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High-Tech-Waffen statt Kanonenfutter

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Auch als NATO-Land könnte Osterreich an der Wehrpflicht festhalten. Allerdings gibt es -mit oder ohne NATO - wenig Gründe dafür.

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Auch als NATO-Land könnte Osterreich an der Wehrpflicht festhalten. Allerdings gibt es -mit oder ohne NATO - wenig Gründe dafür.

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Die Wehrpflicht-Debatte leidet an ihrer Vermischung mit dem NATO-Beitritt. Das ist schade, denn es gibt keinen vernünftigen Grund für Osterreich, den Luxus eines NATO-Beitritts herbeizureden. Kr nützt weder uns noch der NATO. Kr schafft keine neue Sicherheit in Kuropa, kostet aber viel Geld für Iligh-Tech-Waffen.

Um den Irrtum zu beseitigen: Die NATO übt keinen Zwang zur Rin-führung oder Abschaffung der allgemeinen Wehrpflicht aus. Österreich stehen alle vier Optionen offen:

■ Neutralität mit allgemeiner Wehrpflicht

■ Neutralität ohne Wehrpflicht

■ NATO-Mitgliedschaft mit Wehrpflicht

■ NATO-Mitgliedschaft mit Berufsheer.

Ks gibt NATO-Länder mit Wehrpflicht (Italien) und solche mit Berufsar mee (Großbritannien). Das einzige, wo die NATO Druck ausübt, ist die Aufteilung der Kosten für die einzelnen Armeen, wobei die N ATO-Bichtlinie drei Prozent des jeweiligen Bruttoinlandsproduktes vorschreibt (für Österreich 70 statt derzeit 23 Milliarden Schilling jährlich).

Die Tatsache, daß einige NATO-Staaten (Prankreich, Belgien, Niederlande) derzeit auf ein Berufsheer umstellen, hat mit wehrtechnischen und gesellschaftspolitischen Krwägungen zu tun. Die NATO hat auch auf diese Kntscheidungen keinen maßgeblichen Rinfluß ausgeübt. Die Debatte wird auch in den skandinavischen neutralen Staaten geführt.

Kin zweiter Irrtum wird in Österreich unbelehrbar vorgetragen, vor allem im Umfeld der SPÖ: Es wird behauptet, ein Berufsheer wäre undemokratischer und gefährlicher für die Demokratie als eine Wehrpflicht-Armee, könnte zu Putschgelüsten verführen und sei eher eine Art „Staat im Staate”. Als Untermauerung wird das Berufsheer angeführt, mit dem Engelbert Dollfuß 1934 zugeschlagen hat. Man sagt, die einfachen Wehrpflichtigen hätten seinen faschistischen Putsch (durch Befehlsverweigerung) verhindern können.

Dieses Argument hält keiner echten Überprüfung stand: Alle Staatsstreiche faschistischer Armeen und Juntas in der Türkei, in Griechenland 1967, und Hunderte Putschs in Lateinamerika wurden mit Wehrpflichtigen-Armeen durchgeführt. Immer gelang es den Offizierskorps, kritische, aufmüpfige Soldaten rechtzeitig zu kontrollieren, von ihren Kollegen zu isolieren, am entscheidenden Tag nicht zum Einsatz zu bringen. Hitler konnte seine verbrecherischen Kriege bis zur Geiselerschießung und zur strategischen Sicherstellung der „Kndlösung” mit einer Wehrpflicht-Armee durchführen, ohne daß ihn der angebliche demokratische Widerstandsgeist der jungen Bekruten behindert hätte. Die USA führten ihren barbarischen Krieg in Vietnam mit Hilfe der allgemeinen Mobilmachung.

Es ist eine blanke Illusion zu glauben, die Tiroler oder Stei-rischen Bauernbuben hätten im Februar 1934 den Schießbefehl auf die Arbeitersiedlungen von Floridsdorf verweigert. Und Dollfuß wäre nicht so dumm gewesen, begeisterte Floridsdorf er Sozialdemokraten in seinem Heer ausgerechnet in Floridsdorf einzusetzen.

Die Wahrheit ist: Das Widerstandspotential Innerhalb einer Armee gegen sinnlose und verbrecherische Befehle ist extrem gering. Die gesamte militärische Ausbildung und Erziehung sorgt dafür, daß solche Flausen im Keim erstickt werden. Wer innerhalb einer Armee für die

Zwecke einer Armee wirklich gefährlich ist, wreil er zuviel Gewissen hat, wird am Tag des Putsches in einer Gefängniszelle sitzen, wenn er überhaupt noch lebt.

Jede Armee, egal ob unter allgemeiner Wehrpflicht oder aus Berufssoldaten zusammengesetzt, stellt einen Fremdkörper in der Demokratie dar. Innerhalb der Armee kann und darf es keine gewissensbestimmten Einzelhandlungen gegen den Oberbefehl geben, das ist das Wesen und der Sinn der Armee. Deshalb ist die demokratische Kontrolle eines Heeres nur durch Kinschleusen gewissenhafter, demokratisch gesinnter und humanitär denkender Menschen in das Offizierskorps möglich.

In den unteren Bangen entscheidet sich nichts. 1934 hatte Dollfuß zufällig eine Berufsarmee, genauso zufällig wie 1967 Georgios Papadopoulos in Athen die starke sozialdemokratische Demokratiebewegung mit Wehrpflichtigen niedergeschlagen hat. Ks gibt kein für die Demokratie unproblematisches Heer.

In Kuropa gab es nach 1945 mehr Armee-Rinsätze gegen die eigene Bevölkerung als gegen nationale Außengrenzen: Nordiren, Basken, Griechen, Jugoslawen und viele andere Völker bezeugen das.

Die Gründe für den Übergang vieler Staaten zur Berufsarmee liegen in der geringen Beliebtheit des Wehrdienstes, in der Durchsetzung des Menschenrechtes auf Gewissensfreiheit (Deutschland: 50 Prozent Zivildiener), im Rnde des Kalten Krieges und in der Tatsache, daß die technisch hochentwickelten Waffen keine „Soldatenmassen” mehr brauchen. Der Krieg entscheidet sich nicht mehr an der Menge des verfügbaren Kanonenfutters, sondern am Niveau der Waffentechnik. Das ist nicht zu bestreiten.

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