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Hundert Jahre „Civiltä“

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Es war um die Mitte des vergangenen Jahrhunderts. Die italienische Halbinsel hatte die Unterdrückung der Revolution von 1848 erlebt, in der zugleich um unantastbare Menschenrechte gekämpft worden war wie um Abschaffung religiöser Institutionen, die in ihrem Wesen aller Problematik von Macht und Besitz entrückt waren. Der Drang nach Freiheit glaubte einzig in den geistigen Exponenten des Liberalismus und des Laizismus seine Anwälte gefunden zu haben, und diese wieder wußten sich geschickt die Anliegen der Masse zunutze zu machen, um zu ihren antikirchlichen Zielen zu gelangen. Dazu kam, daß eine verblendete monarchistische Reaktion sich über alle gegebenen Zusicherungen der konstitutionellen Freiheiten hinwegsetzte und zu den alten absolutistischen Ideen und zum System der Unterdrückung zurückkehrte. Der Journalismus, dieses „Kind der Französischen Revolution“, stand fast ausschließlich im Dienst der Verbreitung der „neuen Ideen“, erfüllt von agnozistischem Rationalismus bekämpfte er hemmungslos nicht nur äußere Institutionen, sondern selbst die ehrwürdigsten Traditionen der Religion und der Stäatskunst. Eindringlich wandte sich Papst Pius IX. am 20. April 1849 an die Bischöfe, um sie auf die Notwendigkeit hinzuweisen, sich im Kampf gegen die Feinde der-Kirche der Presse zu bedienen.

Die zeitweilige Ausweisung der Jesuiten im Jahre 1848 hatte auch mit sich gebracht, daß diese mit dem katholischen Leben des Auslands, vor allem Frankreichs, in Füh-

lung kamen. Dadurch angeregt, faßten nun zwei Jesuiten, P. Vasco und P. Curci, den Plan, durch die Gründung eines Blattes wirksam in den Kampf zugunsten des Papstes einzugreifen. Mußte der Gedanke des ersten, ein internationales Blatt ins Leben zu rufen, das für die gesamte katholische Welt die brennenden Tagesfragen behandeln sollte, wegen der offensichtlichen Schwierigkeiten der Durchführung aufgegeben werden, so war die Idee de zweiten bestimmt, verwirklicht zu werden: eine Zweiwochenzeitschrift, vor allem für die gebildete Welt, mit dem Zwecke, in allen Gegenwartsfragen die gesunden religiösen, sozialen und politischen Prinzipien und Lösungen aufzuzeigen und durchzusetzen.

P. Curci bemühte sich zunächst vergeblich bei den maßgebenden Stellen, für seinen Plan Sympathien zu gewinnen. Endlich vertraute er ihn dem damaligen Kardinalstaatssekretär Antonelli an; nach wenigen Tagen wurde Curci zum Papst gerufen und von diesem beauftragt, den Plan in die Tat umzusetzen. Das war im Dezember 1849. Obwohl der damalige General der Gesellschaft Jesu, P. Roothaan, sich mit diesem Unternehmen nicht befreunden konnte —- er fürchtete eine zu starke Beschäftigung mit der Politik, was sich ebenso ungünstig wie gefährlich für den Orden auswirken konnte —, so unterwarf er sich doch in bedingungslosem Gehorsam dem ausdrücklichen Wunsche des Papstes und setzte von jenem Tag an alles ins Werk, um das Gelingen des Unternehmens so vollkommen wie nur möglich zu sichern. Rasch wurden die geeignetsten Mitarbeiter zusammengerufen: sie kamen zum Teil vom Ausland, einer sogar aus Amerika zurück; im Februar 1850 hatte sich bereits die hauptsächliche Gruppe in Neapel, wo zunächst die neue Zeitschrift herauskommen sollte, versammelt. Nachdem vor allem dank der Großzügigkeit des Papstes ein Anfangskapital von etwa 2000 Gulden sichergestellt worden war, machte man sich gleichzeitig an die letzten Vorbereitungen und an die Werbung. Zu Ostern, am 6. April 1850, erschien die erste Nummer der „Civilti Cattolica“ in einer Auflage von 4200 Kopien; rasch hintereinander folgten von dieser ersten Nummer sieben Neudrucke. Die Auflage stieg ständig und erreichte 1853 die Zahl von 13.000 Kopien. Bereits im November 1850 mußte die neue Zeitschrift vor dem bourbonischen Despotismus, der Neapel beherrschte, nach Rom übersiedeln.

Für den gewaltigen Erfolg der „Civilti Cattolica“ war neben der ausgezeichneten Leistung ihrer hervorragenden Schriftsteller eine Reihe von äußeren Gründen maßgebend. Zunächst erkannten alle katholisch und papsttreu gesinnten Menschen in dieser Zeitschrift das Organ einfachhin, das den Gegnern von Religion und Papsttum nicht nur ebenbürtig, sondern überlegen war. Die besondere Gunst des Papstes, die sie als die Sprecherin des Vatikan erscheinen ließ, trug entscheidend dazu bei, das Vertrauen aller Katholiken auf dieses Blatt, das immer wieder als Kampfblatt auftreten mußte, zu vertiefen. Die gegnerische Presse leistete der „Civilti Cattolica“ durch ihre erbitterten und mafiosen Angriffe wertvolle Propagandadienste. Die in ihrer Treue zu Papst und Kirche den verschiedenen politischen Strömungen Italiens gegenüber unparteiische Haltung de Blattes brachte es nicht selten mit sich, daß es von beiden Seiten befehdet wurde: von den Revolutionären des Nordens ebenso wie von den Absolutisten des Südens oder, wie erst in der letzten Vergangenheit, von den radikalen Antifaschisten ebenso wie von den fanatischen Faschisten. Selbst die bedeutendsten Exponenten des italienischen „Risorgimento“ glaubten, in jeder Weise das neue Blatt beschimpfen zu müssen. Ein Gioberti nannte es „ein Tagebuch von Betschwestern und Jesuiten, die unter den Bösewichten die schlimmsten sind“..

Ein besonderes Verdienst erwarb ich die neue Zeitschrift durch ihr unbeirrtes Eintreten für die Restauration der Thomi- stischen Philosophie, da schließlich durch das Rundschreiben „Aeterni Patris"Leos XIII. vom 4. August 1879, in dem diese für alle kirchlichen Studien al die Philosophie einfachhin erklärt, gekrönt wurde.

Als die „Civilti Cattolica“ vom Oktober 1868 an — also unmittelbar vor dem Vatikanischen Konzil — die Frage der Dog- matisierung der Unfehlbarkeit des Papstes aufwarf, um sich selbstverständlich zu ihren Gunsten zu erklären, wurde sie zur Zielscheibe der schärfsten Angriffe vor allem französischer und deutscher Gegner der Dogmatisierung; die Fehde fand erst mit der Konzilentscheidung ein Ende. Schon Jahre vorher hatte die schriftstellerische Arbeit der Zeitschrift die Atmosphäre für die Dogmatisierung der Unbefleckten Empfängnis vorbereitet.

Seit ihrer Gründung hat die „Civilti Cattolica“ für die Wahrheit gegen alle Irrtümer gefochten: ob es sich nun um den antiklerikalen Rationalismus handelte oder den absolutistische Despotismus; um den marxistischen Sozialismus oder den liberalen Modernismus; um die Probleme des Lateran Vertrags oder um die Richtigkeit der Atlantik-Charta — immer war sie ich ihres Auftrags und ihrer Verantwortung bewußt, die Stimme und das Urteil des Papstes darzulegen und zu verbreiten. Immer hat sie sich auch — von Pius IX. bis zu Pius XII. — der besonderen Gunst des Papstes erfreut. „Mehr als bloß eine Zeitschrift — schreibt Antonio Mes- sineo S. J. in der Festnummer vom 2. April 1949 — ist sie eine Institution, die vom Heiligen Stuhl gewünscht und geschaffen und in seinen ausschließlichen Dienst gestellt wurde, zur Verteidigung der gesunden Lehre und der Rechte der Kirche pro catho- licae religionis et huius Sanctae Sedis defen- sione (zum Schutz der katholischen Religion und des Heiligen Stuhles), und ihre Mitglieder, die einem besonderen inneren Statut unterstellt sind, sind dazu bestimmt, einzig und allein und mit allen ihren Kräften, omnem eorum operam, industriam ac Studium impendere (alle ihre Mühe, ihren Fleiß und ihr Studium dazu zu verwenden), um dieses Ziel zu erreichen, wie es Pius ’X. in seinem Gründungsbreve ausgesprochen hat." Durch hundert Jahre hindurch hat di „Civilti Cattolica" in ihrem Bestand die Geschichte der Kirche und im besonderen des Papsttums widergespiegelt.

In den letzten Jahren hat ein großer Kreis von Gebildeten, die sich als Leser um die Zeitschrift sammelten, „Die Freunde der Civilti Cattolica", ihre Wirkkraft durch Steigerung der Zahl der Leser wie durch intensivere Durchdringung der gebildeten Welt noch gewaltig gesteigert. Sie waren es auch, die vor allem die ersten Erfolge des heute so berühmten Pater Lombardi an den italienischen Universitäten ermöglichten. Und es ist wohl kein Zufall, sondern ein starkes Symbol für die Fruchtbarkeit der „Civiltl Cattolica“, daß an ihrer Jahrhundertwende einer ihrer Größten — wenn nicht der Größte — ganz Italien (und nicht nur

Italien!) in seinen Bann zieht und über die Grenzen der gebildeten Welt hinaus das ganze Volk erschüttert und begeistert. Denn P. Riccardo Lombardi gehört zum Schriftstellerkreis der „Civiltl Cattolica“. —

Die „österreichische Furche“ beglückwünscht die „Civiltl Cattolica“ zu diesem Säkulum, das für sie niemals ein Altern, sondern immer neue Jugend gebracht hat; sie erkennt in ihr,' mag auch in manchen zweitrangigen Fragen di Zielsetzung verschieden sein, die ältere Schwester, die reif und blühend und stark die Schwelle des ersten Jahrhunderts überschreitet, um einer neuen entgegenzugehen; und sie schöpft aus dieser Säkularfeier das Vertrauen zu ihrem eigenen Weg.

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