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Ignoriert oder totgeschwiegen?

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Der altkatholische Bischof in Österreich, Bernhard Heitz, zur Ökumene: „Wir sitzen gemeinsam in einem Boot.”

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Der altkatholische Bischof in Österreich, Bernhard Heitz, zur Ökumene: „Wir sitzen gemeinsam in einem Boot.”

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DIEFURCHE: Vor 125 Jahren ist die Altkatholische Kirche entstanden Was war der Anlaß?

Bernhard Heitz: Wir haben auf dem Ersten Vatikanischen Konzil das Dogma über den unfehlbaren Primat des Papstes nicht anerkannt. Denn dieses ist mit der Heiligen Schrift und mit der Tradition der Kirche nicht vereinbar. Ich bin fest davon überzeugt, daß die Anliegen des Kirchenvolks-Begehrens eng mit dieser Frage zusammenhängen.

Wir wollen ein Zeugnis von der alten, katholischen Kirche sein. In der Urkirche gab es demokratische Ent-scheidungsprozesse. Es hat nicht eine zentrale Stelle bestimmt, sondern die einzelnen Ortskirchen waren selbständig. Wie damals wählen die Altkatholiken ihren Bischof selbst. Ich will Rom keine Vorschriften machen, doch die Rückkehr zu den Quellen könnte ein Anstoß sein. Das Kirchen-volks-Begehren ist zutiefst jesuanisch. Ich finde es bedenklich, daß das Kirchenvolk überhaupt solche Dinge ein -mahnen muß.

DIEFURCHE: Wirum kamen zu Ihrer Bischofsweihe vor einem Jahr keine hochrangigen Vertreter der römischkatholischen Kirche? HEITZ: Das Fernbleiben hatte kirchenpolitische Gründe. Das Interdikt gegen die altkatholische Kirche wurde zwar mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil aufgehoben, doch in der Praxis gibt es Schwierigkeiten. Es ist schade, daß die römisch-katholische Kirchenstruktur die Gewissensfreiheit eines Menschen noch immer nicht achtet. Im Kirchenrecht heißt es, daß ein ehemals römisch-katholischer Priester immer römisch-katholisch bleiben muß. Ich war früher Be-demptorist und bin nach reiflicher Überlegung Altkatholik geworden. Konkreter Anlaß meines Ubertrittes war in den siebziger Jahren der Umgang des Vatikans mit kritischen Theologen. Daneben hat auch das Zölibat eine gewisse Rolle gespielt. Wer die Gewissensentscheidung nicht achtet, kränkt sich selbst.

DIEFURCHE: Wie ist das Verhältnis zwischen der römisch-katholischen Kirche und den Altkatholiken? heitz: Wir sind die kleine Schwester der römisch-katholischen Kirche; eine Art Stachel, der manchmal unbequem ist. Zuweilen haben Altkatholiken das Gefühl, daß wir ignoriert oder totgeschwiegen werden. Das Verhältnis könnte offener sein.

Ich möchte dies nicht konkret an Personen und Ereignissen festmachen. Doch von meinen römisch-katholischen Amtskollegen würde ich mir wünschen, daß sie zum Beispiel alle meine Briefe inhaltlich beantworten. Daß wir nicht übergangen werden. Daß sie über uns auch so positiv sprechen können, wie wir es über sie tun.

DIEFURCHE: Wie wirkte sich der Beitritt der römisch-katholischen Kirche in den Ökumenischen Rat aus? heitz: Es war ein Meilenstein. Denn es gab in der römisch-katholischen Kirche gerade in den letzten Jahren restaurative Tendenzen. Doch jetzt stehen wir am Anfang eines neuen Aufbruchs. Abgesehen von Bischof Krenn gibt es in der römisch-katholischen Kirche derzeit mehrheitlich Oberhirten, die für die Ökumene eintreten. Bischof Krenn tritt dagegen für eine Rückkehr-Ökumene ein.

Der nationale Kirchenrat lernt ja auch aus Fehlern. Ökumenische Verstimmungen wie bei den diesjährigen

Republikfeiern soll es künftig nicht mehr geben. So ist eine Projektgruppe vorgesehen, die ökumenische Initiativen anläßlich der Millenniumsfeiern 1996 plant. In zwei Jahren wird in Graz die Zweite Europäische Ökumenische Versammlung abgehalten.

DIEFURCHE: Warum gab es bisher keine gemeinsamen Stellungnahmen des Kirchenrates zu gesellschaftlichen Entwicklungen?

Heitz: Wir tagen nur zweimal im Jahr. Vielleicht könnte man ein Präsidium schaffen, das öfters Stellungnahmen zu wichtigen Themen abgibt. Gerade in der Ausländerfrage, im Eintreten für die sozial benachteiligten Menschen, im Engagement für die Umwelt und die Bewahrung der Schöpfung sollten wir gemeinsam auftreten.

DIEFURCHE: Wie wirkte sich der „Fall Groer” auf Ihre Kirche aus? heitz: Wir haben mitgelitten und mitgebetet, daß die Kirchen in unserem Land wieder glaubwürdiger werden. Das Leiden der römisch-katholischen Kirche war auch unser Leiden . Wir sitzen ja gemeinsam in einem Boot. Keine andere Kirche hat diese Situation ausgenützt und sich des „Schafestehlens” schuldig gemacht.

DIEFURCHE: Ist Ihre Kirche ein Sammelbeckenfür enttäuschte römisch-katholische Christen?

Heitz: Sicher nicht. Es macht mich jedoch froh, daß 60 Prozent der Mitglieder der römisch-katholischen Kirche in wichtigen Glaubensfragen mit unseren Anliegen sympathisieren. Wir machen keine Werbefeldzüge, nehmen aber jeden Menschen mit offenen Armen auf, der zu uns kommen möchte. So traten hierzulande in diesem Jahr bislang etwa 150 bis 200 Leute ein. 80 Prozent von ihnen stammten aus der römisch-katholischen Kirche. Ob ihr Austritt mit Kardinal Groer zu tun hatte, kann ich nicht sagen

DIEFURCHE: Sind Sie mit der Vereinigung „Priester ohne Amt” in Kontakt? heitz: Ich wurde von diesen Geistlichen öfters zu Vorträgen eingeladen. Manche von ihnen äußerten den Wunsch, altkatholisch zu werden. Doch leider sind unsere Möglichkeiten begrenzt. Wir müssen die Priester ja auch bezahlen können. In diesem Jahr ist einer von ihnen altkatholisch geworden. Wenn unsere Kirche größer und reicher wäre, könnten wir sicher mehr aufnehmen. Derzeit stehen in Österreich 12 Priester für nur 18.300 Altkatholiken zur Verfügung. Ich habe einen Brief an den Vorsitzenden der römisch-katholischen Bischofskonferenz geschrieben und ihm gesagt, dieses Anliegen darf ich auch Ihnen ans Herz legen. Mein Schreiben wurde in der Sache nicht beantwortet.

DIEFURCHE: Wann weihen Sie Frauen zu Priesterinnen?

Heitz: Unsere Synode in Wien faßte im Jänner 1995 einen entsprechenden Beschluß. Gleichzeitig ging ein Appell an die Internationale Bischofskonferenz der altkatholischen Kirche, mit den anderen christlichen Kirchen darüber zu beraten. Dieser Prozeß soll in zwei Jahren abgeschlossen sein. Unabhängig wie die Entscheidung ausgehen wird, werden wir in Österreich dann Priesterinnen weihen, sollte dies von einer Gemeinde beantragt werden.

DIEFURCHE: W%s wünschen Sie sich von Ihren Gemeinden?

Heitz: Nur 20 Prozent unserer Mitglieder sind praktizierende Christen. Ich bin daher mit dem derzeitigen Zustand der altkatholischen Kirche nicht zufrieden. Es geht unseren Gemeinden nicht gut. Wie könnte es ihnen gut gehen, wenn in dem Gebäude, an dem wir alle lebendige Bausteine sind, soviele Bausteine fehlen? Wir müssen aufpassen, daß unser Haus nicht zusammenfällt. Das Gemeindebewußtsein muß verstärkt werden. Viele Mitglieder haben sich verlaufen und tun nicht mit. Wir arbeiten daran, die Gemeinden von innen her mit Spiritualität zu füllen.

Ich(habe angeregt, daß in Wien ein altkatholisches Gotteshaus immer geöffnet bleibt, und daß dort jeden Tag ein Gottesdienst gefeiert wird. Wir haben also dieselben Probleme wie die anderen Kirchen.

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