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„Ich rätsle, warum die USA das veröffentlicht haben"

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dieFurche: Warum wurden die Waffen von den Amerikanern in Österreich „vergessen" und nicht nach dem Abzug den Österreichern ubergeben' Wenn das dem Schutz Österreichs dienen sollte, ist es dann nicht widersinnig, das einfach zu vergessen?

Manfried Rauchensteiner: Ich weiß es nicht, was der Grund dafür gewesen ist, ob das irgendwo in der Geschwindigkeit des Abzugs passiert ist oder ob es wohlweislich vergessen worden ist, ich habe keine Ahnung.

dieFurche: In einem „Spiegel"-Interview haben Sie gesagt, daß wir in Österreich auf einer riesigen Munitionskiste sitzen (Spiegel SJ1996).

Rauchenstiner: Das sind nicht alles amerikanische Waffen. Ich darf daran erinnern: Ich sitze im Arsenal in einer Gegend, die in der Zwischenkriegszeit das bedeutendste Waffenlager gewesen ist. Da hat man für Zehntausende Infanteriewaffen eingelagert gehabt, um sie vor dem alli-lertefc Zugriff zu bewahren und die Privatarmeen auszurüsten. Die ganzen paramilitärischen Formationen winden damit aufgerüstet und aufgebaut. Insofern ist die Situation nach dem Zweiten Weltkrieg nur noch einmal dupliziert und verzehnfacht. Weil zunächst einmal entsorgen die Deutschen, indem sie wegschmeißen und soundsoviele nehmen sich halt etwas mit - das war nun einmal so -und haben das dann schnell vergraben. Man hat natürlich, als die Russen und die Amerikaner affichiert haben, der Besitz von Waffen ist strengstens verboten und wird mit dem Tod bestraft, nicht sehr viel Lust gehabt, die Dinge direkt bei sich zu hüten. Das nächste ist, die Alliierten entsorgen im großen Stil. Wir haben Fotos, wo die Engländer deutsche, Kriegsgefangene dazu verwenden, um tonnenweise Waffen, Munition in den Wörthersee zu kippen, in viele andere Seen ebenso.

dieFurche: Das ist noch auffindbar?

Rauchenstiner: Das liegt sicher noch auf dem Grund von Seen. Nur bitte, ja nicht hingehen. Es hat schon mehrere lote gegeben. Hier möchte ich insofern eine Rolle spielen, wenn ich sage: Nehmen wir das aus dem Bereich des Abenteuers heraus.

dieFurche: Durch die Vorgangsweise der Amerikaner bei der Bekanntgabe von Waffenlagern hat das ganze erst einen abenteuerlichen Touch bekommen Dazu kommt noch die politische Deutung im Zusammenhang mit unserer Neutralität Wie sehen Sie das?

Rauchensteiner: Es kommt sehr stark darauf an, wann diese Sachen vergraben worden sind. Wenn das, wie es den Anschein hat, in der Besatzungszeit geschehen ist, dann ist damit, nach meinem Dafürhalten, keine Neutralitätsgefährdung da?

dieFurche: Wozu will man das jetzt überhaupt auffinden?

Rauchensteiner: Da rätsle ich. Ich weiß nicht, was die Amerikaner wirklich bewogen hat, das jetzt plötzlich aufzugreifen und in der bekannten Weise an Österreich gelangen zu lassen. Im übrigen haben wir Stillschweigen vereinbart, was dia Arbeit der Kommission betrifft.

dieFurche: Kann man behaupten, daß die Waffenlager auf Wunsch der damaligen österreichischen Regierung angelegt wurden?

Rauchensteiner: Das ist nicht geklärt. Ich denke, daß das eine oder andere sehr wohl in Absprache mit österreichischen Regierungstellen gemacht worden ist. Anderes ist in Absprache mit anderen Persönlichkeiten geschehen, wir haben mindestens drei oder vier, die wir dabei berücksichtigen müssen - etwa Gewerkschaftsfunktionäre wie Franz Olah. Dann gibt es die mehr oder weniger offiziellen Bewaffnungsschritte.

dieFurche: Peter Gosztony (siehe oben) meint, das hänge mit der US-Strategie zusammen, Westeuropa für einen antikommunistischen Guerillakriegauszurüsten Hat diese These etwas für sich?

Rauchensteiner: Ich würde sie dann nachvollziehen, wenn ich Dokumente dazu hätte. Ich habe derartiges nie gesehen. Es mag schon sein, daß das irgendwo in den diversen Kriegsspielen eine Rolle gespielt hat. Die Frage der Dimension ist etwas, was uns sehr wohl zu beschäftigen hat. Bei den in den 60er und 70er Jahre gemachten Entdeckungen gab es ein einziges Lager mit einer größeren Anzahl von Hand- und Faustfeuerwaffen, sicherlich nicht, um 100 Leute damit auszurüsten; alles andere scheint sehr klein zu sein. Wer sollten die Guerillakämpfer sein, ich kann es mir nicht vorstellen.

dieFurche: Sollen wir den Amerikanern dafür dankbar sein, wie manche Kommentatoren meinen?

Rauchensteiner: Wenn es in der Zeit der späten 40er, Anfang der 50er Jahre passiert ist, dann ist es etwas, was wir heute noch als einen sinnvollen Schritt der Amerikaner zur Wiedererlangung der österreichischen Souveränität sehen können, oder auch nicht. Wenn wir das tun, ergeben sich daraus sofort alle anderen Schritte:

Dann muß man regelrecht dankbar sein, zumindest kann ich das einmal verstehen und mit einem gewissen Wohlwollen sehen. Auf der anderen Seite ist natürlich einiges dran, was einen irritiert.

dieFurche: Eben Warum hat man das nicht den Österreichern offen übergeben, wenn man ihnen helfen wollte?

Rauchensteiner: Ich weiß es nicht.

Das Gespräch

mit dem Kommissionsmitglied zur Klärung der Vorgänge um die geheimen US-Waffendepots in Österreich, dem Direktor des Heeresgeschichtlichen Museums im Wiener ArsenalMAnfried Rauchensteienr, führte Franz Gansrigier.

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