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Gute Preise fiir gute Produkte

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Die meisten Lander der Dritten Welt sind hoffnungslos ver-schuldet. Kritik dazu kommt von der erst 1990 gegriindeten Europaischen Fair Trade Association (EFTA), die den Industrielandern vorwirft, die Entwicklungslander lie-ber mit Krediten abzuspeisen, als sich mit Schliisselfragen wie Rohstoff-preisen und Marktbffnung auseinan-derzusetzen.

Rohstoffe in den Norden und In-dustrieprodukte in den Siiden - nach diesem traditionellen Muster funk-tioniert der internationale Handel auch heute noch: 80 der 147 Entwicklungslander exportieren vorwie-gend Rohstoffe. Und wahrend einige Lander, etwa Malaysia, immerhin iiber eine ganze Reihe von Rohstoffen verfiigen, sind andere, vor allem die Lander siidlich der Sahara, iiberwie-gend von einem einzigen Rohstoff ab-hangig, dessen Preis noch dazu stan-dig sinkt. Hand in Hand mit den fal-lenden Rohstoffpreisen steigt die Schuldenlast.

Nach dem Weltentwicklungsbe-richt 1995 der Weltbank, betrug 1980 die Auslandsverschuldung der 45 armsten Lander 108 Milliarden Dollar oder rund 1.100 Milliarden Schilling. Im Jahr 1993 war sie bereits viermal so hoch. Eine Steigerung, die sich vorwiegend aus der Ansamm-lung der iiberfalligen Zins- und Zin-seszinszahlungen ergibt. Um ihren Verpflichtungen nur annahernd nachkommen zu konnen, steigern die verschuldeten Lander ihre Exporte. Der Teufelskreis schlieBt sich, wenn auf die Produktionssteigerungen in den Entwicklungslandern die sinken-de Nachfrage nach Rohstoffen in den Industrielandern trifft. Dort bestim-men heute rohstoffsparende Techno-logien die Erzeugung - wenn nicht die Rohstoffe iiberhaupt ganz ersetzt werden, wie zum Beispiel Kupfer durch optische Glasfasern oder Zucker durch kiinstliche SiiBstoffe.

Als Exportschranke erweisen sich aber auch die ganz gewbhnlichen Zbl-le. Sie steigen stufenweise je nach Verarbeitungsgrad eines Produkts. So wird von der EU fiir ungerbsteten Kaffee kein Zoll eingehoben, fiir gerbsteten und lbslichen Kaffee jedoch sind 11,5 Prozent zu bezahlen. Im Rahmen des jiingsten Welthan-delsabkommen soil dieser bis zum Jahr 2000 auf 7,5 Prozent gesenkt werden. Das starkste Handelshemm-nis fiir Importe aus dem Siiden wiir-den jedoch die hohen EU-Normen und EU-Qualitatsanforderungen dar-stellen. Ihre negativen Auswirkungen kbnnten jene der hohen Zblle und quantitativen Importbeschrankun-gen, wie etwa Quoten, noch iibertref-fen, befiirchten Vertreter der EFTA.

All diesen Schwierigkeiten wollen die elf in der EFTA zusammenge-schlossenen fairen Handelsorganisa-tionen aus neun europaischen Landern mit Direktimporten entgegen-treten. Gekauft wird dabei vor allem von Produzentenorganisationen in den Entwicklungslandern, die fiir ihre Produkte einen „gerechten" Preis erhalten sollen, eben gute Preise fiir gute Produkte.

Der Ruf nach „Fairem Handel statt Almosen" wurde das erste Mai 1964 auf der Konferenz der United Nations Conference on Trade and Development (UNCTAD) laut - jedoch ohne

groBes Echo bei den Industrielandern hervorzurufen.

Auf der zweiten UNCTAD-Konfe-renz 1968 in Neu Delhi forderten die Entwicklungslander erneut gerechte-re Rohstoffpreise und den Abbau von Handelsschranken. Doch wieder ver-hallten die Forderungen im Nichts. Das Interesse fiir die Anliegen der Dritten Welt war gering.

Unter den wenigen Gruppen, die sich engagierten, entstand daher die Idee, „UNCTAD-Laden" einzurich-ten. Das Ziel dieser Laden wiirde sein, jene Produkte aus der Dritten Welt anzubieten, denen der Zugang zum europaischen Markt durch Importzbl-le verwehrt war. Der Verkauf sollte als Protest gegen die internationale Handels- und Machtordnung dienen.

Im April 1969 bffnete der erste „ Weltladen" im niederlandischen Ort Breukelen. Zwei Jahre spater gab es in den Niederlanden bereits 120 Laden. Bald gab es Weltladen auch in Deutschland, der Schweiz, Osterreich, Frankreich, Schweden, Grofibritan-nien und Belgien.

Zu dieser Zeit war eine Organisation mit dem Namen S.O.S. Wereld-handel, mit Sitz im Siiden der Nie-derlande, bereits seit einigen Jahren aktiv im Import von Produkten aus

Entwicklungslandern tatig. Sie war im Jahr 1959 von jungen Katholiken als Entwicklungshilfeorganisation gegriindet worden.

Fairer Handel in Europa

Im Jahr 1967 fiihrte S.O.S. Wereld-handel zum ersten Mai Handwerks-produkte von Produzentengruppen aus verschiedenen Landern der Dritten Welt ein. Die Produkte, die iiber Postversand verkauft wurden, ent-wickelten sich bald zu einem ausge-zeichneten Geschaft. Tochtergesell-schaften in Deutschland, Osterreich, der Schweiz und Belgien wurden gegriindet, die sich im Lauf der Zeit zu eigenstandigen nationalen Organisa-tionen entwickelten.

Im Herbst 1973 kam der erste fair gehandelte Kaffee auf den Markt, der „Indio Solidaritats Kaffee". Der von

Kooperativen in Guatemala impor-tierte Kaffee wurde zu einem Ver-kaufsschlager und die Umsatze iiber-stiegen bald jene der Handwerks-produkte.

In den achtziger Jahren begannen die Fair Trade Organisationen, neben dem Verkauf, mit BewuBtseinsbil-dung und Aktionen. Die Produktqua-litat verbesserte sich wesentlich und Produktentwicklung wurde zu einem wichtigen Aspekt der Zusammenar-beit mit den Partnern in der Dritten Welt. Die Produktpalette erweiterte sich stetig und umfaBte bald eine Vielzahl von Kaffeesorten, verschie-dene Arten von Tee, Honig, Zucker, Kakao, Niissen und vieles mehr. Um fiir das Produkt die Aufmerksamkeit der Kunden zu gewinnen, setzte man nun auch kommerzielle Methoden ein.

Heute sind Fair Trade Organisationen in fast alien europaischen Lan-

dem etabliert, wie auch in Kanada, den USA und Japan. Fair gehandelte Produkte werden iiber ein Netzwerk von 3.000 Weltladen, Postversand, Vertreter und Aktionsgruppen an die Konsumenten weitergegeben. In Deutschland, den Niederlanden und Osterreich spielen auch die Kirchen im Verkauf dieser Produkte eine wichtige Rolle. Ein wachsender Sek-tor innerhalb des fairen Handels ist der GroGverkauf an Firmen, Organi-sationen und Regierungsinstitutio-nen. Dariiber hinaus wurden bereits erste Schritte unternommen, um Fair Trade-Produkte auch iiber den kom-merziellen Handel abzusetzen. Mit Erfolg. Kaffee mit dem Fair Trade Giitesiegel findet man mittlerweile auch bei uns in jedem groGeren Su-permarkt. Zugegeben, ein biGchen teurer, aber von ausgezeichneter Qua-litat.

Das erste Fair Trade Giitesiegel entstand fiir Kaffee 1988 in den Niederlanden unter dem Namen Max Havelaar. Inzwischen gibt es Fair Trade Giitesiegel in etwa zehn eu-ropaischen Landern und auch auGer-halb Europas. Und nicht nur fiir Kaffee, sondern auch fiir eine wachsende Anzahl anderer Produkte.

Heute spricht vieles spricht dafiir, daG Fair Trade Giitesiegel zu einem ausgezeichneten Marketinginsturm-ent des kommerziellen Handels werden, denn immer mehr Menschen sind bereit, fiir „ehrliche" Produkte auch mehr zu bezahlen. Das ergab eine europaweiten Umfrage. So sind 17 bis 26 Prozent der Osterreicher bereit, fiir „faire" Produkte tiefer in die Tasche zu greifen. In den Niederlanden ist geschatzten 80 Prozent der Be-volkerung die Bezeichnung „Weltla-den" ein Begriff, 70 Prozent kennen das Max Havelaar Siegel fiir fairen Handel und 14 Prozent - vor allem Frauen zwischen 21 und 45 Jahren -sind bereit, fair gehandelte Produkte zu kaufen.

In GroGbritannien wiirden es 85 Prozent der Befragten begriiGen, fair gehandelte Produkte auch im Super -markt zu fmden, und 40 Prozent wis-sen, wo fair gehandelte Produkte er-haltlich sind.

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