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Harte Worte gegen das Regime

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Bereits Weihnachten 1947 richtet er an die — noch nicht völlig kommunistisch gleichgeschaltete — Staatsführung im Namen der tschechoslowakischen Bischöfe eine ungewöhnlich scharfe Warnung: „Himmelschreiende Sünden werden unter dem Deckmantel des Rechts am Vermögen und am Personenriecht begangen. Auch der Name der nationalen Säuberung wird mißbraucht und entwertet zur Realisierung extremer Ungerechtigkeiten. Ist es nicht traurig, daß Unaufrichtigkeilt, Unehrlichkeit und lügenhafte Tatsachenverdrehung auch jene Schichten ergreift, die auf kulturellem Gebiet tonangebend sind?“ Zur kommunistischen Machtergreifung im Februar 1948 erklärt der Erzbischof: „Hat es gegenwärtig überhaupt einen Wert, zu sprechen? Wohl kann man eine Lawine nicht aufhalten, aber die Lawine ist ein materielles Geschehen

während eine weltanschauliche Begegnung von denen abhängig ist, die denken und überlegen.“ 1948 wurden die ersten Beschlagnahmen kirchlichen Vermögens durchgeführt. Dazu Beran: „Das Volk will nicht, daß an die Stelle des göttlichen Segens der Fluch unser Vaterland und unsere Nation trifft.“ Vor dem neugewählten kommunistischen Staatspräsidenten Gottwald sagt der Primas: „Wir sind uns bewußt, daß wir nach Christi Worten gewichtige Verpflichtungen gegenüber dem Staat haben, zu dessen Präsidenten Sie gewählt worden sind. Wir versichern Ihnen, daß wir diese Verpflichtung in Treue erfüllen werden, wie der Glaube und das Gewissen sie uns auferlegen. Wir vergessen aber gleichzeitig nicht, daß der Ausspruch Christi einen zweiten Teil hat: „Gebt Gott, was Gottes ist!“ Und auch dieses Gebot legt uns Verpflichtungen auf, die wir unabdingbar erfüllen müssen.“ Als sein für Gottwald abgehaltenes Tedeum bei den Katholiken Unruhe ausgelöst hatte, ließ er am 20. Juni 1948 folgende Erklärung von den Kanzeln verlesen: „Die Kirche ist nicht die Institution, politische Zustimmung oder politischen Widerstand zu organisieren. Die Kirche kann es niemandem verwehren, wenn er um Gottes Hilfe für sein Tun ersucht. Mit allem Nachdruck erinnere ich daran, daß die Kirche damit nicht die Weltanschauung von Richtungen und Bewegungen akzeptiert, die ihrer Auffassung zuwiderlaufen ...“ Als dann eine Verhaftung, ein Schauprozeß oder eine Konfination bevorstand, versuchte Beran vorsorglich künftigen Angriffen und Anklagen zuvorzukommen und erklärte: „Das Volk weiß, daß seine Bischöfe das Vaterland und die Nation nichi verraten. Und wenn sie nicht zu allem kritiklos ,Ja' sagen, so ist der Grund hierfür gerade ihre Hebe zur Republik und zum Volk, von dem sie alles fernhalten wollen, was Ursache seines Unglücks sein könnte.“

Kaum 28 Monate konnte Josef Beran als Erzbischof von Prag wirken, als er am 19. Juni 1949 nach Verlesung seines Hirtenbriefes neuerlich, diesmal von' seinen Landstetten, abgeführt und vorerst in seiner Residenz konfiniert wurde. Am 12. März 1950 wurde er nach einem Hochverratsprozeß daran gehindert, künftig seine Funktionen auszuüben, zwisehen 1951 und 1963 wurde er schließlich bewußt außerhalb seiner Diözese interniert, so daß der nach dem Kirchenrecht vorgesehene Kapitelvikar als Diözesanverweser eingesetzt werden konnte. Der Kirchenkampf, der schon vorher eingesetzt hatte, kam nun nach dem Beiseiteschieben der meisten tschechischen und slowakischen Bischöfe so richtig auf Touren: Die Beschlagnahme des Kirchenbesitzes, die Auflösung der männlichen und weiblichen Orden, der Katholischen Aktion, der Presse, der Schule, die Entfernung hunderter Seelsorger und die Behinderung des priester-lichen Nachwuchses.

Später als ta den anderen Ost-blockländern erfaßte unter dem Pon-tifikat Johannes' XXIII. das Tauwetter die Kirche der Tschechoslowakei. Zwar konnte Erzbischof Beran nicht zum Konzil fahren (es konnten dies nur die beiden slowakischen BisChöfe Lazik und Necsey, dazu der als Pfarrverweser tätige und bis dahin als Bischof nicht anerkannte Fr. Tomäsek); immerhin wurde er am 3. Oktober 1963 aus der Haft, beziehungsweise Internierung entlassen; als Zwangsaufenthalt wurde ihm das kleine Altersheim im Muka-fov, später das von Radvanov mit geringer Bewegungsfreiheit zugewiesen. Von einer echten Rehabilitierung war — wie bei den anderen haftentlassenen Bischöfen und Priestern — niCht die Rede. Beran selbst wurde auch nicht auf Grund einer Begnadigung des Staatspräsidenten, sondern formlos entlassen.

In die auch weiterhin stagnierende kirchliche Situation kam plötzlich 1965 Bewegung. Am 25. Jänner 1965 wurde vom Vatikan die bevorstehende Ernennung von 27 Kardinälen bekanntgegeben, unter denen sich der jugoslawische Erzbischof Seper und der Prager Erzbischof Beran befanden. Noch schwieg die gesamte tschechische Presse; lediglich die „Lidovä demokracie“ berichtete über die bevorstehende Kardinalsernennung, ohne allerdings den Namen Beran zu erwähnen. Bedeutete aber die Ernennung Sepers den Schlußpuinkt nach erfolgreichen jugoslawisch-vatikanischen Verhandlungen, so hatten die Präger Verhandlungen bestenfalls dürftige An-fangsergebnisse gezeitigt: Der zum Kardinal ernannte Beran hatte das Land zu verlassen, dafür wurde der Priester der mährischen Erzdiözese Olmütz, Frantisek Tomäsek Administrator der Präger Erzdiözese. Am 19. Februar 1965 meldete schließlich die offizielle Prager Nachrichtenagentur CTK, daß am selben Tag der „gewesene Erzbischof von Prag“, Beran, die Tschechoslowakei verlassen habe. Wie überstürzt all diese Maßnahmen vor sich gingen, erkannte man unter anderem daran, daß der neuernannte Kardinal auf dem römischen Flugplatz in Skischuhen eintraf; vor seinem Abflug konnte er sich auf dem Prager Flugplatz nur kurz mit seinem Nachfolger Tomäsek unterhalten. Zweifellos war auch erst unmittelbar vor dem Abflug Beran klargemacht worden, daß eine spätere Rückkehr in die Heimat nicht mehr möglich sei. Seit diesem 18. Februar 1965 also trug Josef Beran nur noch den Titel eines Erz-bischofs von Prag, ohne die damit verbundenen Rechte. Dafür konnte er vier Tage später, am 22. Februar 1965, den Kardinalspurpur tragen.

Mit 54 Jahren war Josef Beran ins deutsche KZ gewandert, mit 58 Jahren war er Erzbischof von Prag geworden, der Sechzigjährige wurde neuerlich interniert und erst mit 73 Jahren aus der Haft entlassen. Siebenundsiebzigjährig wurde er Kardinal, hatte in diesem Alter allerdings seine böhmische Heimat für immer zu verlassen. Aber weder das Alter noch das erlittene Schicksal konnten Josef Beran beugen. Von seinem neuen Wohnsitz aus, dem „Nepomuoeum“ in Rom, betreute er, soweit ihm dies möglich war, die zerstreuten Lamdsleuite, die Tschechen und Deutschen seiner Prager Erzdiözese. Einmal eilte er zu einem heimatveirtriebenen Priester, um dessen neuerbaute Kirche zu weihen, dann spendete er Kindern die Firmung, weihte Priester, die in der alten Heimat nicht zu Priestern geweiht werden konnten, war schlichter Seelsorger, der er durch so viele Jahre nicht sein konnte, war freundlich, gütig und spendete Trost, er, der bei all diesen Schicksalsschlägen scheinbar nie des Trostes bedurfte und gleichmütig Schicksalsschläge und Verfolgungen hinnahm. Ais er plötzlich bei einer Fahrt in Deutschland schwer erkrankte, mußte er sich am 3. Juli 1968 in Stuttgart einer schweren Operation unterziehen. Jeder — Beran nicht ausgenommen — wußte um die Hoffnungslosigkeit aller Bemühungen, aber Beran setzte unermüdlich seine Arbeit und sein Wirken fort, bis ihn am vergangenen Samstag der Tod hinwegraffte. Sein Wunsch war es gewesen, in der Heimat zu sterben. Auch dieser war ihm verwehrt worden. Ob wenigstens sein Wunsch, in der aus tausend Wunden blutenden Erde seiner alten Heimat begraben zu werden, in Erfüllung gehen wird?

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