt. Es gibt im Bereich des Erleb- niswunsches bei jedem Menschen die seelischemotionelle Bereitschaft. Sie ist ansprechbar, werblich erreichbar. Darüber hinaus sind wirt- schaftspolitische Konstruktionen noch nie bestimmend für Ferienziele gewesen, so daß man, die bestehende Freizügigkeit vorausgesetzt, überzeugt sein kann, daß auch in nächster und weiterer Zukunft die individuelle Entscheidung für den Fremdenverkehr richtung- und intensitätbestimmend sein wird. Selbstverständlich ist eine sinnvolle, wirksame Werbung eine unerläßliche Voraussetzung für die Sicherung eines entsprechenden Marktanteils.

Die Fremdenverkehrswerbung wendet sich im allgemeinen an eine anonyme Nachfrage. Die unabänderliche Folge davon ist, daß ein nicht unbeträchtlicher Teil der Werbeanstrengungen erfolglos bleibt. Die Oesterreichische Fremdenverkehrswerbung hat deshalb versucht, neue Wege der Werbung einzuschlagen, die bereits ausgezeichnete Erfolge zeitigen. Welcher Art diese neue Werbung ist, kann aus begreiflichen Gründen nicht öffentlich dargelegt werden. Immerhin kann so viel gesagt sein, daß sie sich auf genaue Beobachtung der sich stets wandelbaren Tendenzen im Fremdenverkehr stützt. Ein Beweis dafür: Das von Oesterreich geprägte Wort von den „Oasen der Stille' hat einen solchen Erfolg gehabt, weil die Tendenz zur Stille vorhanden ist. Heute ist dieses von uns geschaffene Wort zum Werbeslogan fast aller Länder geworden. Wir beobachten aber auch die Fremdenverkehrsströme in ihren Richtungsänderungen, die Ferienbedürfnisse, wie Aufenthalte oder Rundreisen, Standortwünsche, soziologische Schichtung u. v. a. m. Wir versuchen in unseren Werbemaßnahmen darauf einzugehen und können feststellen, daß wir Erfolg haben.

Trotzdem bleibt ein weites Feld für spezielle Aufgaben der Werbung unbeackert, weil die entsprechenden finanziellen Mittel nicht zur Verfügung stehen. Das Budget der Oesterreichischen Fremdenverkehrswerbung ist, nach internationalen Maßstäben sowie am Leistungserfolg gemessen, ein Minimalbudget. Seit fünf Jahren stehen der Fremdenverkehrswerbung unverändert 19,2 Millionen Schilling zur Verfügung, mit denen nicht nur der ganze Apparat mit 16 haupt- amtlichen Zweigstellen im Ausland erhalten werden muß, sondern auch die gesamte Werbung für Oesterreich durchgeführt wird. Es ist eine bekannte Tatsache, daß in den letzten fünf Jahren in allen Ländern der Welt Kaufkraftveränderungen der Währungen eingetreten sind, die sich in graduellen Steigerungen der Preise für Produkte und Leistungen auswirkten. Im Ausmaße dieser Kaufkraftminderungen sinkt auch der Wert der finanziellen Mittel, die der Oesterreichischen Fremdenverkehrswerbung zur Verfügung stehen. Es wäre daher im abgelaufenen Jahr die Durchführung der notwendigen Werbemaßnahmen unmöglich gewesen, wenn nicht eine Budgetüberschreitung vorgenommen worden wäre. Für das Jahr 1960 ist mit Hilfe des Bundesministeriums für Handel und Wiederaufbau ein Gesamtwerbeplan ausgearbeitet und seine Durchführung sichergestellt worden.

Die Werbung trachtet, alle Kreise zu erreichen, die als Oesterreichbesucher gerne gesehen werden, den wohlhabenden individuellen Gast, den Pauschalreisenden ebenso wie den Gruppenreisenden und den Teilnehmer am Volkstourismus gleich wie den am Sozialtourismus. Der moderne Fremdenverkehr ist kein Vorrecht mehr, er ist ein alle Schichten umfassendes Bedürfnis, dessen Befriedigung nicht allein eine persönliche Angelegenheit ist, sondern auch im Interesse der Volksgesundheit gefördert werden soll. Aus dieser Erkenntnis heraus entstand der ..Sozialtourismus“. Es ist heute üblich, vom Sozialtourismus zu reden, ohne daß die Begriffsbestimmung auch allgemein klargestellt ist. So manches Reisebüro nennt sich selbst einen Förderer des Sozialtourismus, wenn es billige Quartiere ausfindig macht und durch Zusammenstellung von Gruppenreisen unter Benützung der tariflich vorgesehenen Fahrbegünstigungen, Ferienpauschalaufenthalte zu niedrigen Preisen ausschreibt. Das ist kein Sozialtourismus, das wollen wir als „Volkstourismus“ gelten lassen, falls dieses Wort überhaupt nötig ist.

„Sozialtourismus ist die Teilnahme kaufkraft- schwacher Bevölkerungsschichten am Fremdenverkehr mit Hilfe einer Unterstützung von dritter Seite.“

Wesentlich am Sozialtourismus ist also, daß er kein Bestandteil des freien touristischen Marktes ist, sondern daß eine soziale Maßnahme ihn überhaupt erst ermöglicht. Er wird sich mit dem Volkstourismus darin treffen, daß meist die billigen Urlaubsmöglichkeiten für beide

Kreise vorgesehen sind, denn als Volkstourismus bezeichnet man auch „die Teilnahme wirtschaftlich schwacher Bevölkerung9schichten am Fremdenverkehr, soferne diese Teilnahme ausschließlich aus deren Einkommen bestritten wird".

Volks- und Sozialtourismus bilden heute einen zahlenmäßig beachtlichen Faktor des Fremdenverkehrs und wirken in der Verbreiterung des Reisebedürfnisses durch die ihnen gebotenen Möglichkeiten der Erfüllung. Auch sie sind, werblich gesehen, bedeutsam, weil sie die Nachfrage für einen ebenso beachtlichen Teil des touristischen Angebotes sind.

Die Einführung der 45-Stunden-Woche im österreichischen Gastgewerbe hat die Frage aufgeworfen, ob damit nicht eine Minderung der Leistungsbereitschaft und der Leistungskraft der Fremdenverkehrsbetriebe eintreten wird. Die Auswirkungen einer solchen Maßnahme lassen sich begreiflicherweise nicht nach kurzer Einführungszeit eindeutig feststellen. Zweifellos bestehen in allen Dienstleistungsbetrieben gewisse Organisationsreserven, mit deren Auflösung graduelle Ausgleiche geschaffen werden können. Inwieweit diese Ausgleiche möglich sind, müssen genaue Untersuchungen feststellen. Die anfänglich alarmierenden Auslandsmeldungen, daß der fremde Gast in Oesterreich die üblichen und gewohnten Dienste und Leistungen nicht mehr erhalten wird, sind inzwischen widerlegt. Wir gehen daher mit den gleichen Erwartungen und der gleichen Zuversicht in das neue Fremden- verkeiirsjahr. Dies um so mehr, als nach dem Urteil von 273 Wirtschaftlern aus den Kreisen der Unternehmer, der Universitäten, Institute und Behörden das Jahr 1960 als günstig anzusehen ist. Fast auf allen Gebieten der Produktion und des Handels werden, weltweit gesehen, Zunahmen erwartet, wenngleich nicht mehr in den bisherigen Ausmaßen. Besorgnisse wurden nur ausgedrückt hinsichtlich einer gewissen Uebermäßigkeit der Geldausgaben und damit einer Fortsetzung der inflationären Bewegung, wobei auch der Fremdenverkehr eine Rolle zugewiesen erhielt, indem man ihn als Faktor der „importierten Inflation“ bezeichnet.

Vom Standpunkt des Fremdenverkehrs lassen sich diese Prognosen als gute Aussichten für 1960 zusammenfassen. Eine erhöhte Ausgabenfreudigkeit bewirkt verstärktes Reisen und dieser vermehrten Nachfrage wird Oesterreich unter allen Umständen sein Angebot durch eine ausreichende und wirksame Fremdenverkehrswerbung entgegenhalten.

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