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In scharfem Wettbewerb

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Die Beschäftigung der österreichischen Textilindustrie hat nach dem konjunkturellen Höhepunkt, der im zweiten und dritten Quartal 1957 erreicht wurde, gewisse Abschwächungen erfahren. Einige tausend Textilarbeiter mußten abgebaut werden und eine Reihe von Betrieben ist auf Kurzarbeit übergegangen.

Die ungünstige Entwicklung in, der Textilindustrie wirkte sich in erster Linie bei der Wollindustrie aus. Die Produktionsstatistik in diesem Industriezweig weist aus, daß in den ersten fünf Monaten 1958 um 25 Prozent weniger Kammgarne erzeugt wurden als im gleichen Zeitraum des Jahres 1957, daß die Produktion, von Wollgeweben um 19 Prozent und diejenige von Wolldecken um 40 Prozent zurückgegangen ist. In letzter Zeit hat auch die Baumwollindustrie unter der stark rückläufigen Konjunktur auf dem Zellwollsektor zu leiden. Von Jänner bis Mai 1958 wurde um 24 Prozent weniger Zellwolle B-Typ verbraucht als in den ersten fünf Monaten des Vorjahres. Im April und Mai 1958 hat sich die Zellwollgewebeproduktion um 18 Prozent verringert, ein Ausfall, der nur zu einem kleinen Teil durch eine erhöhte Baumwollgewebeproduktion ausgeglichen werden konnte. Der Beschäftigtenrückgang hat zur Einstellung der zweiten und dritten Schicht in einigen Betrieben geführt. Zur-- Abrundung dieses Bildes sei noch darauf hingewiesen, daß es auch in der Strick- und Wirkwarenindustrie — allerdings teilweise saisonbedingt — zu-Entlassungen kam und daß ebenso in der Seidenindustrie ein nicht unbeachtlicher Produktionsrückgang festzustellen ist. Schließlich ist auch eine gewisse Konjunkturverflachung in der bisher florierenden Stickereiindustrie Vorarlbergs eingetreten, die sich vorläufig zwar noch nicht in der Abnahme des wertmäßigen Exportvolumens auswirkt, jedoch zu Rückgängen im Auftragstand, vor allem bei lohnintensiven Artikeln, führte. .

Dieses nüchterne Bild läßt erkennen, daß die im Jahre 1957 erreichte Mengenkonjunktur der Textilindustrie ihren Abschluß gefunden hat und sich ernste Sorgen für den größten Industriezweig Oesterreichs am Horizont abzeichnen. Eine der schwerwiegendsten Ursachen der aufgezeigten Produktionsrückgänge liegt zweifellos in dem bedrohlichen Ansteigen der Importe, die den an sich kleinen und schwachen Inlandsmarkt seit der weitgehenden Textilliberalisierung in zunehmendem Maße überschwemmen. Im Jahre 1957 wurden ausländische Garne und Fertigwaren im Werte von mehr als 2 Milliarden Schilling nach Oesterreich importiert, das ist etwa das Dreifache der Einfuhren vor der Liberalisierung. Dieser Importtrend hat auf dem Fertigwarensektor im Laufe des Jahres 1958 seine steigende.Tendenz beibehalten. Der Anteil der Einfuhren an der Produktion liegt bei einigen Erzeugungsgruppen bereits zwischen 30 bis 40 Prozent, hat also ein Ausmaß erreicht, das als alarmierend bezeichnet werden kann. Demgegenüber ist der Textilexport seit Beginn des heurigen Jahres speziell auf dem Garnsektor, aber auch in einigen Fertigwarenpositionen rückläufig. Das in der Zeit .von Jänner, bis. Mai 1958 für Garne und Fertigwaren erreichte wertmäßige Ausfuhrvolumen von 925,7 Millionen Schilling ist zwar — absolut gesehen — nicht ungünstig, geht aber zum überwiegenden Teil auf die Auslieferungen alter Exportkontrakte zurück und dürfte infolge des starken Absinkens des Auftragstandes schon in den nächsten Monaten eine nicht unerhebliche Reduktion erfahren. Denn auf allen Weltmärkten steht Oesterreichs

Textilindustrie nicht nur in härtestem Konkurrenzkampf mit den starken, kapitalskräftigeren europäischen Textilindustrien, sondern auch mit den preislich nicht zu schlagenden ostasiatischen Textilerzeugnissen ebenso wie mit den zu den bekannten politischen Preisen angebotenen Textilien aus den Ostblockländern.

Um in diesem scharfen Wettbewerb bestehen zu können, heißt es, sich rasch und elastisch an die wechselnden modischen und kommerziellen Anforderungen anzupassen und darüber hinaus in der Kalkulation an die äußerste Grenze des wittschaftlich Vertretbaren zu gehen.

Ein besonderes Problem stellt der in letzter Zeit vielfach diskutierte Ostexport dar. Die traditionellen Märkte des Donauraumes, in denen vor dem Kriege etwa die Hälfte der österreichischen Textilausfuhr abgesetzt werden konnte, sind im Laufe der letztem Jahre in mühevoller Kleinarbeit vorläufig nur in bescheidenem Maße rückgewonnen worden. Fehlende Clearingmittel, mangelnde Importmöglichkeiten und die in diesen Ländern gehandhabte, starre staatlich gelenkte Einfuhrplanung behindern einen systematischen Ausbau unserer Textilexporte in den Gstraum. Bei Bearbeitung der LIeberseemärkte stößt Oesterreichs Textilexport nicht nur auf die bereits erwähnte Konkurrenz der ostasiatischen Länder, sondern vielfach auch auf handelspolitische Restriktionsmaßnahmen, protek-tionistische Zollpolitik und devisenpolitische Einfuhrbeschränkungen verschiedenster Art.

Trotz all dieser Hemmnisse muß jedoch die annähernde Wiederherstellung der Beschäftigungslage mit mindestens doppelschichtiger Produktion mit aller Macht angestrebt werden, um die Konkurrenzfähigkeit der österreichischen Textilindustrie auch in Zukunft zu sichern. Es wird daher -Aufgabe jedes einzelnen in der Textilindustrie sein, sich mit aller Kraft um besseren. Absatz im In-, und Ausland zu bemühen, damit das entstandene Absinken in der Beschäftigung möglichst wieder ausgeglichen wird.

Diesem Zwecke dient zweifellos auch die Dornbirner Mustermesse. Der inländische Verbraucher und der heimische Handel werden sich an Hand eines großen und vielseitigen Warenangebotes davon überzeugen können, daß die österreichische Textilindustrie sehr wohl in der Lage ist, den wesentlichen Textilbedarf zu decken. Vor allem aber wird den ausländischen Messebesuchern die Möglichkeit geboten, festzustellen, wieviel Oesterreichs Textilindustrie Neues zu zeigen hat und daß auch die differenziertesten und verwöhntesten Qualitäts- und modischen Ansprüche durch Einkäufe in unserem Lande voll befriedigt werden können.

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