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Ibis und Riesenmuschel

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Eine alte chinesische Überlieferung der Periode der kämpfenden Staaten erzählte vom Kampf zwischen dem Ibis und der Riesenmuschel, wobei der Fischer dann gewinnt, indem er die beiden fangen kann. Wer wird der Fischer sein im Kampf zwischen den Chinesen und Russen? Harrison E. Salisburys Buch über den möglichen Krieg zwischen den roten und gelben Zaren erscheint ganz zeitgerecht. Von geschäftlicher Hinsicht muß es ein Bestseller sein, nachdem „Der Spiegel“ auch einen Vorabdruck machte.

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Eine alte chinesische Überlieferung der Periode der kämpfenden Staaten erzählte vom Kampf zwischen dem Ibis und der Riesenmuschel, wobei der Fischer dann gewinnt, indem er die beiden fangen kann. Wer wird der Fischer sein im Kampf zwischen den Chinesen und Russen? Harrison E. Salisburys Buch über den möglichen Krieg zwischen den roten und gelben Zaren erscheint ganz zeitgerecht. Von geschäftlicher Hinsicht muß es ein Bestseller sein, nachdem „Der Spiegel“ auch einen Vorabdruck machte.

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Eigentlich braucht man die chinesisch-russischen Reibungen in der letzten Zeit gar nicht als sensationell zu betrachten, denn ein solcher Kleinkrieg längs der Grenze existiert bereits seit über 50 Jahren, so alt wie die Geschichte der Sowjetunion selbst, die sich natürlich als einen friedlichen Staat bezeichnet, obwohl der weißrussische Imperialismus und rotrussische Imperialismus bezüglich der Chinapolitik keinen großen Unterschied aufweisen. Wer die Geschichte dieses Kleinkriegs aus chinesischen Quellen kennt, weiß nur zu gut, daß die Freundschaft der beiden nur ganz zeitweilig ist. Dies wußte man bereits 1949, als Mao Tse-tung seine Politik der „einseitigen Anlehnung an Moskau“ verkündete.

Auch in der Periode der Kuomintang-Regierung gab es ununterbrochen kleine Grenzkriege am Amur und Ussuri, in der Mongolei und in Sinkiang. Ob man nun vom Standpunkt der Russen oder Chinesen aus sieht, ist die Frage einerlei: Machtpolitik. Für den Zweck kann man immer Gründe finden. Die Machthaber haben genügend Juristen und Historiker! Leider ist China für Rußland ein bißchen zu groß, sonst hätte Moskau sicher sehr gern einige „Bessarabien“, wie Rumänien, von China herausgeschnitten. Der Fluß des Schwarzen Drachen (russisch: Amur, chinesisch: Hei-lungkiang, mandschurisch: Sakhaln Ola) ist auf jeden Fall keine gerechte Grenze, denn die chinesische Grenze in diesem Abschnitt verlief einst bei den Gebirgen Stanowoi und Jablo-nowi bis zur Baikal-See! Es ist nun deshalb unwichtig, ob Mao ein Kommunist ist oder nicht. Wenn er einer ist, muß er sich fest an das Versprechen Lenins nach 1918 halten, die Verluste Chinas (durch das zaristische Rußland) zurückzugeben. Wenn Mao kein Kommunist ist, dann hat er eben mehr Recht, dies zu fordern.

Die Landkarte von einem gewissen Liu Pei-hua, den der Verfasser auf der Seite 112 unter dem Subtitel „Boden und Bedarf“ erwähnte, ist auch keine Sensation. Auch in China unter der Kuomintang-Herrschaft und heute auch in Taiwan zeichnete man auch die alte chinesische Staatsgrenze genau wie bei den Genossen in Peking.

Bei der Beurteilung der chinesischen Fragen gerät man sehr leicht und gefährlicherweise in den Sog der alten reaktionären und rassistischen Theorie der sogenannten „gelben Gefahr“, der sich Moskau derzeit auch bedient.

Tut Salisbury dies auch? Diese Frage scheint wichtiger zu sein als die Frage, ob ein Krieg — Salisbury meint natürlich den großen totalen Kr'^g — zwischen Peking und Moskau kommen wird, denn der Krieg, wie bereits erwähnt, existiert bereits seit langem. Nun sieht die Frage etwas anders aus, nachdem China erwiesen hat, daß es imstande ist, vernichtende Waffen zu erzeugen. Diese Gefahr gilt in der ersten Linie für die Sowjetunion. Werden die USA der gewinnende Fischer sein? Oder Europa, das sich durch das Engagement Moskaus im Fernen Osten endlich in Freiheit vereinigen kann?

Es gibt eine Reihe Bücher, von Chinamissionaren verfaßt, meist die persönlichen Erfahrungen darstellend, mit melancholischen, ja traurigen Tönen. Zum Beispiel „Zwischen Lotusblüten und Gobistaub“ von Schwester Anna Schönleber, „The Enemy Within“ von Pater Parymond J. de Jaegher und Schwester Irene Corbally Kuhn...

Die Geschichte der Chinamission wurde jedoch selten systematisch erwähnt. Das Buch von Pater Dr. Hubert Gundolf, eingeleitet ebenfalls mit seinen eigenen Erlebnissen, schildert auch die historischen Vorgänge im Stil der Rückblendung, wie das Christentum ins Reich der an sich religionslosen Chinesen eindrang und nach soviel hundert Jahren schließlich zum Scheitern verurteilt wurde.

Die Niederlage des christlichen Versuchs in China liegt freilich darin, daß die Chinesen hinsichtlich ihrer Welt- und Lebensanschauung nicht durch die Missionen „umfunktioniert“ werden konnten. Es fehlte für China ein Cyrillius, der, wie bekannt, die einst heidnischen Slawen christianisierte. Das Christentum bleibt nach 1000 Jahren in Polen standhaft, was auch die Kommunisten respektieren müssen.

Das sagenhafte Reich des Priesterkönigs Johannes in Asien bleibt jedoch ein Wunschtraum, Matteo Ricci konnte die Chinesen, trotz seiner klugen Taktik, wobei er den Ahnenkult der Chinesen respektierte, nicht aus ihrem — im buchstäblichen Sinne — gottlosen Zustand herauslocken. Eine der Wurzeln liegt in der grundverschiedenen Kultur der Chinesen im Vergleich mit dem Abendland Auch von Anfang waren die Chinesen den westlichen Missionaren gegenüber mißtrauisch, die mit einem Superioritätskomplex nach China kamen, um den armen gelben Wesen zivilisierte Sitten und Religion beizubringen. Zum Unterschied zu den zivilisatorisch schwächeren Indianern in Lateinamerika, stießen die europäischen Erlöser auf starken kulturellen Widerstand in China. Eine Lektüre dieses Geschichtsbuches so kann man es wohl bezeichnen wird einem wahrscheinlich nur die Entwicklung bisher klarwerden lassen. Niemand kann jedoch eine Antwort geben, wie die Zukunft des Christentums in China ausschauen wird. Auch Exzellenz Carlo van Melckebeke, Apostolischer Visitator für China, empfiehlt nur das Gebet, das das Regime Maos vorläufig auch nicht zu ändern imstande sein wird.

KRIEG ZWISCHEN RUSSLAND UND CHINA. Von Harrison E. Salisbury. Fischer-Verlag, Frankfurt, DM 16.—.

CHINA ZWISCHEN KREUZ UND DRACHEN. Von Hubert Gundolf. Verlag St. Gabriel. S 198.—.

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