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Hoffnung für Chinas Katholiken

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Steht Chinas katholische Kirche nach dem Marsch durchs Todestal vor der Auferstehung? Rom und Peking haben aus der Vergangenheit gelernt.

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Steht Chinas katholische Kirche nach dem Marsch durchs Todestal vor der Auferstehung? Rom und Peking haben aus der Vergangenheit gelernt.

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Der Bischof von Rottenburg, Walter Kasper, hat im Vorjahr eine elftägige Reise durch fünf chinesische Provinzen unternommen. Er stellte fest, daß er ohne dauernde Polizeiaufsicht mit katholischen Gemeinden ein offenes Gespräch führen und Gottesdienste feiern konnte, sehr im Gegensatz zu seinem Vorgänger, Bischof Moser, vor 15 Jahren. Kasper begegnete einer' selbstbewußt gewordenen Kirche, die etwa zehn Millionen Gläubige zählt und jährlich mit 50.000 Konvertiten rechnen darf.

Die Christen in China erleben sehr bewußt das Martyrium der Auferstehung, denn sie wanderten, vor allem während der Kulturrevolution, durch das Todestal. Gerade der Umstand, daß Christen in den Gefängnissen und Arbeitslagern eine unerhörte Stärke bewiesen, wirkte auf die Umgebung als Anziehungskraft für diese Religion nach dem Zusammenbruch des Marxismus. Bis heute konnten schon etwa 4.000 Kirchen neu eröffnet werden. In Shanghai fanden sich über 100 Schwestern aus verschiedenen Orden zu einer Gemeinschaft zusammen, die bereits Novizinnen aufnimmt. Insgesamt sollen etwa 40 Schwesternkonvente und Priesterseminare eröffnet worden sein, trotz größter Armut.

Bedauerlich ist nur, daß die deutsehe Presse immer noch von einer „patriotischen Nationalkirche” spricht, die unter dem Verdacht des Schismas steht. Diese Sprachregelung fördert ein schlimmes Mißverständnis.

In dem berühmten „Dokument 19” des Zentralkomitees der Partei wurde den fünf Religionen: Taois-mus, Buddhismus, Islam, Katholizismus und Protestantismus im März 1982 Freiheit eingeräumt, unter der Bedingung, daß sie eine „Patriotische Vereinigung” von Religionsdienern und Laien bildeten, die dem Staat gegenüber die Verantwortung für die Einhaltung der Gesetze wahrnahm. Die Partei hatte sich zur Erkenntnis durchgerungen, daß die Religionen nicht so schnell untergehen würden, wie es Karl Marx prophezeit hatte, sodaß im Interesse der nationalen Einheit und der Mobilisierung aller Kräfte für die Modernisierung ihre Duldung gefordert sei, soweit sie sich ins Ganze einfügten.

Die Protestanten fanden sich leicht zurecht, denn die „Drei-Selbst-Bewegung” (Selbstverwaltung, Selbstfinanzierung, Selbstpropagierung) war schon seit den zwanziger Jahren von einheimischen Pastoren gegen ausländische „Missionboards ' eingeleitet worden.

Die Katholiken fanden sich von Anfang an in einer grundverschiedenen Situation, nachdem Internuntius Riberi in Nanking die Einladung des Premiers Tschu Enlai, mit ihm in Peking die „drei Selbst” zu diskutieren, abgelehnt hatte, und, um das Unglück voll zu machen, sich später nach Taiwan absetzte, zum Erbfeind des neuen Regimes. Die Lage verschlimmerte sich im Laufe der Jahrzehnte, weil der Vatikan als einziger Staat des Westens Taiwan erlaubte, seine Botschaft dort weiterzuführen, nachdem alle anderen Staaten China anerkannt hatten, mit Taiwan aber trotzdem auf unteren Ebenen weiterhin gute Beziehungen pflegten. Es ist verständlich, daß das Regime in Peking dem Staatschef des Vatikans, der mit dem Erbfeind „verbündet” war, keinen Einfluß auf die chinesische Kirche einräumen wollte. Die Spaltung der Kirche war nicht ein theologisches, sondern ein rein politisches Problem, brachte aber unzähligen Bischöfen, Priestern und Laien der „Untergrundkirche” Gefängnis, wenn nicht sogar den Tod.

Bischof Kasper konnte darauf hinweisen, daß in China ein Prozeß der Versöhnung in Gang komme; und aus Rom hört man, daß selbst dort die Fehler der Vergangenheit überdacht werden. China ist ein Hoffnungsland durch die hohe Zahl von religiösen Berufen und die Anziehungskraft des Christentums, das von den Toten auferstand nach der Agonie des Kommunismus.

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