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Heißes Eisen: Steuerschulden

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I.

In der letzten Zeit entbrannte eine heftige öffentliche Diskussion über die Steuerrückstände der österreichischen Wirtschaft. Da nun jedermann in diesem Lande in irgendeiner Form Steuern zahlt, ist ein dankbares Publikum gewiß, und wenn man weiter weiß, daß — von Ausnahmen abgesehen — jedermann die Steuerbelastung als drückend empfindet, ist die Frage der Steuerrückstände auch ein dankbares Thema. Wenn aber ein dankbares Publikum und ein dankbares Thema vorhanden sind, muß man die Gelegenheit nützen, um allen, die an diesen Steuerrückständen schuld sein könnten, eines auszuwischen. Das ist nicht verboten und in einem demokratischen Staatswesen nur recht und billig. Recht und billig ist es auch, Vorschläge zu machen, wie man dieser Frage zu Leibe rük- ken könnte. Unbillig hingegen ist es, Vorschläge zu machen, die ebenso sinnlos wie verwirrend sind.

II.

Die Steuerrückstände werden zum Jahresende 1957 mit rund 3,2 Milliarden Schilling angegeben. Es ist eine Spielerei, diese Summe mit anderen zu vergleichen, um dann etwa sagen zu können, diese Rückstände seien bedeutend oder nicht. Das führt uns aber in der Behandlung des Problems um keinen Schritt weiter.

Unzulässig ist es, den Steuererfolg eines Jahres dem Gesamtrückstand gegenüberzustellen, da die ausgewiesenen Rückstände innerhalb eines Zeitraumes von mehreren Jahren entstanden sind. Aber auch ein Vergleich der jährlichen Zuwachsraten der Steuerrückstände ist ungenau, da nun die während des Jahres gewährten Steuernachlässe nicht mehr berücksichtigt sind.

Um allen Mißverständnissen vorzubeugen: Die Existenz von Steuerrückständen und die — wie der Fachausdruck lautet — Abschreibung von Abgaben sind keineswegs rechtswidrige Handlungen der Finanzbehörden. Es- heißt im Abgabeneinhebungsgesetz, daß „auf Ansuchen des Abgabenschuldners der Zeitpunkt der Entrichtung einer Zahlung hinausgeschoben (Stundung) oder die Entrichtung in Raten bewilligt werden kann, wenn die sofortige oder volle Zahlung der Abgabe für den Abgabenschuldner mit erheblichen Härten verbunden wäre und die Einbringung der Abgabe durch den Zahlungsaufschub nicht gefährdet wird. Der Bundesminister für Finanzen bestimmt, inwieweit Zahlungserleichterungen von den Finanzlandesdirektionen gewährt und widerrufen werden können."

Weiter heißt es im Abgabeneinhebungsgesetz, daß „fällige Abgabenschuldigkeiten auf Antrag ganz oder zum Teil durch- Abschreibung nachgesehen werden können, wenn ihre Einziehung nach der Lage des Falles unbillig wäre. Unter gleichen Voraussetzungen können auch bereits entrichtete Abgabenschuldigkeiten angerechnet oder zurückgezahlt werden . . . Die näheren Anordnungen zur Durchführung der Abschreibung von Abgaben trifft der Bundesminister für Finanzen.“

Viel freier als in diesen gesetzlichen Bestimmungen kann das Ermessen der Finanzbehörden gar nicht mehr sein. Das Gesetz ermächtigt sie, nach ihrem Gutdünken Steuern zu stunden oder gar nachzusehen. Es wäre bei einer so entscheidenden Frage sicher nicht unzweckmäßig, würde man möglichst taxativ die Tatbestände aufzählen, bei deren Vorliegen die Finanzbehörden eine Stundung oder Nachsicht von Steuern genehmigen dürfen.

III.

Für das Problem ist es zunächst einmal belanglos, zu prüfen oder gar anzuprangern, daß diesem oder jenem Unternehmen bedeutende Beträge von den Finanzbehörden .gestundet oder nachgesehen wurden, weil eine massive Intervention die Bereitwilligkeit der Behörde erheblich verstärkt hat. Lassen wir diese Frage einmal beiseite. Viel wesentlicher hingegen scheint es, daß derjenige recht hat, der sich sagt: Ich werde, ehe ich die Steuern bezahle, einmal ein Ansuchen auf Stundung stellen, vielleicht habe ich Glück. Die Unterlagen, die das Ansuchen rechtfertigen und untermauern sollen, lassen sich schon beibringen, man kann Abschlußziffern zumeist sehr 'verschieden interpretieren. Es liegt auf der Hand, daß eine Gesetzesbestimmung mit einem derartigen Ermessensspielraum der vielzitierten Steuermoral in höchstem Maße abträglich ist, da man es niemand verargen kann, wenn er alles unternimmt, um seine Steuerbelastung erträglicher zu machen.

Das freie Ermessen verleitet zumindest dazu, willkürlich zu entscheiden, ohne daß damit eine böse Absicht verbunden sein muß. Auch bei korrektester Amtsführung läßt es sich gar nicht vermeiden, daß in einem Fall rigoroser vorgegangen wird, in einem anderen wieder weniger streng. Das ist schon innerhalb eines Finanzamtes durchaus möglich. Um wieviel größer ist dann die Gefahr einer•unterschiedlichen Behandlung etwa gleichgelagerter Fälle bei verschiedenen Finanzämtern. Rechnet man nun zu diesen sozusagen „natürlichen“ Mängeln noch die Möglichkeiten der Intervention dazu, werden die Schwankungsbreiten finanzbehördlichei Entscheidungen noch erheblich größer.

Ohne Zweifel wird durch die ganze Praxis der Steuerstundungen und Steuernachlässe der Teil der Staatsbürger, die keine Möglichkeit haben, sich mit den Finanzbehörden über die Höhe ihrer Steuern in Debatten einzulassen, sondern denen ohne viel Federlesens eben die Lohnsteuer, um ein Beispiel zu nennen, abgezogen wird, ganz beträchtlich benachteiligt. Aus diesem Grund aber soll der Möglichkeit, Steuerstundungen oder Nachlässe zu gewähren, nicht jede Existenzberechtigung abge sprochen werden. Es sind ohne weiteres Situationen denkbar, in denen Erleichterungen sehr heilsame Wirkungen haben können. Nur wäre es nötig, verschiedene Aenderungen vorzunehmen, um den Vorwurf der Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes zu entkräften.

IV.

Es wurden verschiedene Vorschläge gemacht, wie man das Problem Steuerrückstände lösen könnte. So wurde verlangt, der Staat solle seine uneinbringlichen Forderungen aus dem Titel von Steuerschulden in Beteiligungen umwandeln. Bei Aktiengesellschaften könnte er dann seine auf diesem Wege erworbene Beteiligung etwa in Form von Volksaktien veräußern. Nun, dieser Vorschlag hat einen Pferdefuß. Die grundsätzlich doch noch kapitalistische Orientierung der österreichischen Wirtschaft ist sicherlich nicht allen recht. Das ist aber ihre Sache. Immerhin, diese Ordnung ist vorhanden, und das bedeutet vor allem, man muß sich bemühen, sie zu verstehen. Die Aktie ist nun so eine kapitalistische Institution. Die Umwandlung von Steuerschulden in Aktien heißt nun nichts anderes, als eine Kapitalerhöhung erzwingen. Wenn aber eine Aktiengesellschaft Steuerschulden hat, wird sie wahrscheinlich keine oder nur geringe Dividenden ausschütten. Eine erzwungene Erhöhung des Grundkapitals wird den Ertrag der Aktien zwangsläufig weiter schmälern. Diese jungen Aktien nun als Volksaktien anzubieten, hieße den-Volksaktiengedanken zu Grabe tragen. Wobei an dieser Stelle auf die Für und Wider des Volksaktiengedankens gar nicht eingegangen werden soll.

Auch der Vorschlag, die Genehmigung des Finanzausschusses des Nationalrates bei die Millionengrenze überschreitenden Steuernachlässen einzuholen, ist nicht diskutabel, da in Oesterreich das Prinzip der Gewaltenteilung noch in der Verfassung verankert ist — wenn auch die Verstöße gegen dieses Prinzip Legion sind — und dem Finanzausschuß, wenn man dem Vorschlag entspräche, .offiziell eine gesetzesvoll- ziehendęr Funktion eingeräumt würde.

Will man die Frage der Steuerrückstände entgiften, muß versucht werden, das Liebel an der Wurzel zu fassen. Voraussetzung ist, eine weitgehende Einengung des Ermessensspielraumes im Gesetz und Präzisierung der Tatbestände, bei deren Vorliegen Steuerstundungen oder Steuernachlässe gewährt werden dürfen. Das würde bedeuten, daß nur bei Vorliegen der genau umschriebenen gesetzlichen Voraussetzungen ein Anspruch auf Stundung oder Ermäßigung entsteht. Ein solcher Tatbestand wäre zum Beispiel eine Stundung der Einkommensteuer, wenn ein Unternehmen etwa in dem Jahr, wo die Steuer bezahlt werden soll, unverschuldet in Schwierigkeiten geraten ist, weil sich der Eingang der Zahlung aus einem Exportgeschäft verzögert.

Weiter müßte dem Finanzminister die Möglichkeit gegeben werden, bei Voriiegen von bestimmten Situationen durch Verordnung entweder branchenmäßig oder regional Erleichterungen zu gewähren. Dies könnte nach Anhörung einer Expertenkommission geschehen.

Da Steuerstundungen oder -abschreibungen bei allen jenen, die nicht in den Genuß solcher Vergünstigungen gelangen, aus verständlichen Gründen stark emotionell gefärbte Reaktionen auslösen, wäre es vielleicht günstig, in regelmäßigen Zeitabständen die gewährten Steuererleichterungen zu veröffentlichen und zu.erläutern. Aus Zweckmäßigkeitsgründen sollte hier vielleicht eine Wertgrenze eingeführt werden, ab der Unternehmungen, die eine Erleichterung erhalten haben, namentlich genannt werden.

Das Problem der Stundung und des Nachlasses von Steuern ist wie kaum ein anderes geneigt, Unzufriedenheit und Aergernis in breiten Kreisen der Bevölkerung, seien sie nun selbständig’ oder unselbständig erwerbstätig, zu erregen. Es ist daher durchaus angebracht, zu versuchen, dieses Problem zu entschärfen und eine allgemein akzeptierbare Lösung zu finden.

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