6779861-1969_38_09.jpg
Digital In Arbeit

Israel vor Wahlen

Werbung
Werbung
Werbung

„Wir müssen auch weiterhin in der Arbeiterpartei bleiben. Der größte Teil unserer Forderungen wurde akzeptiert, der Krieg wütet an den Grenzen, die Lage wird immer schwieriger, haben wir da das Recht, die Einheit zu zerschmettern?” erklärte Israels Sicherheitsminister Mosche Dayan auf der Konferenz der Rafi-Fraktion innerhalb der Arbeiterpartei. Diese besteht ausschließlich aus seinen Anhängern. Ihre Vertreter müßten sich anfangs letzter Woche entscheiden, ob sie weiterhin in der Arbeiterpartei bleiben oder sich, nach 2 Jahren erneuter Vereinigung, zu den kommenden Wahlen selbständig machen sollen.

Der Versammlungssaal des Jachdav- Arbeiterclubs in Tel Aviv war mit Zigarettenrauch gefüllt, als sich die Rafl-Diskussionredner zum größten Teü für eine Spaltung aussprachen. Dann platzte die Zeitbombe Dayans, der zum erstanmal Farbe bekannte und sich nolens volens mit der Arbeiterpartei identifizierte.

Am 2. September dieses Jahres fan den die Gewerkschaftswahlen zur Histadrut-Tagung statt, an der zirka 1 Million Wähler teilnahmen, etwas weniger als zwei Drittel derselben Wählerschaft, die am 28. Oktober dieses Jahres zur Wahl der Knesseth — Israels Parlament — antritt.

Dayan und seine Anhänger konnten mit der Spaltungsdrohung nicht nur personelle Siege erringen, sondern auch das außenpolitische Programm, oder besser gesagt der Mehrheit innerhalb der Regierung, der Arbeiterpartei, ändern. Diese Partei akzeptierte seine Forderung auf „strategische Grenzen”, anstatt „anerkannte und sichere Grenzen”, wie dies seinerzeit in dem Beschluß des Sicherheitsrates formuliert wurde. Allerdings ist dies eine theorethische Diskussion. Bevor es zu Friedensverhandlungen mit den arabischen Staaten kommt, hat es wenig Zweck, über Grenzen zu diskutieren.

Der alte Frontverlauf

Dayan konnte sich gegen die Tauben der Arbeiterpartei durchsetzen. Abba Eban, Israels Außenminister, protestierte heftig, aber vergebens. Die Arbeiterpartei propagiert nun. auf Drängen Davans, Ansiedlungen in den besetzen Gebieten. Nicht nur aus strategischen Gründen, sondern auch um dort die israelische Präsenz wahrzunehmen. Das israelische Gesetz soll in den besetzten Gebieten indirekt angewendet werden, und zwar erhält die Militärverwaltung das Recht, Verordnungen zu proklamieren, die allem Anschein nach dem israelischen Gesetz angepaßt werden. Die linkssozialistische Mapam, die zusammen mit der Arbeiterpartei einen Wahlblock errichtet hat, distanziert sich von Dayan. Sie wird diesen Block wahrscheinlich nicht verlassen, sondern sich von diesen Paragraphen des Programms distanzieren. Eine weitere Spaltung vor den Wahlen kann für sie zu riskant werden. Es war daher kein Wunder, daß Dayan auf der Versammlung der Rafi-Anhänger Ministerpräsident Frau Golda Meir großes Lob spendete, denn sie war es, die seine meisten Forderungen innerhalb der Arbeiterpartei durchsetzte.

Durch diesen Beschluß Dayans und seiner Anhänger wird nun der Hauptkampf zu den Wahlen zwischen dem rechten Gahal-Block, der aus den bürgerlichen „Allgemeinen Zionisten” und der rechtsradikalen Cherut besteht, und der Arbeiterpartei geführt werden. Letztere wird ohne Zweifel eine kleine Mehrheit erlangen und nach den Wahlen fähig sein, ohne Hilfe anderer Parteien eine Regierung aufzustellen.

Zwischen den Falken des bürgerlichen Wahlblocks Gahal und der Arbeiterpartei sind die Differenzen verhältnismäßig klein. Dayan und Golda Meir fordern Ansiedlung in besetzten Gebieten, außerdem sollen Sharm el Scheich in der Sinai-Halbinsel, die Golanhöhe und der Gazastreifen bei Friedensverhandlungen nicht zurückgegeben werden. Der Beschluß des Sicherheitsrates vom November 1967 soll Israel nicht verpflichten. Der Gahal-Block hingegen will kein Stück Scholle mehr zurückgeben und pocht auf die historischen Rechte des jüdischen Volkes. Die religiösen Parteien, die ungefähr 15 Prozent der Wähler hinter sich haben, werden außer der Religion wenig bieten. Die Tauben innerhalb der israelischen Gesellschaft wurden immer mehr in die Enge getrieben. Heute sind sie nur noch durch Splitterparteien vertreten. Die moskautreue und -hörige kommunistische Partei ist hier die weitaus radikalste, doch wird sie kaum jüdische Stimmen erhalten und sich hauptsächlich auf die arabischen Wähler konzentrieren.

Man vergleicht heute die Situation mit dem Jahr 1949, als die ersten Wahlen stattfanden. Damals war der Befreiungskrieg noch nicht zu Ende, und man interessierte sich nur sehr wenig für Parteipolitik. Wer nichts Besseres wußte, wählte seine angestammte Partei oder im Notfall die Mehrheitspartei. Heute herrscht das Gefühl vor, daß man wieder vor einem neuen großen Krieg steht.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung