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Unruhe um die Rohstoffkammer der Welt Von Stefan G ö r ö g

Die Selbständiekeitsbewegung eines Teiles der Bevölkerung von Niederländisch-Indien hat das für die Rohstoffbeschaffung der Welt so wichtige Gebiet in der letzten Zeit in den Brennpunkt der Interessen weiter Kreise gerückt. Neben der Frage, ob sich dieses von der Natur so begünstigte Inselreich weiterhin in das niederländische Kolonialgebiet i einfügen wird, zu welchen staatsrechtlichen Änderungen im bisherigen Verhältnis zum Mutterland die heutigen Bestrebungen führen werden, interessiert es uns, ob die großen Rohstoffquellen sich erneut in die Weltwirtschaft einschalten werden und welche neuen Grundlagen aus der politischen Neugestaltung sich für die Wirtschaft ergeben werden.

Die Atombombe auf Hiroshima brachte den Krieg im fernen Osten zu einem jähen Ende. Die alliierte Kriegsführung im Pazifik war damals keineswegs auf eine so plötzliche Beendigung der Kampfhandlungen gegen Japan vorbereitet. Im indischen Archipel hatten sich australische Truppen, verstärkt mit niederländischen Freiwilligen, in mutvollen und verlustreichen Kämpfen von Neu-Guinea über die Molukken bis nach Borneo vorgearbeitet und noch wogten heftige Kämpfe um den Besitz der dortigen Ölquellen, als in Japan die Waffen niedergelegt wurden. Nur sehr zögernd folgten dem Auftrag ihres Kriegsherrn die japanischen Korps in den weit entlegenen Schauplätzen des fernen Ostens. Auf Java und Sumatra befanden sich große japanische Besatzungskontingente in voller Kampfstärke,die noch keineswegs in Kampfhandlungen mit den vorstrebenden Alliierten einbezogen waren und die begreiflicherweise nur mit größtem Widerstreben ein Land preisgaben, das sie im Laufe der letzten Jahre innenpolitisch zu einem mächtigen Baustein herangebildet hatten, der sich in das Mosaik ihres Großraumes eingliedern sollte.

Die japanische Besatzungsmacht hatte den niederländischen Regierungsapparat abgeschafft, die Eingeborenen in ihrem politischen Selbstbewußtsein bestärkt, sie über die in großen Konzentrationslagern zusammengebrachten Europäer gesetzt, ihre Freiheiten gepriesen und das Volk dem früheren Regierungssystem entfremdet. Wäre eine tatsächliche Rückeroberung von Java und Sumatra erfolgt, wie aller Wahrscheinlichkeit nach in der strategischen Planung der Alliierten vorgesehen war, so wäre es wohl nie zu politischen Verwicklungen gekommen, die, wie bekannt, die niederländisch-indische Frage vor das Forum der Vereinten Nationen brachten. Wie die Lage dies jedoch ergab, parlamentierte der Befehlshaber der britischen Streitkräfte mit den Japanern zwecks Ubergabe, aber nur mit dem Ergebnis, daß diese teils die Waffen niederlegten, teils sich mit der Bevölkerung zum Widerstand zusammenschlössen. Daß die Bevölkerung von Java sich auch ohne japanischem Einfluß zum bewaffneten Widerstand entschlossen hätte, ist mit Hinsicht aur ihre Volksart, ihren Charakter und den günstigen wirtschaftlichen Verhältnissen unter der niederländischen Regierung nicht anzunehmen. Warum man von alliierter Seite nicht schon zu Anfang schärfer durchgegriffen hat ist verständlich, es befanden sich auf der Insel Tausende Europäer, die der Willkür der Eingeborenen ausgesetzt waren; zudem wollte man nach der offiziellen Beendigung des Krieges seitens der alliierten Streitkräfte weitere Blutopfer vermeiden. Aber erst verschärftes militärisches Durchsetzen führte zu einer Wiederbesetzung der wichtigen Hafenstädte, wie Soerabaya, Somerang und Batavia und dem Regierungssitz Ban-dong. Der Generalgouverneur von Niederländisch-Indien hat sich nach Java begeben, um mit den Vertretern von Indonesien eine neue staatsrechtliche Grundlage für das Land auszuarbeiten.

Bei den Bestrebungen der niederländischen Regierung, in diesem Kolonialgebiet wieder normale Verhältnisse herzustellen, kann diese auf weitgehende Unterstützung sowohl von Großbritannien als auch von den Vereinigten Staaten rechnen. Die glückliche niederländische Kolonialpolitik der „offenen Tür“ hat keine Rivalität um den Besitz des Gebietes aufKommen lassen. Arbeitskraft und Kapital kann von jedermann und allen Ländern der Welt unter gleichen Bedingungen investiert werden. Lediglich die Besetzung von Staatsämtern und der Beamtenstellen ist den niederländischen Staatsangehörigen vorbehalten. Diese Politik der geöffneten Schranken hat Niederlän-disch-Indien dem ausländischen Unternehmungsgeist, sehr zum Vorteil der Kolonie selbst, in größtem Maße geöffnet.

Man kann sich kein richtige Bild von der indonesischen Selbständigkeitsbestrebung, ihren Motiven und Möglichkeiten machen, ohne vorerst die Bevölkerung von Indonesien, deren politische Reife und das frühere Verhältnis des Gouvernements zu dieser Bevölkerung zu betrachten und zu beurteilen. Wir bezeichnen die Eingeborenen von Niederländisch-Indien, die eine Gesamtzahl von etwa 80 Millionen Einwohnern erreichten und die in ihrer Dichte auf Java mit 325 Menschen pro Quadratkilometer und einer Bevölkerungszahl von 40 Millionen kulminieren, schlechthin als Malaien. Wenigen wird bekannt sein, daß in der kulturellen Entwicklung der Stämme und in ihren rassischen Merkmalen größte Unterschiede vorhanden sind. So leben die Papuas in Neu-Guinea heute noch in der Kulturperiode der Steinzeit. Vor Jahrtausenden, in der Zeit der ostasiatischen Völkerverschiebungen, aus dem Westen und Nordwesten in den äußersten Winkel des Archipels abgedrängt, führt diese der australischen Urbevölkerung ähnliche Rasse mit stark necroi-dem Einschlag ein kümmerliches Dasein, durch Krankheiten stark dezimiert und nur durch tatkräftiges Eingreifen der Regierung vor dem Aussterben bewahrt. Die Javaner dagegen hatten schon vor Jahrhunderten ein Kulturniveau erreicht, das in seiner Verfeinerung seinesgleichen sucht. Die Grundlage hiefür bildete der Hinduismus mit se;ner reichen Mythenwelt und seiner eindrucksvollen bildenden Kunst, der in religiöser Beziehung infolge der Eroberungszüge der Araber im achten Jahrhundert vom Islam abgelöst wurde. Hier haben vir der Anschaulichkeit halber nur zwei Fx-treme herausgegriffen. Verschiedenheit der Rasse, Sprache und Mentalität ist jedoch derartig croß, daß man von einer Einheitlichkeit in der Bevölkerung gar nicht sprechen darf. Die Bibel zum Beispiel wurde in ungefähr 200 Sprachen übersetzt, die von größeren Bevölkerungsgruppen gesprochen werden. Selbst heute noch, nachdem ein weitläufiges Straßennetz und moderne Verkehrsmittel die weiten Entfernungen überbrücken, herrscht zwischen den Stämmen, die sich, voneinander isoliert, ganz verschieden entwickelten, ein fühlbarer Gegensatz. Nehmen wir das fanatische und kriegerische Volk der Atjeher im Norden von Sumatra, strenggläubige Mohammedaner, die in ihrem Freiheitsdrang dem Gouvernement bis in die jüngste Zeit viel aufzulösen gaben: Sie haben eine tiefe Verachtung für alles, was, ihrem Sinne nach4 nicht rechtgläubig ist. Ungläubige oder Kafirs sind in ihren Augen nicht nur die Weißen, sondern auch ihre südlichen Nachbarn, die Bataks, ein hochinteressanter Volksstamm. Intelligent, exakte Rechner, bewunderungswerte Schachmeister, liefern die Bataker die Masse des eingeborenen Büropersonals für Geschäfte und Kontore in Niederländisch-Indien. Früher Heiden, bis vor 70 Jahren Kannibalen, wurden sie im Laufe des letzten halben Jahrhunderts von einer deutschen Missionsgese'lschaft, der Rheinischen Mission, zum Christentum bekehrt. Die eigentlicher Malaien, die sowohl die Ost- wie die Westküste von Sumatra bewohnen, sind gute Kaufleute und in früherer Zeit berühmte Seefahrer und berüchtigte Piraten gewesen. Sie haben von ihren Heimstätten aus die Küsten der benachbarten Inseln besiedelt und die malaiische Sprache zu einem Esperanto für den ganzen Archipel gemacht. Die zwergartigen Kubus am Mündungsgebiet des Musi, die Dajaks, uns bekannt als Kopfjäger auf Borneo, die schöngestalteten Toradjas auf Celebes, hellhäutige Menadonesen, dunkle Ambonesen, buddhistische Balinesen und viele andere bilden , das bunte Mosaik der Stammesarten.

So verschieden voneinander diese Stämme und Rassen auch sind, einige Merkmale haben sie alle gemeinsam, die Spielsucht, Unverläßlichkeit in Geldangelegenheiten und einen großen Mangel an Verantwortungsgefühl.

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