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Harter Wahlkampf in Niederösterreich

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Zwei Uniformierte schleppen einen Mann durch ein imaginäres rotes Feld: auf Niederösterreichs Plakatwänden wird der Olah- Zwischenfall plakativ „nachempfunden”. Im Landhaus in der Herrengasse soll dasselbe wie am nahen Rathausplatz nicht geschehen. Mit einem Wort: der Wahlkampf im größten Bundesland ist voll entbrannt.

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Zwei Uniformierte schleppen einen Mann durch ein imaginäres rotes Feld: auf Niederösterreichs Plakatwänden wird der Olah- Zwischenfall plakativ „nachempfunden”. Im Landhaus in der Herrengasse soll dasselbe wie am nahen Rathausplatz nicht geschehen. Mit einem Wort: der Wahlkampf im größten Bundesland ist voll entbrannt.

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Auf die niederösterreichisdien Landtagswahlen blicken aher nicht allein die Bewohner des Landes zwischen Leitha und Enns, sondern auch die Hauptquartiere der Parteien. Ist doch für die kommenden Nationalratswahlen das Wahlergebnis am 19. Oktober ein echtes Barometer, mehr als alle Meinungsforschungsergebnisse. Die ÖVP wird erst nach diesen Wahlen ihre eigentliche Strategie festlegen können f Fortsetzung der „BIut-und-Tränen,,-Argumen- tation, daß es der armen “ÖVP miserabel geht — oder aber ein Zwischenhoch, das einen neuen Aufschwung verspricht. Überdies findet anfangs November ein Bundesparteitag statt; wichtigster Tagesordnungspunkt: die Neuwahlen des Parteiobmannes und Generalsekretärs.

Wie gut oder wie schlecht die Niederösterreichwahlen ausgehen, desto besser oder schlechter wird wahrscheinlich ein Partaitagswahlergebnes für Klaus und Withalm sein.

Ja, politische Wetterfrösche sehen sogar die Möglichkeit am Horizont, daß das ungeduldige und geschockte Funkticnärsvolik überhaupt nach einer neuen Führung ruft.

Die SPÖ wiederum wird nach dem 19. Oktober wissen, wie stark die „Wahllokomotive” Kreisky ist — und ob der bisherige Trend genügt, um auch am 1. März 1970 Sieger zu sein. Überdies aber geht es beiden Parteien um etwas sehr Handfestes: verliert die ÖVP in Niederösterreich auch nur ein Landtagsmandat (und alles spricht dafür), erhält die SPÖ eine Mehrheit im Bundesrat, dem österreichrischen Länderparlament. Dann aber muß der „schwarze” Nationalrat mit Beharrungsbeschlüssen gegen den „roten” Bundesrat antre- ten, was das Inkrafttreten der noch offenen Gesetze erheblich verzögern würde — und auch die Abhaltung von Jännersitzungen — also bereits im Wahlkampf — im Parlament notwendig machen würde.

.. Weltrekordlerin für den Landtag

In Niederösterreich wird das alles auch ins Spiel gebracht. Die ÖVP veröffentlichte einen „Aufruf”, in dem vor der roten Bundesratamehr- heit gewarnt wird. Im übrigen scheint es, daß die Volkspartei Härte nicht vermissen läßt, um die Gefahr einer sozialistischen Mehrheit drastisch an die Wand zu malen. Das „rote Ostösterreich”, das dm Falle eines SPÖ-Sieges droht, verhindert die Kontinuität der Landespolitik. Mit dieser Landespolitik wiederum setzen sich die Sozialisten unter ihrem Spitzenkandidaten Hans Czettel deutlich auseinander. Auch in Niederösterreich sagt man den Wählern, daß „es Zeit zum Wechseln” sei. Und man rechnet der ÖVP-Führung die Versager in der Landespolitik und die Korruptionsaffären vor. Denn außer der Affäre Müliner trägt die Volksparted auch schwer an den neuesten Ereignissen rund um den Kanzlefleiter von Tk’ndbshauptmann Maurer. Hofrat Broslg.

Die SPÖ wiederum muß als Manko tragen, nicht immer restlos niederösterreichfreundlich gewesen zu sein. So nützt die ÖVP auch weidlich die Diskussion um eine Wasserleitung für Wien aus niederösterreicbischen Gemeinden und das Schweigen der Sozialisten zur Südautobahntrasse über den Wechsel aus.

Beide Parteien versuchen, mit neuen Köpfen neue Attraktionen für unentschlossene Erst- und Wechselwähler zu schaffen. Den Vogel abgeschossen hat freilich die Volkspartei mit der Nominierung der Weltrekordlerin und frischgebackenen Europameisterin Liese Prokop. Als man von der Kandidatur Prokops erstmals sprach, war noch keine Rede von neuen sportlichen Supererfolgen. Geradezu als Wahlkmapfoffert hat sich dann die Leichtathletin jedoch für die Nominierung mit neuen Medaillen bedankt.

Landeshauptmann Maurer und sein Stellvertreter Czettel treten als Erben nach großen Männern an. Maurer wurde nach dem Tode von Dlpl.-Ing. Hartmann berufen und sitzt auf einem Sessel, den so potente Niederösterreicher, wie Reither, Stein- böck und Figl, eingenommen haben. Und auch Czettel ist nach dem Tode des Exjustizministers Dr. Tschadek erst vor kurzem zum Zuge gekommen.

Allerdings bedarf die Situation Nie- derösterreichs tatsächlich neuer Männer mit neuen Ideen. Das Bundesland gerät immer mehr in Gefahr, zum Schlußlicht Österreichs in wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Hinsicht zu werden. SPÖ und ÖVP haben mit Konzepten für eine energische Belebung des Landes aufgewartet. Kommt es auch zur Realisierung?

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