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Illusion der ungeteilten Hauptstadt
Mit den durch die Eröffnung eines Tunnels ausgelösten Unruhen hat der Kampf um den Status Jerusalems früher als geplant begonnen.
Mit den durch die Eröffnung eines Tunnels ausgelösten Unruhen hat der Kampf um den Status Jerusalems früher als geplant begonnen.
Es war bei Ausgang des Versöhnungstages Jörn Kippur, an dem die Juden all ihre im vergangenen Jahr gemachten Sünden vor Gott beichten: In den späten Abendstunden begaben sich einige Dutzend Menschen, von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und Bürgermeister Ehud Olmert angeführt und von einer großen Polizeieskorte bewacht, in die Via Dolorosa in der Jerusalemer Altstadt, um der Eröffnung des Tunnels, der unter der Altstadt entlang der Tempelmauer in Bichtung Klagemauer verläuft, beizuwohnen. Es handelt sich um einen teilweise natürlichen Wasserkanal, der vor über 2000 Jahren ausgebaut und gegraben wurde, um Wasser in die damalige Unterstadt zu leiten. Fast jedes Jahr seit 1987 wurde der Vorschlag gemacht, den lange verschütteten und später wieder aufgegrabenen Tunnel zu öffnen - doch jedesmal sah man davon ab. Nun kam der Anstoß von einer ultrarechten religiösen Gruppe, und Netanjahu biß auf Anraten seiner eigenen Leute - professioneller Ja-Sager - den Köder an. Der Funken genügte, das Feuer griff um sich. Den
Moslems ging es nicht um den unwichtigen Tunnel, der nichts von Heiligkeit hat, und auch nicht, wie Netanjahu behauptet, eine der Grundfesten der jüdischen Beligionen ist. Aber die gesamte moslemische Welt sah sich angegriffen.
So begann bereits früher als geplant der Kampf um Jerusalem. Im Parlament sind schmetternde Beden, insbesondere der Rechtsparteien, zu hören: „Das ewige Jerusalem, die Hauptstadt der Juden, seit biblischen Zeiten”, „Jerusalem wird niemals geteilt werden”, „die vereinte Stadt” und so weiter. Doch keiner dieser Redner war wohl während der letzten Jahre ohne strenge Polizeibewachung in Ostjerusalem. Für die jüdische Jugend Jerusalems ist der Ostteil nur ein Alptraum, keiner will sein Leben riskieren. Wenn Juden die Altstadt passieren, so tun sie es fast ausschließlich, um die Klagemauer zu erreichen. Jerusalem ist genau das Gegenteil einer vereinten Stadt.
Israel anerkennt nur ein vereintes Jerusalem, die Hauptstadt des Judenstaates. Die Palästinenser hingegen sprechen nach wrie vor von einem Palästinenserstaat, dessen Hauptstadt das arabische (geteilte) Jerusalem ist. Die Gegensätze sind derart groß, daß bereits im Camp-David-Abkommen von 1978 Jerusalem nicht erwähnt wurde.
Von 1517 bis 1917 befand sich Jerusalem unter ottomanischer Herrschaft. Die Stadt war zu biblischen
Zeiten und später noch bis zum großen Aufstand im Jahre 135 nach Christus die Hauptstadt des damaligen Judenstaates. Während der britischen Mandatszeit (1917-1948) war Jerusalem das administrative Zentrum der Kolonialverwaltung. Im Jahr 1947, zusammen mit dem Teilungsbeschluß der UNO, in Palästina einen jüdischen und arabischen Staat zu gründen, sollte Jerusalem eine internationale Stadt werden, um auf diese Weise die heiligen Stätten für alle Konfessionen zu wahren.
1988 beschloß der Palästinenserrat das unabhängige Falastin (Palästina) zu errichten, dessen Hauptstadt Jerusalem sein sollte.
Am 13. September 1993 unterzeichneten die Vertreter der PLO und Israel ein Prinzipienabkommen zur Errichtung einer Palästinenserautonomie. Erst zwei Jahre nach Einführung dieser Autonomie sollen, laut den UNO Sicherheitsratsbeschlüssen 242 und 338, die Verhandlungen für eine endgültige Lösung beginnen.
Die überwiegende Mehrheit der Israelis glaubt heute an ein vereintes Jerusalem, welches als Hauptstadt einen integralen Teil Israels bildet. Die Religionsfreiheit soll wie bisher gewahrt werden. Nur eine Minderheit vertritt die Meinung Teddy Kolleks, des früheren Bürgermeisters von Jerusalem, daß die Stadt vereint bleiben, jedoch in Stadtviertel aufgeteilt werden soll, welche autonom verwaltet werden.
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