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Honorare, Ärzte, Kassa

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Die Bloßlegung der Wurzeln des Honorarkonfliktes zwischen Ärzten und Krankenkasse mag eine Aufgabe sein, der sich gerne eine der beiden Seiten unterzieht, um so ihren, den vermeintlich richtigen Standpunkt der Öffentlichkeit mitzuteilen.

So erhofft man sich leichter den Sieg über den Gegner davonzutragen und ist der Meinung, daß es nun wirklich gelinge, im bekannten „Schwarzweiß “-stil dem anderen die Schuld zuzuschieben.

Und dennoch sind die Dinge nicht so einfach, auch wenn man als Arzt über den Konflikt berichtet. Die Wurzeln liegen tief, so tief, daß sie selbst von den Beteiligten nicht mehr richtig weiterverfolgt und erkannt werden. —

Es begann schon 1945.

Die damalige Honorarordnung sah ein sogenanntes „Pauschalsystem“ vor, das während des Krieges aus bestimmten Gründen eingeführt worden war. Es hat vielleicht in jener Zeit den Umständen entsprochen und wurde auch von den Kollegen damals ästimiert, als Geld keineswegs jene Bedeutung hatte wie etwa 10 bis 15 Jahre später.

Ihre Standesvertretung stand vor allen möglichen Problemen, teils legi-stischer, teils politischer Natur, und war mit vielen den unmittelbaren Nachkriegsinteresse mehr entsprechenden Dingen beschäftigt. Grundsätze waren nicht so interessant, die Beurteilung der Fragen erfolgte aus dem Aspekt des „Wer weiß, was morgen wird“. Es festigten sich somit Begriffe, die keinen Platz in Friedenszeiten hatten, und überdies stand die Standesvertretung einem Vertragspartner gegenüber, der erst kurz zuvor sein Recht auf Selbstverwaltung zurückerhalten hatte. Er benützte es auch sofort und begann mit dem Ausbau kasseneigener Einrichtungen, die heute als „Ambulatorium“ immer wieder umstritten sind.

Die legistische Grundlage stellte das sogenannte Sozialversicherungsüberlei-tungsgesetz dar. In einem vorläufigen Entwurf dieses Gesetztes tauchte damals der Begriff „Erfüllungshilfe“ auf, und die Ärzteschaft registrierte diesen Passus zwar mit höchstem Unwillen, doch weiter geschah nichts.

Inzwischen füllten sich die Universitäten mit Medizinstudenten in einem

bisher nie gekannten Ausmaß, und es war nur noch die Frage von mehr oder minder kurzer Zeit, wann diese jungen Ärzte auf den Plan treten und im Berufsleben neue Aspekte bilden würden. Und tatsächlich:

Ärzte in weißen Mänteln zogen auf die Straße und marschierten zunächst in Richtung des Sitzes ihrer eigenen Standesvertretung, weil diese an einem Gesetz arbeitete, das dem jungen Nachwuchs untragbare, wie man meinte, Verpflichtungen auferlegte.

Das Gesetz wurde dennoch mit einigen unwesentlichen Abänderungen beschlossen, und die Ärzte wurden in die Spitäler zur weiteren Ausbildung dirigiert. Diese Sache konnte somit zunächst ad acta gelegt werden. Die Erinnerung an die weißen Mäntel auf der Straße aber blieb. Es wollte es niemand wahr haben, aber es war etwas Unerhörtes, etwas gänzlich Neues geschehen.

Nein, man erkannte noch nicht, daß sich gewisse Normen unseres „bürgerlichen Lebens“ geändert hatten. Man wußte noch nicht, daß die Einstellung der Ärzteschaft eine andere wurde,

und man glaubte noch, daß Erfüllungshilfe und Marsch der Ärzte in keinerlei Zusammenhang stünden. Wie denn auch?

Und doch war es so. Die Abwertung des Akademikers hatte irgendwo in diesen Jahren des Übergangs zur Konjunktur begonnen. Man glaubte, die „Ware geistiger Arbeiter“ unterliege schließlich auch dem Gesetz von Angebot und Nachfrage, und der sich scheinbar abzeichnende vermeintliche Überschuß erlaube sowohl den Begriff „Erfüllungshilfe“ einerseits und jene hochfahrende Haltung der Spitalserhalter anderseits, die dem Begriff „Gastarzt“ bereits institutionellen Charakter beimaßen.

Diese Tatsachen stellen jenen Boden dar, auf dem sich all die Kämpfe der vergangenen Jahre und auch der jetzige bewegen. Die beiden diskriminierenden Wörter sind heute im Publikum fast vergessen; die Gefühlslage aber blieb. Im Unterbewußtsein trägt sie der fünfunddreißigjährige ebenso wie der sechzigjährige Arzt noch mit sich.

Nur ums Geld?

Was wollen nun die Ärzte wirklich?

Viele Menschen stellen sich diese Frage, aber nur wenigen wird sie beantwortet. Am schwierigsten aber ist es für einen Funktionär der Ärzteschaft, diese Fragen zu beantworten.

Wollen die Ärzte nur Geld? Oder steckt hinter dieser Forderung mehr als das? Wollen die Ärzte eine Auflösung der Krankenkassen? Haben sie irgendwelche „sozialpolitischen Ziele“ und. werden sie für etwas vorgeschoben, was andere eigentlich erreichen wollen?

Zunächst das Geld: Zweifellos, die Ärzte müssen mehr Geld für ihre Leistungen bekommen. Es ist untragbar, daß die Kassenärzte ein Honorar pro Patient bekommen, das international gesehen ein Bettel, mit dem erfahrenen Auge des Österreichers betrachtet, „chronisch“ zuwenig ist. Richtig, in diesem Kampf geht es um Geld. Es geht um die Änderung der Honorarordnung. Sie soll dem Arzt mehr Geld für die Leistungen, die er beim wirklich Kranken tätigt, bringen. Das heißt, diese neue von den Ärzten angestrebte Honorarordnung wird die „echte Leistung“ besser honorieren und den Arzt in eine „medizinischere“ Tätigkeit zurückführen. Diese Tatsachen sind der Öffentlichkeit noch zuwenig bekannt. Es wird immer nur von 65 Prozent gesprochen, die nebenbei sowieso völlig unrichtig sind. Es geht in der Debatte ganz verloren, daß die Ärzte diesmal nicht nur „quantitativ“ mehr wollen, sondern daß auch ein „Qualitätsfaktor“ in das Honorarsystem eingeführt werden soll.

Das ist aber die neue hoffnungsvolle Perspektive. Der Wunsch, daß diese

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