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Handel kennt keine Einbahn

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Die Kündigung der Konvention von Stockholm und der Austritt aus der EFTA, den sich verschiedene Experten gleichfalls als eine Operation in Etappen vorstellen, hätte natürlich zur Folge, daß die Exporte nach den anderen Staaten der EFTA sämtliche Zollermäßigungen verlieren, die sie seit sechs Jahren genießen, und die im kommenden Jänner in einer allgemeinen Zollfreiheit der Industriewaren münden sollen. Man beobachtet schon jetzt manche psychologischen Reflexe; denn weit und breit ist kein Notstand sichtbar, der diesen Schritt überzeugend be gründen könnte. Abgetan Ist auch das alte Schlagwort vom „Hungertod in der Neutralität“.

Die meisten Einwände, die kritische Beobachter einer Assoziierung mit der EWG ins Treffen führen, gelten jedoch gar nicht der Exportseite, sondern den Importen. Mit dem Abbau der österreichischen Zölle gegenüber Italien, Frankreich, den Beneluxstaaiten und der Deutschen Bundesrepublik würde, so lauten die Argumente, unweigerlich eine Importschwemme beginnen, da die meisten EWG-Staaten in Wien und den Alpenländern ein besseres und dichteres Netz von Agenten und Handelsvertretungen besitzen als Österreich in der Wirtschaftsgemeinschaft. Die Konkurrenz im Inland dürfte eine ungewöhnliche Schärfe gewinnen, in erster Linie für die Schuh-, Textil-, Metall- und Elektroindustrie, ganz zu schweigen von der Konfektion. Außerdem würde Westdeutschland kraft der günstigen geographischen Lage seine EWG- Partner Schritt für Schritt von den österreichischen Märkten abdrängen, ein Phänomen, das mit einer empfindlichen Erhöhung des Importüberschusses enden dürfte, denn das Passivum der Handelsbilanz 1965 in Höhe von 13 Milliarden Schilling stammte zu 99 Prozent aus dem Warenverkehr mit der EWG, zu 84 Prozent aus dem Handel mit Westdeutschland.

Ernster gestalten sich die Konsequenzen im Sektor der Preise. Der Grundsatz des Bundeskanzlers Doktor Josef Klaus, daß die Stabilität der Preise und damit die Kaufkraft des Schilling so lange als möglich erhalten und verteddiigt werden müsse, ist allgemein anerkannt, obwohl sich die internationale Entwicklung infolge der notorischen Speseninflation und einer künstlich aufgepeitschten Nachfrage noch immer in der Richtung einer Verteuerung der Waren bewegt. Allerdings scheint sich in den meisten Staaten eine Umkehr oder zumindest eine Gegenbewegung anzubahnen, erzwungen durch Budgetdeflzite, die plötzlich überall aufgetaucht sind. Natürlich beginnt jede Assoziierung mit der EGW zunächst mit einem Preissturz bei Kleidung, Schuhwaren und Textilien, während bei vielen anderen Waren bald Preiserhöhungen eintreten müßten. Die Teuerung hat ihren Hauptsitz in den EWG-Staaten, während Österreich auch heute noch zu den Ländern mit billigen Lebensmitteln gehört, ein Vorzug, den es im Palle einer allgemeinen Preisangleichung rasch verlieren dürfte. Jede Teuerung der Lebensmittel führt aber zu einer Erhöhung der Löhne der Arbeiter sowie der Gehälter der Beamten und Angestellten, so daß die Spirale zuletzt abermals beim Fiskus endet. Es ist nun einmal nicht zu leugnen, daß die EWG-Politik, wie sie bisher von der souveränen Hallstein-Kommission in Brüssel betrieben wurde, zwar zu einer erstaunlichen Zunahme des Warenverkehrs, aber auch zu einer allgemeinen Teuerung geführt hat.

Schlußfolgerungen Trotzdem sollte es gelingen, den Austritt aus der EFTA zu vermeiden und ein Arrangement mit der EWG zu finden, aber nicht auf der Basis einer Kapitulation. Mit Hinweisen auf partielle Exportchancen in der EWG kann niemand das Wirtschaftsleben von der Notwendigkeit überzeugen, plötzlich einen Handelskrieg gegen Großbritannien, Skandinavien und die Schweiz zu eröffnen. Außerdem ist das Prestige der EFTA im Steigen begriffen, deutlich erkenn-

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