7110665-1995_48_53.jpg
Digital In Arbeit

Im kritischen Gespräch

19451960198020002020

heiten unseres Landes sind ein steiniger Acker, auf dem Lorbeer schlecht gedeiht.”

19451960198020002020

heiten unseres Landes sind ein steiniger Acker, auf dem Lorbeer schlecht gedeiht.”

Werbung
Werbung
Werbung

Den Mächtigen, den Möchtegern-Mächtigen, den eitlen Selbstdarstellern der österreichischen politischen Szene stand die furche seit ihren Anfängen sehr kritisch gegenüber (siehe auch Seite 59). Populismus und „Eineraunzerei” (Wienerisch für Anbiederung) wurden zwar aufmerksam registriert, aber heftig kritisiert und nie wohlgefällig zwinkernden Auges zur Kenntnis genommen. Der mediale Volkssport, fälschlicherweise politische Hintergrundberichterstattung genannt, Seitenblicke auf „die da oben” zu werfen und deren joviales Herunterneigen naiv zu beklatschen, wurde von der furche nie gefördert.

Das mußte beispielsweise Österreichs erster Außenminister nach 1945, der Tiroler Karl Gruber (über dessen Versuche, Österreich nach dem Weltkrieg wieder international zu verankern siehe folgende Seiten), am 14. November 1953 erkennen. Aus der furche erfuhr er, klassisch knapp formuliert von Friedrich Funder, daß er zurücktreten werde:

„Der Herr Bundesminister für Auswärtige Angelegenheiten, Herr Dr. Karl Gruber, ist amtsmüde geworden. Er wird demnächst aus seinem Amte scheiden. Nicht ganz unerwartet und in gewissem Sinne verständlich. Wenn man durch acht Jahre dem gesetzten Ziel nicht näherkommt, kann man verdrießlich werden und sich eine Veränderung wünschen. Die auswärtigen Angelegen-Seit ihrer Gründung hat die Furche Nachbarn an den Tisch geholt. Das Gespräch über eine neue Weltordnung hat diese Zeitung geprägt.

Der verdienstvolle Gruber, der zur Einigkeit des viergeteilten Österreich Maßgebliches beigetragen hatte, der beileibe kein Populist war, mußte zur Kenntnis nehmen, daß sein Gang in die Öffentlichkeit mittels eines Buches, in dem er seinem Parteifreund Leopold Figl Geheimkontakte zu KPÖ-Chef Fischer vorhielt (berühmt geworden ist der Begriff „Figl-Fi-scherei”), nicht das war, was Österreich in diesem Moment brauchte, ßundeskanzler Julius Raab war gerade daran, Moskau wieder einen Köder vorzuwerfen. Das neue Österreich, Österreichs Einbindung in die westliche demokratische Welt, ohne auf die Verantwortung unseres Landes für das nach dem Zweiten Weltkrieg für 40 Jahre untergegangene Mitteleuropa zu vergessen, war und ist politisches Programm der furche.

Kritisch-wohlwollend hat sich das Funder-Blatt daher immer zu den Einbindungen Österreichs in größere Einheiten - zunächst einmal in die Vereinten Nationen - geäußert. Als viele nach der Errichtung des UN-Hauptgebäudes in New York von einem neuen „Turmbau zu ßabel”

Redaktionelle Gestaltung: Franz Gansrigler sprachen, verwies die furche - gültig bis heute, da die UNO auch ihr 50. Bestandsjahr feiert - auf die Notwendigkeit der Völkerverständigung (dazu Alois Mock und Peter Jankowitsch auf Seite 62 beziehungsweise 63). Am 24. Oktober 1953 verwahrte sich die furche dagegen, daß das Gebäude am East River in New York der Turm von Babel sei:

„Das neue Gebäude der Vereinten Nationen in New York wurde als neuer Turm von Babel bezeichnet, als ein Ort also, an dem sich die Völker zerstreiten, weil die Sprachen verwirrt sind; weil es nicht eine Sprache gibt, in der ein alle verbindender Geist sich ausdrückt. Gewiß: das ist ein Mahnmal, nicht nur für die Vereinten Nationen, sondern für jedes Volk, das ja aus einer Gemeinschaft vieler Gegensätze besteht. Wie das untere Bild aber zeigt (es waren darauf die Vertreter Israels, Iraks, Indonesiens und andere als Hörende zu sehen, Anm. d. Verf.), ist eben dieser Turm auch ein Turm der Hoffnung, da in ihm für redliche, sachliche und eben deshalb oft sehr schwierige Auseinandersetzungen aller Völker, Rassen, Weltanschauungen und Weltmächte Raum ist.” Deswegen konnte die Furche mit biblischen Anklängen auch titeln: „Der Tisch der Nationen”.

Von Anfang an hat sich die furche mit der Aufarbeitung des schrecklichen Geschehens der sieben dunklen Jahre, in denen Österreich nicht existierte, befaßt. Spät erst ist das unter dem nicht ganz glücklichen Begriff „Vergangenheitsbewältigung” modern geworden. Die furche schrieb dazu am 2. Februar 1946: „...wir sind in der großen Gefahr, mit der Gedankenwelt des Nazismus nicht fertigzu-werden, weil unser Tun oft selbst noch tief in sie verstrickt erscheint. Die Menschen von heute werden vergehen, aber vielmehr kommt es darauf an, das unheilvolle geistige Gebilde, die verhängnisvolle Dogmenwelt der Sekte, alles das auszurotten, was die nazistische Erkrankung der Gehirne herbeiführte. Die Entthronung der angeborenen Menschenrechte durch die Gewalt, die Verneinung der Gesetze der Menschlichkeit und aller sittlichen Lebenswerte - das ist Nazismus. Trotzdem wir ihn alle an unseren Leibern verspürt haben, bleibt er noch vielen im Unterbewußtsein, sodaß unsere Praxis noch immer von dem Geist beeinflußt ist, den wir endgültig austilgen wollen.” Prophetische Worte, die auch in die Gegenwart hineingesprochen sein könnten (über Schwierigkeiten der Entnazifizierung siehe Günter Bischofs Beitrag auf Seite 54).

Die Sorge um unsere Nachbarn, der Kampf gegen die Teilung des Kontinents durch das Herunterlassen des Eisernen Vorhanges in den unmittelbaren Nachkriegsjahren führte seitens der furche zu intensivem Suchen nach Kontakten mit Gleichgesinnten aus jenen mitteleuropäischen Ländern, die plötzlich zu Osteuropa geworden waren. Chefredakteur Kurt Skalnik verdient hier als Vorkämpfer des Dialogs mit verfolgten Christen vor allem aus Polen, aber auch aus Ungarn und der damaligen CSSR (für die Willy Lorenz als großer Böhmenfreund Vorliebe hegte) genannt zu werden. Der vergangene Woche nach dem Sieg des Reformkommunisten Alexander Kwasniewski bei den polnischen Präsidentenwahlen zurückgetretene Außenminister Wladyslaw Bartoszewski hat in den frühen sechziger Jahren über die furche den seither nie abgerissenen Dialog mit christlichen Intellektuellen aus Österreich und dem Westen gefunden. Die Krakauer Wochenzeitung „Tygodnik powszechny” hat über ihren Chefredakteur Jerzy Turowicz einen engen Gedankenaustausch mit der Furche gepflegt. Dieser Same in der furche wuchs sich zu einem starken Baum mit vielen Früchten aus: Slowenische, kroatische, slowakische, tschechische, ungarische, ostdeutsche und auch russische Dissidenten fanden in der furche einen fruchtbaren Boden. (Über den „Dialog” mit regimetreuen Christen siehe Seite 61).

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung