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Holzhammer statt Historie

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Zur Vorbemerkung: Ich habe den Krieg vom ersten bis zum letzten Tag mitgemacht; ich bin durch die Ukraine bis zum Kaukasus marschiert; ich habe den Partisanenkrieg in Jugoslawien und Griechenland erlebt. Ich habe weder da noch dort jene Geschehnisse gesehen, die in der Ausstellung dargestellt werden. Aber ich habe keinen Zweifel, daß sie stattgefunden haben.

Ich habe die Ausstellung in Wien im Vorjahr gesehen. Ich weiß nicht, wie weit die Veranstalter die damals vorgebrachten Einwände berücksichtigt haben. Zur Stärkung meiner Erinnerung dient mir die Sonderbeilage der „Kleinen Zeitung" in der Vorwoche mit den dort gebotenen Ausführungen.

Die Ausstellung gibt vor, „Verbrechen der Wehrmacht" darzustellen, um einen „Mythos zu zertrümmern" (Manoschek), das Tabu der „sauberen Wehrmacht" gegenüber der „verbrecherischen SS". Die Veranstalter wehren sich gegen den Vorwurf, eine Kollektivschuld der Wehrmacht kon struieren zu wollen. Aber gerade diesen Eindruck gewinnt der Besucher, umso mehr, wenn er diese Zeiten aktiv miterlebt hat, ohne in Kriegsverbrechen involviert gewesen zu sein. Und das war ja doch wohl die Mehrzahl der Wehrmachtsan gehörigen.

Jeder ;Untersuchungsrichter forscht nach Vorgeschichte, Hinter gründen, Motiven, Zusammenhängen, die auch der Ankläger nicht außer acht lassen kann. Die Schau pla katiert Serien grauenhafter Bilder, die die Teilnahme von Wehrmachtsan gehörigen an Exekutionen beweisen sollen, und begründet sie lediglich mit Hitler- oder Generalsbefehlen zur Vernichtung des „jüdisch-bolschewistischen Systems". Das kann doch wohl nicht genügen. Wie gesagt - ich habe von Kriegsverbrechen nichts gesehen, bezweifle sie aber nicht. Selbst gesehen habe ich jedoch die massakrierten Leichen von Kameraden, die i dem Gegner in die Hand gefallen waren - in der Ukraine wie auf dem Bai -' kan. Daß nach solchen Erlebnissenti Rachedurst aufkommt, dürfte verständlich sein - werden doch auch diey Taten der Partisanen mit den vorausgegangenen Untaten der Deutschenr entschuldigt.

Massenerschießungen von Juden, in Weißrußland sind mit keinem. W7ort zu begründen. Auf dem Ralkan/ war die Lage eine andere. Selbst die;' Serben bezeichneten anfangs ihrej Landsleute mit dem Gewehr in der; Hand als „Komitadschi" (Freischärler) - bewußt, daß sie außerhalb des, Kriegsrechts standen. Erst später bür-j gerte sich unter sowjetischem Einfluß, die Bezeichnung „Partisanen" ein,; deren Befreiungskampf bei Gott kein, Triumph der Humanität war. Nach-/ zulesen bei Milovan Djilas.

Das Foto von der Geiseler-( schießung an der Friedhofsmauer von; Pancevo im Banat, das die Werbung, für die Ausstellung und die Titel einschlägiger Bücher ziert, hat auch sei-, ne Vorgeschichte: Mit der Mobilisie-j rung der jugoslawischen Armee wur-,[ den Führungskräfte der Volksdeut-/] sehen als Geiseln verhaftet - un<j, neun von ihnen in Pancevo erschos-i, sen, als die Wehrmacht nahte. Die fojj tografierte Exekution war dann die Vergeltungsmaßnahme dafür und ftu;, die Schüsse aus dem Friedhof, denen, zwei deutsche Soldaten zum Opfer fie len. Daß später mit dem Verhältnk 50:1 kriegsrechtlich gedeckte Maj nahmen zum Verbrechen wurden,,, steht auf einem anderen Blatt. 1 )afär, wurden auch etliche Generäle gfr, henkt.

Noch ein anderes Tableau der Schau: „Genickschüsse". Abgesehen davon, daß diese Exekutionsart nicht in Deutschland erfunden wurde -Genickschüsse gab es auch auf der Gegenseite: I )urch Genickschüsse hingerichtet wurden auch der deutsche Bürgermeister von Vrsac/Werschetz und seine Mitarbeiter nach der Ubergabe der Stadt an die Partisanen - mit nicht triftigeren Begründungen, als: sie von deutschen Standgerichten gebraucht wurden.

Keine Aufrechnung? Sicher nicht! Wladyslaw Bartoszewski sagt: „Nur; durch die barbarische Kriegsfühning Hitlers lassen sich die Gegenmaßnahmen der Alliierten verstehen, dieauch unmenschlich waren. Freilich (kann)I keine Unmenschlichkeit eine andere Unmenschlichkeit begründen.

Richtig - das muß aber auf allen Stufen der Eskalation gelten.

„Die Konzentration von Dokumenten des Schreckens ist nur ein Teil der Wahrheit", schreibt Kurt Wimmet „Moralische Empörung über Kriegsverbrechen ist berechtigt, gerechtfertigt ist aber auch die Forderung nach historisch exakten Methoden bei der Darstellung solcher Verbrechen.

Diese fehlen mir aber, wenn man versucht, das Objekt der Forschung losgelöst von seiner l imwelt - soweit, diese nicht in das vorgefaßte Konzept paßt - in einen luftleeren Raum zu' stellen und mit dem Holzhammet draufzuhauen. Das kann nur das Gegenteil des gewünschten Effekts erzielen.

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