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HUBERT H. HUMPHREY / ZWEI SCHRITTE HINTER JOHNSON
In George Gershwins Musical „Of Thee 1 Sing”, einer 1931 entstandenen Satire auf das politische Leben in Washington, wurde auch die sprichwörtliche Anonymität eines Vizepräsidenten der USA mit treffsicheren Bonmots aufs Korn genommen. Der „Zweite Mann” galt lange als Mann im Schatten. Nun, die Zeiten haben sich grundlegend geändert, sollte man meinen, denn als auf dem Parteikonvent der Demokraten in Atlantic City Senator Hubert Horatio Humphrey als demokratischer Kandidat für den Posten des Vizepräsidenten nominiert wurde, fand er sich im Scheinwerferlicht der Weltöffentlichkeit, die wenige Stunden später den Ablauf der Versammlung auf dem Bildschirm verfolgen konnte.
Der Dreiundfünfzigjährige, den der Vorsitzende des Parteikonvents als „besten Mann für dieses Amt” bezeichnete, stammt aus einer kleinen Stadt im Staate South Dakota. Während der Wirtschaftskrise mußte er sein Studium der politischen Wissenschaften an der Universität von Minnesota unterbrechen. Erst 1940 erwarb er mit einer Arbeit über die Philosophie von Roosevelts „New Deal” den Titel eines Master of Arts. Nach kurzer Tätigkeit als Dozent entschied er sich für die politische Laufbahn. 1945, im Alter von vierunddreißig Jahren, wurde er Bürgermeister von Minneapolis, 1948 eroberte er dann erstmals in der Geschichte Minnesotas einen Senatssitz für die Demokraten. 1954 und 1960 wurde er wiedergewählt.
Der Aufstieg Humphreys zu seiner einflußreichen und führenden Position im amerikanischen Senat war nicht leicht. Wegen seiner liberalen Einstellung mußte er manche Widerstände überwinden, ehe er Eingang in den ,.inneren Klub” des Senats fand, und auch die älteren Senatsmitglieder erkannten, daß Humphrey ein Mann war, der die Fragen, mit denen er sich befaßte, sorgfältig studiert und ergründet hatte. Auch seine bedeutenden organisatorischen und diplomatischen Fähigkeiten fanden schließlich gebührende Würdigung. So wurde er bereits während seiner ersten Amtszeit als Senator in den Außenpolitischen Ausschuß gewählt, 1955 übernahm er den Vorsitz des Abrüstungsausschusses im Senat, zwei Jahre später trat er mit dem damals neuen Gedanken vor die Öffentlichkeit, daß ein Übereinkommen über ein Atomtestverbot möglich wäre, wenn man Mittel und Wege fände, um Atomexplosionen festzustellen.
1959 verabschiedete der Senat auf Humphreys Betreiben hin eine Resolution, in der ein „internationales Abkommen über die Einstellung der Atomwaffenteste in der Atmosphäre” befürwortet wurde, 1963 folgte unter entscheidender Beteiligung Hum phreys eine weitere Resolution und im gleichen Jahr ein Vertrag über ein begrenztes Atomtestverbot.
Doch das außenpolitische Wirken des Senators von Minnesota beschränkte sich nicht nur auf die Abrüstungsfrage. 195S war er das erste Kongreßmitglied, das in der Sowjetunion zu einer Aussprache mit Chruschtschow zusammentraf, wobei er die ersten Anzeichen einer Entfremdung zwischen Moskau und Peking feststellen konnte. Nach einem kurzen Zwischenspiel als Präsidenschaftskandidat bei den Vorwahlen von 1960 setzte er sich im Sinne des fair play eifrig für Kennedy ein. Die Wahl Humphreys zum Stellvertretenden Fraktionsführer der Demokraten im Senat brachte ihn in engsten persönlichen Kontakt mit Kennedy und Johnson. Und Johnson war es auch, der am 2. Juli dieses Jahres, anläßlich der Unterzeichnung des Bürgerrechtsgesetzes, Humphreys unermüdliche Bemühungen in dieser wichtigen innerpolitischen Frage würdigte, denn, so meinte er, ohne Humphreys Tatkraft wäre es nicht möglich gewesen, dieses Ziel zu erreichen …
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