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Im Abkommen vom 5. September 1946 zwischen den Außenministern Oesterreichs und Italiens wurde auch die Rücksiedlung der 1939 ausgesiedelten Südtiroler in Angriff genommen; das Abkommen sah eine Revision der Optionsfrage „im Geiste der Billigkeit und Weitherzjgkeit“ vor. Zu seiner Verwirklichung wurde das italienische Gesetzdekret vom 2. Februar 1948, Nr. 23, über die Revision der Option der Südtiroler erlassen. Dieses Dekret betraf auch die Rückwanderung, da es die Bedingungen für die Wieder-verleihung der italienischen Staatsbürgerschaft an die Abgewanderten enthielt. Die Regelung verschiedener mit der Rücksiedlung verbundener Wirtschaftsfragen erfolgte durch spätere Gesetzesverfügungen.

Die Rückwanderung warf in der Folgezeit eine ganze Reihe schwerwiegender Probleme auf, die nur im gegenseitigen Einvernehmen zu regeln waren. Die Vertreter der Südtiroler Volkspartei waren bestrebt, zur Bewältigung dieser Aufgaben die neuen autonomen Gebietskörperschaften (Regionen) und die Provinz Bozen (Südtirol) mit heranzuziehen. Der Provinz Bozen, in deren Landtag und Landesausschuß die deutschsprachige Volksgruppe die Mehrheit hat und die als Ansiedlungs-gebiet fast ausschließlich in Frage kommt, war dabei die Hauptaufgabe zugeteilt. Man war sich von vornherein bewußt, daß für eine Durchführung der Rücksiedlung' im großen Ausmaß und rascher Folge die Bereitstellung großer materieller Mittel erforderlich war, Mittel, die vom Staate erbeten wurden und nur von ihm aufgebracht und bereitgestellt werden konnten.

Eine Voraussetzung für die geregelte Rückwanderung war die Errichtung einer Auffangstelle für die Rückwanderer. Ueber Antrag der Vertreter der deutschsprachigen Volksgruppe wurde von der Region (Provinzen Bozen und Trient) die Bildung eines „R ü c k-siedlungsamtes“ beschlossen und dem Südtiroler Landesausschuß die Durchführung übertragen. So entstand das Amt für Rücksiedlungshilfe an Optanten des Südtiroler Landesausschusses, das im Sommer 1949 seine Tätigkeit aufnahm. Der Südtiroler Landtag und der Regionalrat stellten aus den jährlichen Haushaltmitteln beträchtliche Summen zur Verfügung, die Provinz Bozen allein von 1949 bis 1952: 432,249.000 Lire.

Die Hauptaufgaben des Amtes für Rücksiedlungshilfe sind:

1. Die Betreuung der Rücksiedler an der Landesgrenze. In der Zeit vom 1. Juni 1949 bis 15. September 1952 hat die Betreuungsstelle am Brenner 2,356.837 Lire aufgewendet.

2. Transportbeihilfen. Die Ausgaben des Amtes zur Finanzierung von Rücksiedlungs-gut — insgesamt wurden in der Zeit von 1. Juni 1949 bis 31. Dezember 1952 1793 Fälle von Finanzierungen dieser Art gezählt — betrugen 28,497.915 Lire und an Beihilfen für die Rücksiedler (Ueberbrückungshilfe usw.) 35,517.762 Lire. Für Rücksiedlerkinder, Ferienkolonien, die vom Amte mit Lebensmittelzuwendungen der internationalen Hilfen geführt wurden, betrugen die Ausgaben 617.000 Lire.

3. Hilfe für Existenzgründungen. In erster Linie war es notwendig, rückgesiedelten Handwerkern unter die Arme zu greifen, die vollkommen neu anfangen mußten, da ihre früheren Arbeitsplätze meistens durch Zu-wanderer aus dem Süden besetzt waren. Bei diesen Handwerkern wurde noch eine Möglichkeit ausgeschöpft, und zwar die Beihilfe durch die Handwerk-Kreditaktion des Landesausschusses in Bozen. Durch diese zweite Kreditaktion war es möglich, daß das Amt für Rücksiedlungshilfe selbst eine verhältnismäßig geringe Summe von Beihilfen zu zahlen brauchte, nämlich 2,584.834 Lire.

4. Eine der wichtigsten Tätigkeiten des Amtes für Rücksiedlung war in erster Linie die Unterbringung der Rückgesiedelten, die nicht gleich in eine Wohnung eingewiesen werden konnten, und die Unterbringung ihrer Möbel. Es sind allein in den Durchgangsheimen des Amtes für Rücksiedlung in der oben angeführten Zeit 74.242 Ueberrötchtun-gen und 35.487 Tagesmahlzeiten (bestehend aus Frühstück, Mittag- und Abendessen) mit einem Kostenaufwand von insgesamt 9,267.272 Lire verabreicht worden.

5. Größte Anforderungen stellte die wohnungsmäßige Unterbringung der Rücksiedler. Ein kurzer Ueberblick über die finanziellen Leistungen des Rücksiedlungsamtes auf diesem Gebiete ergibt folgendes:

a) Ausgaben für Wohnungen bis 31. Dezember 1952: Insgesamt wurde an fertiggestellten Bauten (Voll- und Teilfinanzierungen) durchgeführt: 166 Wohnungen mit 505 Räumen mit einem Aufwand von 85,865.536 Lire. In Bau befindliche Ausbauten sowie in Finanzierung befindliche Bauten mit 40 Wohnungen mit 107 Räumen und einem Kostenaufwand von 20,346.220 Lire; Beteiligungen am Bau von Neubauten: 19 Wohnungen mit 62 Räumen mit einem Kostenaufwand von 12,254.929 Lire.

b) Beteiligung am Wiederaufbau bombenbeschädigter Gebäude: 21 Wohnungen mit 64 Wohnräumen mit einem Kostenaufwand von 18,036.994 Lire.

c) Errichtung von vorfabrizierten Häusern: 10 Häuser, davon 8 in Laas im Vintschgau und 2 in Bruneck: 26 Wohnungen mit 98 Räumen, Kostenpunkt 41,653.295 Lire.

d) Ankauf der Pension Burgund in Meran: 10 Wohnungen mit 33 Räumen. Diese Pension wurde zum Teil als Durchgangsheim verwendet, während der Rest in Wohnungen abgeteilt wurde. Kaufpreis 17,524.350 Lire.

e) Weiter wurde in Sterzing ein Bau mit 17 Wohnungen vorbereitet, ebenso in Meran ein Bau mit insgesamt 34 Wohnungen. Für die Finanzierung dieser Bauten waren im Jahre 1952 60 Millionen Lire bereitgestellt worden, die durch Mittel des Provinzialhaus-halts 1953 noch ergänzt werden.

f) Errichtung und Ausbau sowie Erhaltung der Durchgangsheime. Durchgangsheime wurden errichtet in Leifers, Gries bei Bozen, Brixen und Blumau. Für diese Durchgangsheime wurden somit insgesamt ausgegeben 29,092.537 Lire.

g) Für die Erschließung von 76 Wohnungen wurden an Rücksiedler Beihilfen im Betrage von 10,838.759 Lire ausgegeben. Eine günstige Gelegenheit ergab sich weiter, die frühere Brauerei Blumau bei Bozen der Rücksiedlungshilfe zu sichern. Für die Ablöse von Besitzansprüchen, Investierungen usw. wurden insgesamt ausgegeben 26,600.372 Lire.

h) Für den Ankauf von Baugründen und Arbeiten, die deren Verwendung betreffen, wurden aufgewendet 16,197.011 Lire.

Eine weitere Aufgabe des Amtes für Rücksiedlungshilfe war die Unterstützung der Rücksiedler bei der Betreibung von Staatsbürgerschaftsangelegenheiten. Gerade hier machten sich die Mängel der Vereinbarung vom 5. September 1946 empfindlich bemerkbar. Der „Geist der Billigkeit und Weitherzigkeit“ ließ hier sehr zu wünschen übrig. So kam beispielsweise das Optantendekret erst im Februar 1948 überhaupt heraus. Die Bestimmungen der Artikel 5 und 6 (Ausschlußgründe) des Optantendekrets vom 2. Februar 1948 wurden seitens der italienischen Regierung ausgedehnt und einseitig angewendet und dadurch eine Reihe von Härten, insbesondere für Pensionisten, Staatsangestellte, Rentner und Invalide, geschaffen. Der Südtiroler Senator Dr. Raff einer hat in der Debatte zur Regierungserklärung P e 11 a ausdrücklich auf diese Härte hingewiesen und eine möglichst rasche Regelung gefordert. Der derzeitige italienische Ministerpräsident hat diese Regelung auch in naher Zeit zugesagt.

Eine wichtige Aufgabe ist schließlich die arbeitsmäßige Eingliederung der Rücksiedler. Bei der Auswanderung von Südtirolern nach Oesterreich bzw. Deutschland — es sind immerhin 80.000 Personen von Südtirol abgewandert — war ein großer Teil der Abgewanderten Landarbeiter, die an den neuen Aufenthaltsorten vor allem in die Industrie umgeleitet wurden. Wenn nun heute diese seit der Auswanderung in Oesterreich und Deutschland in der Industrie Beschäftigten wieder nadi Südtirol zurückkehren, so finden sie dort zum größten Teil in der Industrie keine Arbeitsmöglichkeiten, da Südtirol selbst nur wenige kleine Industrien hat, die mit Arbeitern bereits überversorgt sind. Aber auch die Rücksiedlung in die Landwirtschaft stellt sich als nahezu unmöglich dar. Somit steht das Amt für Rücksiedlungshilfe hier vor einer besonders schwierigen Aufgabe. Daher sind auch seine Versuche, Arbeitsplätze in eigenen neuen Industrien zu schaffen, aller Unterstützung wert.

Die Rücksiedlungsstatistik von 1949 bis 1952 umfaßt 6065 betreute Rücksiedler aus Oesterreich und 1192 aus Deutschland, das sind insgesamt 7257 Personen, die in Sammeltransporten rückgesiedelt wurden. Hiezu kommen noch solche Rücksiedler, welche die Beihilfen des Amtes nicht in Anspruch genommen haben, so daß man mit einer legalen Rücksiedlung von insgesamt 8000 bis 9000 Personen rechnen .kann.

Das Amt für Rücksiedlungshilfe der Südtiroler Landesregierung ist von beiden Seiten, sowohl von deutscher wie von italienischer Seite, angeriffen worden, aber von beiden Seiten sind diese Angriffe nicht berechtigt. Aus den oben angeführten authentischen Daten gehen eindeutig die große Aufgabe und die bisherigen Leistungen des Amtes hervor. Dabei ist zu bedenken: Seinerzeit standen sowohl in Italien als auch in Deutschland die Staaten selbst mit ihren mächtigen Organisationen und unerschöpflichen Mitteln hinter der Aktion. Hier fallen alle diese Voraussetzungen weg: einzig und allein das Amt für Rücksiedlungshilfe ist mit den sehr beschränkten Mitteln für die Durchführung der Rückwanderung verantwortlich. Es hat in diesem Bestreben, das Schicksal Tausender und einer ganzen Volksgruppe mitzubestimmen, schöne Erfolge erzielt.

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