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Hochschulpolitik in Bewegung

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Österreichs Studenten zählten in den letzten 10 bis 15 Jahren zu den „konservativsten“ in Europa. „Konservativ“ war nicht nur ihr Verhalten bei Hochschulwahlen, wie die durch Jahre stabilen Wahlverhält-nisse bewiesen, konservativ war auch die allgemeine Einstellung zu Hochschul- und Studienfragen. Nach der kurzen Blütezeit der Hochschulpolitik nach Kriegsende, die bis in den Anfang der fünfziger Jahre reichte, gekennzeichnet durch die Neugründung der den Hochschülern aus dem Krieg „auf den Leib geschneiderten“ studentischen Interessenvertretung und hochschul-politischer Organisationen ohne Vorbild in der Vergangenheit (wie die Freie österreichische Studentenschaft), durch lebhafte geistige Auseinandersetzungen, die die damalige florierende Studentenpresse widerspiegelt, nach dieser Ära des Aufbruchs auf vielen Gebieten versanken Studenten und Hochschulleben in eine allgemeine, durch die Konjunktur geförderte geistige Lethargie, die jeder Auseinandersetzung aus dem Weg ging. Der intellektuelle Dämmerschlaf wurde zwar von manchen als segensreiche Ruhe und Ordnung deklariert und als Zeichen dafür gewertet, daß die blutigen Auseinandersetzungen und Schlägereien der Zwischenkriegszeit endgültig passe seien. Die Affäre Borodajke-wycz zeigte jedoch, welcher Geist unter dem Deckmantel von „Ruhe und Ordnung“ restauriert werden konnte. Abgesehen von diesem blutigen Zwischenspiel beschränkten sich die politischen Auseinandersetzungen in der Ära der Koalition auch an den Hochschulen auf den Streit um „schwarze“ oder „rote“ Lehrkanzeln. Streiks und Demonstrationen rund um das Kulturbudget verebbten nach Abschluß der Budgetdebatten, meist ohne mehr Wirkung als kurzfristige Publicity zu erzielen.

Ist Berlin an allem schuld?

Die nunmehrige Aktivität an den Hochschulen wirkt auf diesem Hintergrund langjähriger Passivität und Lethargie besonders ungewohnt. Ubervorsichtige warnen bereits bei den ersten Anzeichen neuerwachten Interesses an politischen Fragen unter den Studenten vor der drohenden „Verpolitisierung“ der Hochschulen — das Wunschbild vom apolitischen Studenten und Akademiker, der sich mit den „höheren Werten des Geistes“ und nicht mit Politik zu beschäftigen habe, spukt noch immer in vielen Köpfen. Den Anfang machten die sozialistischen Studenten, die die Methoden der Teach-ins, Go-ins, Sit-ins importierten (die Skala reicht von Adorno bis Rudi Dutschke). TDer Wahlblock will nicht nachstehen und lädt Mini-

ster Piffl-Percevit zu einem Go-in über aktuelle Fragen der österreichischen Bildungspolitik. Mit deutschen Professoren und Studenten wird über „Demokratisierung“ der Hochschulen und neue Hoch-schulmodelle im überfüllten Auditorium maximum diskutiert.

Ist wirklich nur Berlin, das Vorbild der Freien Universität, schuld

an diesen Vorgängen oder sitzen die Gründe tiefer?

Das erste Signal für das Erwachen der Studenten gab der Ausgang der letzten Hochschulwahlen: Der Wahlblock Union österreichischer Akademiker, wie sich die Wahlgemeinschaft von CV, KV, Landsmannschaften und FöST offiziell nennt, hatte neun Prozent der Stimmen gegenüber 1965 und damit die seit Jahren ungefährdete absolute Mehrheit verloren. Ähnlich wie die österreichischen Wähler ein Jahr zuvor entwickelten die Studenten plötzlich größere Beweglichkeit: der Wahlblock war, wie Heribert Steinbauer im offiziellen Organ des ÖCV, in der „Academia“ schrieb, zum „Opfer der Dynamisierung im politischen Leben des Landes“ geworden. Die lange schon latente Krise des Wahlblocks, die sich bereits mit der Bildung von Splittergruppen wie der „Arbeitsgemeinschaft nichtkor-porierter christlicher Studenten“ in Innsbruck und am deutlichsten ,in der Grazer „Aktion“ gezeigt hatte, war manifest geworden.

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