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IM STREIFLICHT

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DAS Fernsehen ist unbestreitbar ein tech- nischer Fortschritt. Ob auch ein kultureller, insbesondere ein volksbildnerischer, wird sich noch herausstellen. Es gibt nicht wenige, die in jedem Jahr, in dem das Fernsehen in Oesterreich noch nicht eingeführt ist, einen Gewinn sehen, wenn auch nur einen Zeitgewinn. Nun greift der „Börsenkurier" mit schwerwiegenden Argumenten auch' die Frage der Finanzierung auf. Deutschland hat derzeit 9000 Fernsehteilnehmer. Man muß erwarten, daß die österreichischen Teilnehmerziffern wegen der hohen Anschaffungskosten der Geräte sehr niedrig sein werden. (Ein Apparat kostet mindestens 6000 S, dazu kommen die Kosten für die Antenne und das Service, das mit 400 S im Jahr anzunehmen ist.) Auch die Montagearbeiten werden sehr teuer sein, müssen doch die Firmen, welche die Arbeiten durchführen, bedeutende Anlaufkosten (etwa für die Ausbildung ihrer Arbeitskräfte) auf sich nehmen. Daher müßten öffentliche Mittel aufgebracht werden. Aber wie? Doch nicht etwa durch Kürzung des Kulturbudgets, um, wie bei der Reduktion der Autozölle, einigen Bevorzugten besondere Vorteile, in unserem Fall: den Genuß der Vorführungen eines Heimkinos, zu verschaffen.

ZUR gleichen Zeit, da der „Wiener Kurier" sein tägliches Erscheinen einstellt und durch ein bürgerliches Mittagblatt ersetzt wird, baut der von der amerikanischen Besatzungsmacht betriebene Sender Rot-Weiß-Rot seine Studios in großzügiger Weise aus. Das Bürgertheater wird bis zum Jahresende in ein eigenes Senderhaus umgewandelt sein, wodurch der bisher etwas beengte „Kabinett-Küche-Betrieb", wie er in der Seidengasse vor sich ging, eine spürbare Erleichterung erfahren wird. Damit vollzieht sich in Oesterreich eine Entwicklung, die in Westdeutschland bereits vor Jahresfrist abgeschlossen war: Die Herausgabe der „Neuen Zeitung" wurde auf Berlin beschränkt, der Sender Rias dagegen in verstärktem Maße weitergeführt. Ein Zeichen unserer Zeit: immer weitere Bevölkerungskreise wollen durch den Rundfunk informiert und angesprochen werden und nicht durch das geschriebene Wort. Für 45 Prozent der Zeitungsleser ist, wie eine Statistik wissen will, der Rundfunk vollwertiger Ersatz der Tageszeitung geworden; darüber hinaus aber erreicht er noch Kreise, die nur selten zur Zeitung griffen. Hören ist eben leichter als lesen…

EIN kleines Wieper Theater hat die Ankündigung seiner letzten Aufführung mit einem kleinen, aber auffälligen grünen Streifen überkleben lassen: „Jugendverbot!" Jugendverbot im Theater? Das wäre uns neu. Wir haben uns erkundigt: eine gesetzliche Notwendigkeit, diesen Streifen anzubringen, bestand nicht. Sie geschah' auf Initiative des Theaterleiters. Es dürfte sich also, der Schluß liegt nahe, um Reklame handeln. Um Unschöne Reklame …

DAS Publikum, das Publikum •— das große Alibi der Filmproduzenten für ihre Fafner- weisheit („Ich lieg’ und besitz’, laßt mich schlafen!"). Die Statistik weiß es anders. Die verdienstvollen Halbjahrsuntersuchungen der Arbeitsgruppe Filmstatistik und Dokumentation der Oesterreichischen Filmwissenschaftlichen Gesellschaft, die sich auf die regelmäßige Beobachtung von 107 Wiener Lichtspieltheatern mit über 50.000 Plätzen stützt, wissen zu berichten, daß sich unter den 100 meistgezeigten Filmen des ersten Halbjahres 1954 die „großen Vier": „Moulin Rouge", „Königliche Hoheit", „Ein Herz und eine Krone" und „Solange du da bist" befinden. Das ist eine erfreuliche Feststellung. Denn immerhin laufen in Wien, wie die gleiche Statistik in gleichem Atem festhält, 441 Filme im Jahr (1953) an — da spricht es schon für den Geschmack der Wiener, wenn sie daraus so eindeutig das Richtige herausfinden.

DIE Wüste lebt — die Filmwüste nämlich. In der Wiener Urania blüht dieser Tage eine neue Oase auf. Seit drei Wochen täglich drei ehrlich ausverkaufte Vorstellungen des herrlichen Dokumentarfilms „Die Wüste lebt" von Walt Disney, sonntags sieben Vorstellungen in zwei Sälen! Der Spielfilm aber pumpt- wöchentlich (im Jahresdurchschnitt) acht Filme ins Wiener Programm, die Filme laufen kürzer und kürzer, denn diese Wüste beginnt langsam zu sterben.

WAS ist das „Geheimnis der Venus", fragt ” ein neuer österreichischer Film und entbreitet vor einem eindeutig bestimmten Publikum Historisches und Neuzeitliches von Old- Griechenland ' bis New-Lobau, die Toten und die Nackten sozusagen… Die Antwort : des Films (in den allerletzten Minuten) ist überraschend. Das tiefste Geheimnis der Venus ist die Mutterschaft, orgelt der Film salbungsvoll, dabei züchtig die Augen niederschlagend (obwohl der Staatsanwalt Erhärt längst versetzt ist) und mit einem herzhaften Griff ins Archiv niedliche Kinderbildchen abziehend. — Vor. dem Richter stand eine Mutter, die ihr dreijähriges Kind auf bestialische Weise umgebracht hatte. Sie weinte herzzerreißend und zerfloß in Mutterliebe: „Wiar a Engerl is s’ nachha daglegn, wiar a Engerl…”

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