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Israel und Deutschland brauchen einander

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Vier ausschlaggebende Tage verweilte Helmut Kohl in Israel. Die Bundesrepublik Deutschland und Israel stehen jetzt auf Du und Du.

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Vier ausschlaggebende Tage verweilte Helmut Kohl in Israel. Die Bundesrepublik Deutschland und Israel stehen jetzt auf Du und Du.

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Im Grunde genommen wußte niemand genau, welcher Anlaß Deutschlands Bundeskanzler Helmut Kohl nach Israel brachte. Offiziell war es ein Nahostbesuch, denn er war vor Israel einen Tag in Ägypten und einen Tag in Jordanien. Die fast vier Tage, die er Israel widmete, waren entscheidend. Kohl kam kurz nach dem 30jährigen Jubiläum der diplomatischen Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und Israel - und nach dem 50. Jahrestag der Beendigung des Zweiten Weltkriegs. Doch die Gründe für sein Kommen waren andere.

Kohl wollte unbedingt die besonderen Beziehungen mit Israel unterstreichen, tat dies auch bei jedem Anlaß - und wichtiger noch, er wollte sich auch persönlich mit dem Judenstaat versöhnen, nachdem sein erster Besuch 1984 so kläglich ausgegangen war. Damals hatte er nur wenig Interesse bei seinem Besuch der jüdischen Holokaust-Gedenkstätte Jad Vaschem gezeigt und betont, daß seine Generation der nach dem Holokaust Geborenen und Großgewordenen keine Verantwortung für den Holokaust trage.

Dieses Mal kam Herr Kohl zur Gedenkstätte, legte einen Kranz nieder, ließ Psalmen vorlesen und besuchte mit aller Ergriffenheit das Tal der Gemeinden, die während der Nazizeit zerstört wurden. Es fanden sich dort viele Namen, wie Speyer, Worms, Trier und so weiter, die ihm alle nicht unbekannt waren. In das Gästebuch schrieb er auch, daß man das Geschehene nie vergessen darf und man Lehren für die Zukunft aus dem Schrecklichen der Vergangenheit ziehen müsse. Mehr noch: Dieses Mal betonte Bundeskanzler Kohl den großen Verlust der umgekommenen und vertriebenen Juden für ganz Europa und insbesondere für Deutschland. Wer weiß, wieviele Einsteins und andere große Köpfe in den Todeslagern umkamen, bevor sie sich als Wissenschaftler oder Künstler einen Namen machen konnten.

In Israel tat man alles, um Kohl die gebührende Ehre zu erweisen. Er erhielt ein Ehrendoktorat der philosophischen Fakultät der Universität Beer Scheba im Süden des Landes, und das Forschungsinstitut für europäische Angelegenheiten wurde nach ihm benannt. Nur ganz wenigen Persönlichkeiten wurde eine solche Ehre zuteil. Fast bei allen öffentlichen Auftritten Kohls war auch Ministerpräsident Jizchak Rabin zugegen.

Als wichtigste wirtschaftliche Macht in Europa braucht Israel Kohl, damit dieser als Befürworter der israelischen Interessen in der Europäischen Union wirkt. Heute ist die Union einer der wichtigsten Abnehmer des israelischen Exports, doch gibt es hier viele Probleme, weil auf israelische Exportwaren verhältnismäßig hohe Schutzzölle verhängt wurden. Die israelische Landwirtschaft ist hier durch Spanien und Marokkos Konkurrenz besonders benachteiligt.

Kohl versprach alles zu tun, um sich bei der Europäischen Union für Israel einzusetzen. Nicht nur für Israel, sondern für den Nahen Osten überhaupt ist die Vorrangstellung, die Deutschland nolens volens dank seiner Wirtschaftskraft einnimmt, bedeutsam. So war es selbstverständlich, daß Israel sich an erster Stelle an die Bundesrepublik Deutschland wandte, damit sie die Palästinenserautonomie in Gaza wirtschaftlich unterstützt.

Das wichtigste bei diesem Besuch ist die Vertiefung der guten Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und Israel. An erster Stelle ist dies darauf zurückzuführen, daß die Bepubli-kaner die Mehrheit im amerikanischen Senat erlangten. Diese drängen darauf, die technische und finanzielle Hilfe im Ausland einzuschränken und sich mehr auf die USA selbst zu konzentrieren.

Morgen ist die Bundesrepublik Deutschland vielleicht schon die dominierende Kraft im Nahen Osten -insbesondere in Anbetracht dessen, daß die Sowjetunion von der Bildfläche verschwunden ist.

Wegen den stürmischen Ereignissen im Judenstaat, Spaltung innerhalb der Likud-Partei, Durchbruch bei den Verhandlungen mit Syrien und so weiter, fanden die Berichte über Helmut Kohls Besuch zumeist nur auf der zweiten Seite der Tagespresse Platz und wurde auch die Berichterstattung im Fernsehen darüber stark beschnitten - trotzdem war Kohls Nahostbesuch ein großer Erfolg und hat mehr Positives zu verzeichnen, als die Optimisten in Kohls Lager sich je zu erhoffen wagten.

Ein hoher Beamter des Außenministeriums zum FllRCHE-Korrespon-denten: „Seit Kohls Besuch duzen sich Israel und die Bundesrepublik.”

Vor Frieden zwischen Israel und Syrien?

Auch ein anderer Versöhnungs-Durchbruch ist zu vermelden. Nach einem längeren Pendelverkehr des amerikanischen Außenministers Warren Christopher und des US-Nahostunterhändlers Denis Boss willigte Syrien ein, daß sich am 27. Juni die Generalstabschefs Israels und Syriens in Washington treffen, um als erstes im beginnenden Friedensprozeß gegenseitige Sicherheitsvorkehrungen zu besprechen. Das Mißtrauen ist noch nicht abgebaut. Gleichzeitig sollen in Washington der syrische und der israelische Botschafter Gespräche aufnehmen, um die Friedensbedingungen auszuarbeiten. Es handelt sich um die diversen Phasen des Bückzuges von den Golanhöhen sowie um den vollen Charakter des Friedens, um diplomatsiche Beziehungen, Personen- und Handelsverkehr.

Noch ist alles im Anfangsstadium. Israel will nur auf einen kleinen Teil der Golanhöhen verzichten, danach den Frieden einführen und schließlich, wenn sich dieser bewährt, die Golanhöhen nach drei Jahren zurückgeben. Syrien will zuerst die Golanhöhen zurückhaben und dann den Frieden schließen.

Die wirtschaftliche Lage Syriens ist schwierig. Deswegen muß sich Diktator Hafez al-Assad mit den USA und den EU-Staaten auf guten Fuß stellen, um deren Unterstützung zu erhalten. USA und EU votieren für den Nahostfrieden. Deswegen sah sich Assad gezwungen, den Frieden zu seiner Strategie zu machen.

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