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„Hermes“ und die Zensur

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In Griechenland spielte 'äe Zeitung als Faktor des politischen und kulturellen Lebens seit je eine bedeutende Rolle. Deshalb ist es nicht verwunderlich, daß bereits vor dem Befreiungskampf und der Gründung des griechischen Königreiches überall dort, wo es die Umstände ermöglichten, Periodika in griechischer Sprache erschienen. Natürlich konnte sich unter türkischer Herrschaft im Land selbst kein eigenständiges Pressewesen entwickeln. Ganz abgesehen davon, daß es an Druckereien und geschulten Kräften mangelte, wäre es völlig gegen die Interessen der Türken gewesen, ihre hellenischen Untertanen Instrumente der Meinungsbildung und geistige Sammelpunkte zu gewähren. Daraus ergab sich zwangsläufig, daß die ersten griechischen Zeitungen und Zeitschriften im Ausland publiziert wurden, an Orten, wo zahlreiche , griechische Kaufleute und Intellek- , tuelle in Freiheit leben und wirken . konnten. (Eine gewisse zeitgemäße ( Parallele dazu bietet heute die im i Westen erscheinende Emigrantenpresse für osteuropäische Flüchtlinge.)

Wichtige Schlüsselpositionen

Während der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts war die Wiener ] Kolonie zur größten ethnisch ge- ; schlossenen griechischen Volks- : gruppe außerhalb der türkischen : Grenzen angewachsen. Sie bestand vornehmlich aus Händlern, die den Güteraustausch zwischen dem Habs- burgerrreich und der Türkei durchführten. In den Kontoren und Warenlagern arbeiteten viele Schrei- : ber und Gehilfen griechischer Herkunft. Mit ihrem weitverzweigten i Netz von Agenturen nahmen diese griechischen Firmen wirtschaftliche Schlüsselstellungen in Mitteleuropa und auf dem Balkan ein. Damals wurden auch in Wien die beiden orthodoxen Kirchen gegründet: die eine, dem heiligen Georg geweiht und für Griechen türkischer Staatsbürgerschaft bestimmt, die andere, zur Heiligen Dreifaltigkeit, für Griechen, die österreichische Untertanen waren.

Bald begannen sich in dieser ausgeprägten Atmosphäre des hellenischen Nationalismus auch geistige und kulturelle Kräfte zu regen. Viele der griechischen Kaufleute schickten ihre Söhne an die Wiener Universi tät, wo auch viele junge Griechen aus der angestammten Heimat studierten. Überdies existierte eine kleine griechische Schule, geleitet von literarisch ambitionierten Lehrern. Es war nur eine natürliche Folgeerscheinung, daß eigene griechische Druckereien errichtet wurden, um Bücher in griechischer Sprache edieren zu können, die in Griechenland selbst und in den anderen ausländischen Kolonien abgesetzt werden sollten. So wurde Wien gegen Ende des 18. Jahrhunderts zum Zentrum des griechischen Geisteslebens.

Der osmanische Gesandte protestiert

Diesen Tendenzen entsprach auch der Wunsch der in Wien ansässigen Griechen nach einer eigenen Zeitung als Informationsorgan und darüber hinaus als überregionales Symbol der Verbundenheit durch die gemeinsame Sprache. Die Polizeibehörde allerdings, deren Genehmigung erforderlich war, zeigte sich zunächst ziemlich ablehnend. Man befürchtete höheren Orts, daß trotz der Allmacht der Zensur solch ein schwer kontrollierbares Blatt zum Träger unliebsamen Gedankengutes und um- stürzlerischer Ideen werden könnte. Außerdem verwahrte sich auch der osmanische Gesandte sehr energisch gegen jegliches derartige Vorhaben, denn wie leicht konnten Exemplare einer griechischen Zeitung ihren Weg in den türkischen Herrschaftsbereich finden und dort Unruhe stiften.

Aus den Akten geht wohl hervor, daß mehrere Griechen Ansuchen einreichten, doch ohne Erfolg. In ganz vereinzelten Fällen wurde auf Intervention einflußreicher Persönlichkeiten die Erlaubnis pro forma erteilt, aber bald darauf durch eine Verfügung des Polizeiministers wieder rückgängig gemacht. Im Jahre 1784 veröffentlichte der griechische Schriftsteller und Druckereibesitzer Georgios Vendotds einige Nummern seiner amtlich genehmigten Zeitung. Doch auch dieses Blatt, von dem kein Exemplar erhalten blieb, wurde sofort eingestellt, als die Pforte beim österreichischen Botschafter in Konstantinopel scharfen Protest einlegte.

Erst mit Wirkung vom 31. Dezember 1790 erfolgte die behördliche Konzession für den Druck und die freie Verbreitung einer Zeitung in griechischer Spache. Als Herausgeber zeichneten die Brüder Markis Pou- lios aus SiatisÜ in Mazedonien, die in Wien eine Druckerei betrieben. Der Titel dieser Zeitung war „Ephi- meris“ (Tagblatt). Heute existieren keine lückenlosen Jahrgänge mehr, doch aus den einzelnen Nummern, die in verschiedenen öffentlichen und Privatbibliotheken aufbewahrt werden, ergibt sich ein ziemlich klares Bild des Inhalts und der Gestaltung. Normalerweise erschien die Publikation wöchentlich — womit der Titel nicht gerechtfertigt ist —, manchmal aber, während kritischer Phasen, auch in unregelmäßigen Abständen. „Ephimeris“ enthielt hauptsächlich Nachrichten, die aus Wiener Zeitungen übernommen wurden, denn dies schien der sicherste Weg, Unstimmigkeiten mit der Polizei zu vermeiden. Doch wurden auch „Eigenberichte“ aus der türkisch besetzten Heimat und aus anderen griechischen Kolonien im Ausland gebracht

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