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IM SPIEGEL DER PRESSE

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Ein Problem, das in Königgrätz seinen Ursprung Hai, beschäftigt Österreich bis auf den heutigen Tag. Der deutsche Nationalliberalismus und insbesondere die deutschnationale Bewegung, wie sie von Schönerer geformt wurde, mißverstanden das Bis- marcksche Reich als die Erfüllung der deutschen Hoffnung auf einen einheitlichen Nationalstaat. Sie optierten geistig für Bismarcks Klein-Deutsch- land; in ihren radikalsten Gruppen zeigten sie geradezu Züge einer deutschen Irredenfa in Österreich. Der Traum vom Reich wurde neuerlich geträumt und war weiter denn je von den harten Realitäten entfernt. Man schaute sehnsuchtsvoll über die Grenzen ins „große Reich", anstatt jenes andere Deutschland, das auf dem Schlachtfeld von Königgrätz unterlegen war, zu kultivieren und beispielgebend vorzuleben.

Dadurch hat die nationale Bewegung in Österreich versäumt, an der Formung des neuen Selbstverständnisses Österreichs mitzuwirken, das spätestens seif Königgrätz als Aufgabe gestellt war. Deshalb blieb die nationale Bewegung Österreichs, trotz zeitweiliger bedeutender Breitenwirkung, in ihrer realpolitischen Position isoliert. Das war auch in den sieben Jahren des „Großdeutschen Reiches" nicht anders. Der „Traum vom Reich" trübte den nüchternen Blick auf die Real ¡ täten.

(Walter Pollak: „Königgrätz und die Folgen")

Wer im letztvergangenen Jahr im Trauerzug bei den Beerdigungen Adolf Schärfs und Leopold Figls mitgegangen ist und die Alfen, die im Zuge schritten, mit den Jungen, die zusahen, verglich, der wurde sich des Wandels bewußt, der sich unaufhaltsam vollzieht.

An diesem Tage haben wir Österreicher begraben, aber nicht Österreich und auch kein Österreich mit irgendeiner Ordnungszahl.

Indessen: es geziemt sich, eine

Weile Habt acht zu stehen, da sich die Vermischung von alt und neu im österreichischen Transiforium zu scheiden beginnt und das Neue auf einen neuen Horizont zugeht. Wer bei dem Gewesenen dabei war, sollte sich einiges davon bewahren: „Achtung vor Ideen, die wir getragen haben, und vor Taten, deren Zeugen wir geworden sind."

Seit dem Jahre 1848 haben die Österreicher, oft in sehr rascher Folge, immer wieder neue Formen ihrer Res publica aufgebaut und später zerstört. So vermeinten sie, das Fundament des Neuen sei über dem Grab des Alten am sichersten. Langsam wurde das Land von unzähligen Gräben und Gräbern durchzogen; wir standen auf brüchigem Boden, der bei Erschütterungen das Gewesene aufs neue freigab.

Nur langsam wuchs in der letzten Generation über den sich tausendfach kreuzenden Meinungen das Pantheon des österreichischen Kontinuums. Diesem sollten wir ohne Unterschied das Bleibende anvertrauen, das die Größten und das Größte hinterlassen haben: das, was bleibt von

Österreich.

(Heinrich Drimmel: „Autopsie der Koalition")

„Die Fahne hoch" für die National- demokratische Partei? Darüber wird man in Österreich in nächster Zukunft voraussichtlich viel diskutieren, falls sich nicht schon im Entstehungsstadium der neuen Partei heraussteilen sollte, datj es sich um eine Totgeburt handelt. Dies wäre durchaus denkbar, weshalb im voraus davor zu warnen ist, der Neugründung über Gebühr Bedeutung beizumessen.

Was in dieser Partei geschieht, falls sie die Existenzschwelle überschreiten sollte, wird man freilich mit gröfjter Gewissenhaftigkeit zu verfolgen haben. Für eine Untersagung durch die Vereinsbehörde bestand angesichts des eingereichten Statuts keine Rechtshandhabe. Man kann daher auch nicht von vornherein behaupten, daß die NDP Österreichs dazu ausersehen wäre, Sammelbecken der Unbelehrbaren und Verführten zu werden. Der Verdacht liegt freilich nahe.

In der Debatte, ob man radikale Parteien in einer Demokratie verbieten soll oder nicht, hat der britische Sozialist Bryan Magee in seinem im Vorjahr im Europa-Verlag deutsch erschienenen Werk „Revolution des Umdenkens" ein gescheites Wort ausgesprochen: Parteienverbofe sind keine Dogmentrage. Wenn eine extremistische Minderheit den Bestand eines demokratischen Gemeinwesens bedroht (wie es die NSDAP seinerzeit tat), gehört sie verboten. Ist die konkrete Bedrohung nicht vorhanden, lasse man die Radikalen gewähren, statt im Untergrund Mythen und Märtyrer zu nähren, und fördere sogar die Entlarvung ihrer Zwerghaftigkeit an den Wahlurnen! Beim derzeitigen Stand der Dinge kann es — aber ohne präjudizierendes Dogma — für Österreich nur den zweiten Weg geben.

(hf: „Rechtsradikale Partei )

Aber das ist ja das Großartige an der Demokratie: Die Politik kann sich doch über den Willen der Wähler nicht hinwegsetzen. Der Wahlkampf, der der Auflösung des Nationalrates folgte, war nicht mehr zu schlagen, ohne Berücksichtigung jener 832.000 Unterzeichner des Volksbegehrens und jener vielen hunderttausend mehr, die mit dem Volksbegehren sympathisierten

Der neue Generalintendant des Rundfunks muß ein Mann sein, der das Interesse Österreichs und seiner Bevölkerung, das Interesse der Hörer und Fernseher, über das jeder einzelnen politischen Partei stellt. Die ÖVP ist sich dieser Forderung bewufjt. Es gilt, sie zu erfüllen.

über allem aber haben wir heute die Tatsache zu würdigen, daß es erstmals in der Geschichte der Zweiten Republik gelungen ist, die Mitbestimmung des Volkes an der Verwaltung und an den Geschicken unseres Landes zu verankern. Allen Hindernissen, allen Verdächtigungen zum Trotz hat die parteiunabhängige Presse es im Auftrag hunderffausen- der Wähler erreicht, eine geschichtliche und zukunftsweisende Tat zu setzen. Eine Tat, die der Stärkung der Demokratie in Österreich dient.

Jenen, die mit ihrem persönlichen Einsatz durch ihre Unterschritt diese Tat vollbringen halten, gilt heute unser besonderer Dank.

(Huflo Porfisch:

.Der Sieg des Volksbegehreris")

Ein Senator, der mit den europäischen Fragen besonders gut vertraut ist, meinte: „Mit Beiträgen von unserer Seite ist da einstweilen nicht zu rechnen, jetzt muß der Anstoß von Europa kommen. Wenn ihr ein anderes Europa wollt, eines, das nicht nur bis zur Elbe geht, dann müßt ihr selbst die Initiative ergreifen.

„Was sollte denn geschehen? Was sollten wir — die Deutschen — tun?"

„Ich glaube drei Dinge: erstens auf atomare Watten verzichten; zweitens die Ostgrenze anerkennen; drittens sehr viel weiter aut dem Wege gehen, den Außenminister Schröder mit der Errichtung von Handelsvertretungen in Osteuropa beschriften hat."

Der Senator hatte gesagt: „Wenn ihr ein anderes Europa wollt " Genau hier sitzt die Crux. Wir müssen es wollen, denn nur in einem wiedervereinigten Europa können wir der Wiedervereinigung unseres eigenen Volkes näherkommen. Hier aber setzt nun die Konkurrenz Washington—’Paris ein. Es wird aller Anstrengungen einer phantasievollen, elastischen Außenpolitik bedürfen, um zu verhindern, daß aus dieser Konkur- renzsituation für uns ein Zwang zur Wahl wird.

In der nun beginnenden Phase wird Bonn tagtäglich vor immer neue, schwierige Entscheidungen gestellt werden. Washington, das allein unsere Sicherheit garantiert, Washington, das sich wie gelähmt an den Status quo klammert und die Gestaltung Europas dem Walten der Geschichte überläßt, (ordert unsere Freundschaft und Treue. Und Paris, das unsere Sicherheit in keiner Weise gewährleistet, im Gegenteil vielleicht zu ihrer Gefährdung beiträgt, aber eine phantasievolle zukunftsträchtige Ostpolitik eingeleitet hat, die allein die Voraussetzung für eine Wiedervereinigung Deutschlands zu schaffen vermag — Paris (ordert von uns ebenfalls Zusammenarbeit und Solidarität.

(Marion Gräfin Dönhoff: „Die ohnmächtige Großmacht”)

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