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In den Dschungel

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In dem ständigen Wechsel zwischen Diktatur und Demokratie ist man in den beiden größten Staaten Lateinamerikas an demselben Kreuzweg. Der brasilianische Präsident Arthur da Costa e Silva hat ebenso wie der argentinische General Juan Carlos Ongania die „Redemokrati- sierung“ proklamiert, aber beide haben die Bedingung gestellt, daß „die alten Kräfte“ nicht wiederkehren dürfen.

In Brasilien hat der — nach seiner Amtszeit im Flugzeug abgestürzte — „Präsident der Revolution“, Marschall Castelo Branco nicht nur — wie Ongania — die früheren Parteien aufgelöst, sondern auch ihren führenden Männern die „politischen Rechte“ auf zehn Jahre entzogen. Zu diesen gehörte Janio Quadros, eine der schillerndsten Figuren auf der politischen Bühne Brasiliens. Als er im Kampf gegen die Korruption mit dem Symbol des Besens 1960 zum Präsidenten gewählt wurde, glaubte man, daß eine neue Ära für ein modernes Brasilien angebrochen sei. Er hat seine Anhänger maßlos enttäuscht, als er nach nur siebenmona- tiger Amtszeit zurücktrat, ohne bis heute die Gründe für seinen Entschluß klargemacht zu haben. Er fuhr nach England, wurde bei der Rückkehr in der Goulart-Periode noch einmal von Tausenden im Hafen von Rio de Janeiro begrüßt und verschwand dann in der Versenkung. Als Carlos Lacerda, der die Revolution mitorganisiert hatte und erst zum Gegner der Diktatur wurde, als sie seine Präsidentschaftsträume vereitelte, mit seinen „Feinden von gestern“ die „Breite Front“ organisierte, spielten die Expräsidenten Dr. Kubitschek und Goulart mit, während Quadros nach einigem Zögern „draußen“ blieb. Nachdem die „Breite Front“ verboten wurde und Lacerda abwartend still blieb, wollte Quadros wohl die „Führung der Opposition“ übernehmen. In Presseerklärungen sagte er: „Das Panorama ist kritisch und droht sich zu einer nationalen Katastrophe zu verschlechtern. Die Regierung hat nur die Alternative zwischen offener Diktatur oder echter Demokratie.“

Gerade diese Wahl will Costa e Silva nicht treffen. Er steht zwischen den Feuern der .harten Linie“ (die unter anderem von dem Chef der

„Casa Militär“, General Jaime Por- tela und dem Innenminister General Albuquerque Lima vertreten wird) und der „weichen Linie“ (zu der unter anderem der Außenminister José Magalhaes Pinto und General Carvalho Lisboa, Kommandant der 2. Armee, Säo Paulo, und Präsident des politisch einflußreichsten „Club Militär“ gehören).

Manipulierte Demokratie

Die „harte Linie“ drängt auf die Verhängung des Ausnahmezustandes, die den Offizieren noch unbeschränktere Macht gewährte als sie nach dem umstrittenen „Sicherheitsgesetz“ ohnedies haben, und will die Presse, die sie neben den Studenten und die Geistlichkeit als Hauptfeinde des Militärregimes verfolgen, einer noch schärferen Zensur unterwerfen. Die „weiche Linie“ will das Regime der Generäle beenden und 1970 einen Zivilisten zum Präsidenten des Landes wählen lassen.

Nun hat sich die Situation durch die schweren Studentenunruhen, die Streiks in der paulistaner Metallindustrie mit zeitweiliger Besetzung zahlreicher Fabriken und vor allem eine Kette von Dynamitattentaten in Säa Paulo, unter anderem gegen das dortige Heereskommando zugespiizt. Auch der Vertreter der „weichen Linie“, der dortige Chefkommandant General Carvalho Lisboa hatte erklärt, daß „das Heer auf die Gewalt mit der Gewalt antworten“ werde.

Costa e Silva hat de Gaulle nachahmen wollen, als er zum erstenmal eine Demonstration gegen sein Regime in Rio de Janeiro zuließ. Der gewaltige Zustrom alarmierte die „harte Linie“, zumal die Attentate Grund für die Vermutung gaben, daß eine echte Gegenrevolution im Gange sei. So verbot Costa e Silva alle Kundgebungen und Märsche, ohne aber vorläufig das Ausnahmerecht zu verhängen.

Die Verbannung von Janio Quadros auf vier Monate in die Urwaldstadt Corumha beweist wieder, daß der Präsident die Rückkehr der „Männer von gestern“ auch um den Preis verhindern will, daß seine Zusage der „Redemoteratisierung“ jede Glaubwürdigkeit verliert. Sie wird nur so weit zugelassen, wie die Generäle selbst sie manipulieren.

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