6698617-1963_18_07.jpg
Digital In Arbeit

Hexenkessel Mittelamerika

Werbung
Werbung
Werbung

Wenige Tage, nachdem Präsident Kennedy in Costa Rica mit den mittelamerikanischen Präsidenten, zu denen auch Ydigoras gehörte, die Demokratisierung des Kontinents im Rahmen der „Allianz für den Fortschritt“ proklamierte, ist in Guatemala wieder aus einer halben Demokratie eine ganze Diktatur geworden. Dabei ist dort das Problem des sowjetischen Brückenkopfes am Panamakanal schon vor acht Jahren aktuell gewesen. Foster Dulles sah diese Gefahr schon als gegeben an, als 2000 Tonnen tschechischer Kleinwaffen für 10 Millionen Dollar von Bord eines schwedischen Dampfers gelöscht wurden. Auf dem panamerikanischen Kongreß in Caracas wurde 1954 ein Beschluß gegen die kommunistische Infiltration auf dem Kontinent gefaßt, der nur Guatemala galt. Seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts bis 1944 regierten in diesem Lande, mitten auf dem „Balkan Amerikas“, nur vier Diktatoren. Der letzte, Jorge Ubico, wurde dann von einer Gruppe junger Offiziere und Intellektueller gestürzt. Unter ihnen waren der erste Präsident des neuen Regimes, Dr. Juan Jose A r i v a 1 o, der — trotz Indioblut — wie ein Deutscher aussieht, und der zweite, 1948 legal gewählte, jetzt 50jährige damalige Oberst Jacobo Arbenz, Sohn eines Schweizer Apothekers.

Guatemala gehört zu den rückständigsten Feudalstaaten: Zwei Drittel der Bevölkerung bestehen aus Indios — Analphabeten, die meist barfuß gehen —, die „United Fruit Company“ und Plantagenbesitzer, zwei Prozent der Bevölkerung, bewirtschaften 70 Prozent des Landes. Die „jungen zornigen Männer“ wollten ein Jahrhundert überspringen und die Plantagenbesitzer zu menschenwürdigen Bedingungen für Kaffee- und Baumwollpflücker durch moderne Arbeitsgesetze zwingen. Die Anwendung der Agrarreform gegen die mächtige nordamerikanische „United Fruit Company“ hat die Spannung mit dem Washingtoner State Department in ähnlicher Weise hervorgerufen, wie es wenige Jahre später durch die Enteignung der kubanischen Zuckerplantagen durch Fidel Castro geschah.

34 Putsche in zehn Jahren

In den Jahren 1944 bis 1954, in denen die „Reformer“ an der Macht waren, haben sie 34 Staatsstreiche vereitelt, hinter denen meist die „United Fruit Company“ stand. Am meisten Aufsehen erregte die Arbenz-Regierung, als sie 200 Briefe in Photokopien über ein Invasionsprojekt vorlegte, an dem der inzwischen ermordete Diktator von Nicaragua, S o m o z a, und der emigrierte unterlegene Präsidentschaftskandidat, General Ydigoras Fuentes, beteiligt sein sollten. Das State Department be-

stritt energisch, den Plan unterstützt zu haben. Ein anderer Putschspezialist. Oberst Castillo Armas, war 1950 mit einem Staatsstreich gescheitert, aus dem Gefängnis in das benachbarte Honduras, wo ein früherer Geschäftsführer der „United Fruit Company“ Präsident war, entflohen und hatte dort eine „Widerstandsbewegung“ ins

Leben gerufen. Mit einigen hundert Söldnern verschiedener Nationalität fiel er in Guatemala ein und erzeugte mit einigen Bombardements, da er im Gegensatz zur Regierung über Flugzeuge verfügte, solche Panik, daß Arbenz zurücktreten mußte. Diese „Invasion“ führte zu Protestkundgebungen gegen die USA, bei denen amerikanische Flaggen und Eisenhower-Bilder verbrannt und Steine auf nordamerikanische Botschaften geworfen wurden. In den Parlamenten von Argentinien, Chile und Uruguay protestierte man dagegen, daß die USA damals eine Entwicklung begünstigten, bei der eine der wenigen Demokratien des Kontinents wieder zu einer Diktatur verwandelt wurde. Diktator Oberst Castillo Armas wurde 1956 von seiner Leibwache ermordet, ob aus persönlichen oder politischen Gründen, ist niemals klargestellt worden. 1958 wurde der Exputschgeneral, der jetzt 68jährige Miguel Ydigoras (Vatername) Fuentes (Muttername), zum Präsidenten Guatemalas gewählt. Ex-präsident Dr. Juan Jose Arevalo, der als Emigrant bis 1944 Philosophieprofessor an der argentinischen Universität in Tucumän gewesen war, emigrierte wieder und bekam einen Lehrstuhl an der venezolanischen Universität Caracas. Expräsident Jacobo Arbenz emigrierte nach Montevideo (Uruguay).

Das „verfluchte Geld“ Fidel Castros

Ydigoras machte sich zum Feind Nummer eins Fidel Castros, verlangte hinter den Kulissen der Konferenz von Punta del Este den panamerikanischen Krieg gegen Kuba, bot den Gegenrevolutionären Basen zur Ausbildung und zur Teilnahme an der Invasion in der Bahia Cochins an. Als diese scheiterte und Kennedy mit Chruschtschow über die Rücknahme der Basen zu einem Abkommen kam, verbot Ydigoras jede

Untergrundtätigkeit in Guatemala und wies die Mitglieder des kubanischen Exilrates aus.

Ydigoras, der während des Arbenz-Regimes Putsche am laufenden Band organisierte, war seit 1958 selbst ununterbrochen versuchten Staatsstreichen ausgesetzt. Meist waren es Militärrevolten, für die er Fidel Castro (zu Unrecht?) verantwortlich machte.

Als 1960 rebellische Offiziere in

Guatemala eine Kaserne stürmten, um dann die Revolution im Nordosten des Landes fortzusetzen, rief Ydigoras Eisenhower zu Hilfe, der Flotte und Kampfflugzeuge zum Krieg gegen den „kommunistischen Aufstand“ ins Karibische Meer rief. Damals behauptete Ydigoras, wie nach dem Aufstand einiger Fliegeroffiziere 1962, sie seien

„mit dem verfluchten Geld von Fidel Castro gekauft“.

Mexiko hatte die Beziehungen zu Guatemala abgebrochen, weil dort drei Fischerboote wegen „illegalen Krabbenfangs“ in den Hoheitsgewässern beschossen worden waren, wobei es Tote und Verletzte gegeben hatte. Ydigoras lehnte jede Entschuldigung oder Entschädigung ab. Er weigerte sich auch, nach mexikanischem Vorschlag das

Internationale Schiedsgericht in Den Haag entscheiden zu lassen. Er hielt bei dieser Gelegenheit eine Rundfunkrede, die seinen unaufrichtigen Patriotismus ebenso enthüllte wie sein falsches Pathos: „Wir würden die Plünderung unserer Tierwelt weiter ertragen haben, wenn... die Piratenschiffe nicht... unerhörterweise auch auf dem Boden unseres Vaterlandes gelandet wären und die nationale Ehre befleckt hätten... In dieser Stunde der Erprobung...“ waren sich alle Parteien, sogar die Studenten, einig. Mexikanische Filme wurden sabotiert. Sogar die Orchester in den Nachtklubs durften keine mexikanischen Tänze spielen.

Zweifelhafte Motive

Ydigoras richtete dann an die „Organisation amerikanischer Staaten“ die formelle Beschwerde, daß kubanische Invasionstruppen aus Mexiko einsatzbereit stünden ... (Fidels Bruder, Raul Castro, und der mexikanische Ex-präsident Lazaro Cärdenas sollten sie inspiziert haben.) Mexiko antwortete: Unsinn! Einige Monate später versöhnten sich dann der mexikanische Präsident Mateos Lopez und Ydigoras ...

In Guatemala sollten im November 1963 Wahlen stattfinden, für die fünf Parteien den früheren Präsidenten Doktor Arevalo als Präsidentschaftskandidaten aufstellen wollten. Dieser erklärte in Mexiko, wohin er inzwischen gefahren war, am 31. März nach Guatemala zu gelangen, und wenn er sein Leben riskiere. Ydigoras antwor-

tete, er dürfe nur einreisen, wenn er beweise, kein Kommunist zu sein, und erklärte, warum die während seiner Präsidentschaft 1949 erfolgte Ermordung des Chefkommandanten Oberst Arana nicht untersucht worden sei.

Arevalo behauptete, er sei ideologisch Antimarxist; er lehre als Philosophieprofessor den „geistigen Sozialismus“ im Gegensatz zum „materialisti-

schen“; die Kommunisten in Guatemala seien immer gegen ihn gewesen, und die fünf Parteien, die ihn jetzt aufstellten, hätten weder offene noch geheime Verbindungen zu den Kommunisten. Was die Untersuchung des Mordes an Arana anginge, hätte sich die Regierung nicht eingemischt, Ydigoras müsse den Ankläger des Militärgerichtes fragen.

Ydigoras verhängte nunmehr „angesichts eines Agitations- und Umsturzplans“ (?) das Standrecht. Die Zensur wurde eingeführt. Von 20 bis 8 Uhr durfte man nur mit Sondergenehmigung auf die Straße; auch durften nicht mehr als 4 Personen zusammenstehen. Ydigoras erklärte, Arevalo verhaften zu lassen, sobald man ihn fände.

Kurze Zeit, nachdem Ydigoras so scharfe Maßnahmen „zur Bekämpfung des Kommunismus“ verhängt hatte, setzte ihn der Kriegsminister, Oberst Enrique Peralta, ab und sich als Diktator ein.

Er proklamierte, man müsse Extremisten von der Macht fernhalten und die öffentlichen Gelder ehrenhaft verwalten. 9U'“-> ab taiene>

Nun hatte schon 1962 der Botschafter Guatemalas in Washington bei dem Putsch der Fliegeroffiziere erklärt, er beruhe nach seinen Informationen „auf der Wut über die Einführung der Einkommensteuer“. Vor wenigen Tagen veröffentlichten die Wirtschaftsverbände ganzseitige Zeitungsanzeigen, in denen sie der Unfähigkeit der Regierung und der Korruption Schuld an der Wirtschaftskrise gaben und mit der Einstellung der Baumwollexporte und Steuerstreik drohten, wenn zum Teil geplante, zum Teil schon vom Parlament angenommene Sondersteuern Gesetz würden. So mag die „kommunistische Unterwanderung“ den Vorwand und Korruption oder Steuergesetze das echte Motiv für den Staatsstreich darstellen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung