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Härte im Palais

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Die bürgerliche „Presse“ nannte es einen Sieg über sich selbst, den die alleinregierende ÖVP mit der Rekordeinigung über das Budget erzielt habe; der „Kurier“ schob das Verdienst nicht nur den Regierungsmitgliedern, sondern auch den Steuerzahlern zu, und die „Arbeiterzeitung“ nannte es einen „neuen Aderlaß“. Ungerührt davon hamsterte das Viereck Klaus-Withalm- Koren und Pisa jedoch zustimmende Sympathie. Die Regierung schien gelernt zu haben, was man unter regieren versteht.

Klarheit und Zügigkeit bei Entscheidungen hatten bei der Regierungsumbildung im Jänner 1968 begonnen. Hatte Klaus allein sich gegen die Interessenverbände nie richtig durchsetzen können und hatten sich diese anläßlich der letztjährigen Budgetenstellung in aller Öffentlichkeit befehdet, so kassierte die ÖVP daraufhin dramatische Niederlagen in Salzburg, Klagenfurt und Oberösterreich. Seit aber Withalm als Vizekanzler, Koren als neuer

Finanzminister und Pisa als Öffentlichkeitsstaatssekretär fungieren, staunen selbst alte Kiebitze innerhalb der Partei über den neuen, schnellen Kurs.

Der Bundesparteirat der ÖVP beschloß im Februar 1968 harte und einschneidende Maßnahmen im Zuge der Verwirklichung des Koren-Plans und limitierte das noch tragbare Defizit des kommenden Budgets. Im März offenbarte schlagartig Koren den Intereseenverbänden, daß ohne Steuererhöhung keine Budgetsanierung möglich sei — und erreichte binnen 24 Stunden einen Beschluß der Partei. Und noch vor dem Sommer verordnete Pisa — ungerührt über die journalistische Kritik — einen „Maulkorberlaß“, der das öffentliche Balgen um Budgetrndlliar- den seiner Regierungskollegen und der Bünde unmöglich machte.

Withalm seinerseits hatte weder Ohr noch Zeit für das Damento seiner hündischen Parteifreunde; vielmehr „garantierte“ er durch sein Wort, daß die prälimiierten Einsparungen in der Höhe von 3,2 Milliarden auch tatsächlich erbracht werden, was ganz allgemein bezweifelt wurde.

Und schließlich setzte die Bundesparteileitung noch eine Herbstaktion 1968 fest, in deren Rahmen alle Politiker schlagartig als ÖVP-Werber eingesetzt werden sollen, um die energische Imageverbesserung der Volkspartei einzuleiten. Diese Herbstaktion aber beginnt mit dem 1. Oktober — und lieferte der Par- teispitze das Argument, daß das

Budget somit schon vorher unter Dach und Fach zu bringen sei.

Fettig und ölig

Sieben Tage vor diesem Stichtag versammelte Klaus die Minister im Palais Dietrichstein. Dort praktizierte unter Barocklustem das „Viereck“ gekonnt eine verständnisvolle, aber harte Abwehrschlacht.

Die Landwirtschaft war schon einige Tage vorher in einer Sitzung von ÖVP-Klub und Bundesparteileitung mit ihrer Forderung herausgerückt, eine Besteuerung der Margarine zu erreichen, um die heimische Butter konkurrenzfähiger zu machen. Und obwohl die Funktionäre zu diesem Zeitpunkt weder

Zeitpunkt noch Ort der bevorstehenden Ministerklausur kannten, wurde den Forderungen der Bauern auch von anderen Bünden Verständnis enitgegengebracht. Der Salzburger Landesparteiobmann und prominente ÖAABler Glaser gab den Ausschlag, daß die „Fettsteuer“ so gut wie beschlossen schien.

Und auch die Forderung des Bau- tenminiisters, die Dieselölsteuer zu erhöhen, um Mittel für den Straßenbau zu erhalten, hatte allgemeines Verständnis gefunden — ruinieren doch vor allem die Diesellastwagen die immer teurer werdenden Bundesstraßen und Autobahnen, obwohl gerade gute Straßen dem Lastverkehr Vorteile bringen.

Die Optik freilich

Doch im Palais Dietrichstein lief die Regie ganz anders. Das eiserne Viereck, insbesondere aber Withalm, betonte, daß die Optik von Erhöhungen einfach für die ÖVP nicht mehr zu verkraften sei, wenn man nicht völlig chancenlos in den Wahlkampf 1970 gehen wolle. Die Landwirtschaft verließ zwar für eine Weile aus Protest gegen diese Haltung den Sitzungssaal, fügte sich aber schließlich in ihr Schicksal, das die Fettsteuer auf lange Zeit hinausschob. Kotzina seinerseits konnte angesichts des Nachgebens der Landwirt-

Schaft, deren Existenz im fortschreitenden Industriestaat nicht ungefährdet ist, gleichfalls nicht den Unnachgiebigen spielen.

Und während sich die Spitze noch erschöpft über die Abwehrgefechte zurücklehnte, trug der Verkehrsmini- ster in gewohnt ruhigen, ja emotionslosen Worten eine geplante ÖBB-Tairifregulierung vor, die keine wesentlichen Belastungen erkennen ließ.

Hatte man allerdings gemeint, daß die ansonsten so arbeitnehmerfreundlichen ÖAAB-Regierungismit-

glieder einschließlich ihres Bundesobmannes gegen die Erhöhung der Arbeiter- und Schülerkarten vehement protestieren würden, war kein Wort der Verdammung dieser arbeitnehmerfeindlichen Maßnahme zu hören.

So war es nur noch ein Gesetz der Demokratie, daß die Zeitungen am nächsten Tag nicht die gelungene Budgetgeburt an die Spitze stellten, sondern auch die neue Belastung in Form der erhöhten Bahntarife —- die, wie man in der Zwischenzeit weiß, nur kleine Gruppen, und die nicht allzu hart, treffen.

Die Optik freilich ist dahin — ganz gleich, wie sehr innerparteilich auch der Triumph der Schnelligkeit und Konsequenz gelobt wird. Diese Lehfe, so hört man von der Spitze, wird man in Hinkunft verwerten — um die Fähigkeit des Regierens auch optisch und damit propagandistisch besser umzusetzen.

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