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Hunderttausende bejubeln Franco
Die Münchner Zusammenkunft boi Madrid nun die erwünschte Gelegen' heit, einen Appell an die wankender Regierungsanhänger zur Einigung zi richten. Dieser Aufgabe vor allen dienten der jüngste Besuch des Gene' ralissimus in Valencia und seine dabe gehaltenen Reden. Dabei war es un-nötig, daß der Staatschef München ausdrücklich erwähnte oder irgendwelch< Aufklärungen gab. Jene, an die er siel richtete, verstanden vollauf, worum « ging, wenn der Caudillo auf die Bedrohungen durch die „Feinde Spaniens“ schlechthin hinwies, wenn er die unleugbaren wirtschaftlichen Errungenschaften hervorhob und durch Einweihungen demonstrierte; wenn er soziale und politische Experimente ablehnte, um den ökonomischen Aufstieg nicht zu gefährden, wenn er erklärte daß sein Staat den Demokratien nocl einmal als Vorbild dienen werde unc die Unruhen im Land von Neiden jenseits der Grenzen hervorgerufer worden seien, kurz, daß sich nichts Wesentliches ändern dürfe. Jubelnder Beifall von Hunderttausenden war die Antwort, und es wirkte eindrucksvoll, als eine Viertelmillion Menschen auf dem „Caudillo-Platz“ zu Valencia die lange nicht mehr gehörte Falange-hymne „Cara al so“ („Auf, das Gesicht zur Sonne“) sangen.
Gewiß sind diese Veranstaltungen organisiert, die Teilnahme daran aber keinesfalls erzwungen. Der Ruf „Regime in Gefahr!“ wurde von denen, die er anging, gehört und verstanden. Die pausenlose Propaganda in Presse und Rundfunk, die zumeist von der Nationalbewegung veranstalteten Treuekundgebungen für den Generalissimus, das Auftreten Francos selbst in Valencia hatten vollen Erfolg, und in die zerfahrenen Reihen des Regimes ist wieder Ordnung gekommen.
Das beweisen nicht etwa nur die offiziellen Veranstaltungen, sondern lehrt uns das Fazit aus Gesprächen mit Spaniern verschiedenster sozialer Schichten in diesen Tagen. Gut die Hälfte der Befragten reagierte so, wie he Staatslenkung es erwartete, und verwarf jegliche Änderung der Verhältnisse. Selbst der emigrierte Thronprätendent Don Juan mußte seine liberalen Anhänger desavouieren und sich indirekt zum Regime bekennen. Der indere Teil des Volkes aber ist zwangsweise stumm wie seit 23 Jahren.
Mancherorts meint man jedoch, die leue bürgerliche Emigration könne s-anz andere Kreise gegen Franco mobilisieren als die bisherigen sozialistischen Flüchtlinge. Doch abgesehen von der Schwäche der demokratischen Opposition, steht dem entgegen, daß in vielen Demokratien das Interesse an einer wirtschaftlichen Verbindung mit Spanien sehr groß ist. Darauf sei es vor allem zurückzuführen, meint man hier, daß die Resolution C.i Spanier in München auf Intervention angeblich der deutschen Regierung und ihrer diplomatischen Vertretung in Madrid nicht in der Entschließung des Europakongresses erwähnt, sondern bloß mit Applaus bedacht wurde. Fers- ner erfuhren wir selbst von Vertretern großer europäischer und amerikanischer Wirtschaftsunternehmen in Spanien, daß sie die Streiks wie die jüngsten politischen Vorkommnisse als bedeutungslose Zwischenfälle ansehen, die ihr ökonomisches Interesse an Spanien nicht beeinflussen. Auch darin sehen manche Beobachter eine Parallele zu 1946/47, da damals wohj nicht wirtschaftliche, jedoch strategische Projekte schärfste Maßnahmen gegen Spanien verhinderten.
Doch wenn das Regimelager jetzt auch wieder viel gefestigter ist als vor kurzem, stehen ihm einige Kreise, die es vor 15 Jahren noch bedingungslos unterstützten, heute reserviert, manche sogar ablehnend gegenüber. Dazu gehört ein kleiner, aber einflußreicher Teil der hohen Militärs, dazu gehören aber besonders mehrere Kirchenfürsten, die, sich in offenem Widerspruch zur 1 RV^ertfrtt h .sozial«? ifird gewerk-| sc“rMfts^oÄhen Fragin befinden
Es ist bekannt, mit welcher Energie sich der Kardinal-Primas Pia y Deniel für die an den Streiks beteiligten „katholischen Arbeiterbruderschaften“ (HOAC) einsetzt. Der Kardinal hat nun in dem neuen Nuntius Monsignoire Riberi einen Verbündeten gefunden. Der Vertreter des Papstes lehnte es ah, sich zur Übergabe seiner Beglaubigungsschreiben an den Generalissimus in der Staatskarosse, umgeben von Francos Leibgarde, abholen zu lassen, und fuhr schlicht im Auto vor. Weiter galt ssin erster offizieller Empfang der Katholischen Aktion, deren verschiedene Gliederungen er alle als der Kirche gleich lieb und in Übereinstimmung mit den Lehren der Päpste befindlich bezeichnete, was eine Rechtfertigung der HOAC ist. Ferner mußte der regimetreue Bischof von Madrid auf Msgr. Riberis Wunsch hin den durch ihn von seinen wichtigsten geistlichen Funktionen enthobenen kirchlichen Beirat der HOAC wieder in seine Rechte einsetzen.
Das Regime hat also in den letzten Tagen durch das geschickte Ausnützen des Vorfalls von München in seinen eigenen Reihen erheblich an Terrain gewonnen. Kräfte aber, auf die es sich vor 15 Jahren noch blindlings hätte verlassen können, stehen in Gegnerschaft zu ihm, und diese Opposition ist es, nicht aber die einiger Neuemigranten, die ihm trotz lautesten Stimmaufwands ernste Sorgen bereiten.
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