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Hie Covelli — hie Lauro!

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Nach mehr als sechsjähriger Pause hat die wiedervereinigte Partei der italienischen Monarchisten („Partito Democratico Italiano") im geräumigen Ausstellungsgelände Roms, genannt E. U. R., ihren überfälligen Kongreß abgehalten. Etwa 540 Delegierte aus ganz Italien waren erschienen. Die aus Mittel- und Süditalien wogen über, also aus jenen Regionen, wo die Monarchie seit jeher tiefgreifende Wurzeln geschlagen hat. ᾠ ,

Um es gleich vorwegzunehtnen: den Beobachtern, die in den anderthalb Jahrzehnten seit 1945 Ungezählten Parteikongressen beigewohnt haben, ist eine solche tumultuarische Tagung noch nicht begegnet. Drei Tage und zwei Nächte lang wurde fast ununterbrochen geredet, gelärmt, getobt, wurden Anklagen und Schmähungen gegen die Parteidirektion geschleudert und noch mehr: leere und volle Mineralwasserflaschen, ja Stühle und Sessel dienten als Wurfgeschoße. Wiederholt wurde in vermessenem Anlauf der Oppositionellen die Vorstandstribüne zu stürmen versucht, und nur dem energischen Einschreiten eines vorzüglich organisierten Ordnungsdienstes und schließlich der Polizei war die notdürftige Wiederherstellung der Ruhe zu verdanken. Etliche Teilnehmer kamen mit Quetschungen davon; andere wurden ernstlich verletzt. Rascher Aufstieg, langsamer Verfall

Solche Aufruhrstimmung war im Programm des Kongresses nicht vorgesehen. Freilich hatte man mit unangenehmen Überraschungen und mit Anwürfen an die Adresse der Parteiführung gerechnet. Deren Hauptexponenten waren und sind noch heute zwei selbstherrliche Persönlichkeiten, beide mit erklecklicher Gefolgschaft, beide auf ihre Art königstreu, beide im Wettstreit um die Gnade des 1946 durch die Volksabstimmung abgesetzten und nach Portugal in die Verbannung gegangenen Königs Umberto II.

Der eine, Covelli, ein Mann in mittleren Jahren, Typ des ideenarmen, aber mit Organisationstalent begabten Parteisekretärs, mit wenig politischer Phantasie und mit viel Selbstbewußtsein! — Der andere, Lauro, ein Siebziger, erfolggekrönter, goldschwerer Reeder, nun zum zweitenmal Oberbürgermeister der mit 100 und mehr Milliarden Lire verschuldeten Großstadt Neapel Lauro besitzt die in Süditalien beliebten Wesenszüge eines Patr’archen, zumindest die Begabung, als Gönner und Förderer der kleinen und bedürftigen Leute aufzutreten und sie, seit Generationen monarchistisch gesinnt — wobei nicht genau zwischen dem „Königreich beider Sizilien“ und dem späteren Italien differenziert wird — zu treuen Anhängern seiner Partei zu machen.

Die Entwicklung der Monarchistischen Partei spiegelt die Ergebnisse der drei Kammerwahien vom Zeitpunkt der Beseitigung der Monarchie (1946) bis heute. Deren Formation trat bald nach 1946 ins Leben. Bei den Wahlen von 1948 erzielte sie 14 Kammerman- date; 1953 waren es sogar 40; jedoch 1958, nach der von den erwähnten beiden Exponenten Covelli und Lauro verschuldeten Spaltung in zwei Gruppen, schmolz die Zahl auf 29 zusammen. Aber dieser Schwund setzte sieh weiter fort, wie die jüngsten Kommunal- und Provinzialwahlen vom November 1960 offenbarten.

Inzwischen haben sich die beiden „feindlichen Brüder“ wieder versöhnt. Aber aus den vorstehenden Zahlen geht der Vertrauensrückgang der Wähler nur zu deutlich hervor. Er erklärt sich aber auch daraus, daß der Parteisekretär Covelli, gelähmt durch die zeitweise offen ausgebrochene Feindschaft mit Lauro, es an Führungswillen und an politischer und sozialer Zielsetzung fehlen ließ. Das mehr und mehr verblassende Ideal der Restaurierung der Savoyer Dynastie hätte, um wirkungskräftig zu bleiben, mit einer ernstgemeinten Sozialpolitik Hand in Hand gehen müssen, als deren Garant in den Augen der königstreuen Massen in der Vergangenheit die Monarchie gegolten hatte.

Besinnung auf die Wirklichkeit

Statt dessen legte der interne Streit der Wettbewerber um die Macht in der Partei die besten Kräfte lahm. Ja, dieser Streit begünstigte mehr und mehr die Trennung zwischen dem stärkerem rechten und dem zahlenmäßig schwächeren, aber mit rhetorischen Talenten reich ausgestatteten linken Flügel der Gruppierung. Während die Rechte unter Covelli wie gebannt auf das ständig in die Ferne rückende Ziel der Wiederherstellung der Monarchie (mit legalen Mitteln schaute, forderte die wirklichkeits nähere Linke die Inangriffnahm praktischer, auf die Hebung des Le bensstandards der Massen ausgerich teter Aufgaben. Deshalb legte sic diese den bezeichnenden Name „Rinnovamento sociale“ („soziale Er neuerung“) bei, womit sie bei de traditionell der Monarchie verhaftete: Wählern in Süd- und Inselitalien mo ralische und tatsächliche Eroberunge , zu machen hoffte. Dies sei auch • so ihre auf dem Kongreß in alle Varianten tobenden Sprecher — de geradlinigste Weg zur Einschaltun der nunmehr 13 Jahre politisch wir kungslos gebliebenen Partei in di Machtausübung im Staate. Sie hab damit die Chance, eventuell unte Ausbootung der die Stabilität der Re gierung ständig gefährdenden Libera len, endlich ein die Schicksale de Landes mitbestimmender Faktor zi werden.

Wie sehr die drastischen Vorstoß des linken Flügels der Partei, derei unnachgiebige Exponenten die Abge ordneten Foschini und Greco waren die Gesamtstimmung beeinflußt um zumal die bis dahin stockkonservativi Parteiführung eines Besseren belehr haben, das zeigen die abschließender Ausführungen der beiden „Rivalen’ Lauro und Covelli. Der erfahrungs reiche Alte, eben Lauro, schien dii massiven Ultimaten der handgreiflid gewordenen Opposition zuerst be griffen zu haben. Er gab nunmehr der versöhnlichen Ton an, als e; dem Parteisekretär Covelli die drei erstmalig konkreten politischer Ziele der Partei suggerierte Die Partei will, im Gegensatz zur bis, hörigen tatsächlichen Haltung, ein wirklich volksnahe demokratische Bewegung werden. Sie tritt künftig mil Nachdruck für eine nach rechts, das heißt, nach den demokratischen Monarchisten orientierte Regierungsfront ein, schon um das befürchtete Abgleiten dieser Ffönt nach links, im besonderen ins Lager der Nenni-Sozialisten. zu verhindern. Ein Bündnis mit den Neofaschisten soll in Zukunft allzeit ausgeschlossen sein.

Dies sind Wechsel auf die Zukunft, welche zumindest gute Absichten für sinnvolle politische Aktivierung verraten. Von den Taten wird der künftige Bestand der Partei abhängen. Bleiben diese aus so ist der Abfall eines großen Teils des linken, etwa 30 Prozent der Gesamtgliederung aus- machenden Flügels, zu erwarten.

Unter einem neuen, nunmehr dem dritten Parteischild, segelt nunmehr Jas schwankende Schifflein in die aufgewühlten Wogen der Tagespolitik. Es wird heißen: „Italienische Demokratische Partei der Monarchistischen Einheit“.

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