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Ist das Demokratie?

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Eine Demokratie, wenn sie lebendig und entwicklungsfähig sein soll, bedarf der persönlichen Anteilnahme des einzelnen am politischen Geschehen. Desinteresse und Resignation, die Beschränkung des politischen Engagements auf einen kleinen Kreis, größtenteils hauptberuflicher Funktionäre, würde eine Entwicklung markieren, an deren Schluß das Ende der demokratischen Lebensform und der Ruf nach dem „starken Mann“ stehen könnte.

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Eine Demokratie, wenn sie lebendig und entwicklungsfähig sein soll, bedarf der persönlichen Anteilnahme des einzelnen am politischen Geschehen. Desinteresse und Resignation, die Beschränkung des politischen Engagements auf einen kleinen Kreis, größtenteils hauptberuflicher Funktionäre, würde eine Entwicklung markieren, an deren Schluß das Ende der demokratischen Lebensform und der Ruf nach dem „starken Mann“ stehen könnte.

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Die Volkspartei in der Steiermark hat unter dem Motto „Das ist Demokratie“ die steirischen Wähler zu „Vorwahlen“ aufgerufen. Erklärtes Ziel dieser Vorwahlen war, dem Wähler die Möglichkeit der Mitbestimmung bei der Kandidatenauslese zu bieten. Hatten sich ähnliche Versuche in einem oberösterreichischen Wahlkreis und in Kärnten auf die Parteimitglieder beschränkt, ging die steirische Parteileitung einen Schritt weiter: Alle Steirer, auch die NichtParteimitglieder der ÖVP, das heißt, sogar die politischen Gegner, hatten die Möglichkeit, die Kandidaten zu reihen oder zu streichen, oder neue Kandidaten zu nominieren. '

Die Computerkarten — dies war der erste und leider nicht der letzte grundsätzliche Fehler — enthielten lediglich die Namen von Abgeordneten zum Nationalrat und steirischen Landtag der auslaufenden Legislaturperiode. Neue Namen fehlten völlig.

Sinnlose Vorwahlen?

Während die Computerkarten in der zweiten Jännerwoche durch die Post ausgeliefert wurden, tagten bereits die Bezirksparteitage und die Wahlkreisdelegiertenversammlungen der ÖVP, die in alphabetischer Reihenfolge die Kandidaten vorgeschlagen hatten. Die Namen dieser Kandida-

ten waren in der parteioffiziellen „Südost-Tagespost“ zu lesen. Potentielle „Vorwähler“ mußten nicht mit Unrecht der Auffassung sein, daß eine Beteiligung an diesen Vorwahlen sinnlos sei, da die Kandidaten durch die statutarisch vorgesehenen Parteiinstanzen bereits vorgeschlagen worden waren. Eine Veröffentlichung der Ergebnisse der Vorwahlen wurde von allem Beginn abgelehnt, mit der Begründung, daß die Bekanntgabe der Streichungen von Kandidaten, die jahrelang im politischen Leben gestanden sind, ein „an den Pranger stellen“ derselben bedeuten würde. Mit dieser Erklärung mußte die ÖVP das Risiko auf sich nehmen, die Vorwahlaktion als einen Wahltrick abzuwerten. Ferner wurde zwar bekannt, daß 44.014 Computerkarten rückgesandt wurden und diese 61.224 Streichungen enthielten. Ein anonym gebliebener Kandidat soll es sogar auf 2700 Streichungen gebracht haben. Nicht bekanntgegeben wurde, ob bei diesem anonymen Kandidaten zum Beispiel die Konsequenz von seiten des Parteipräsidiums gezogen wurde. Nicht bekanntgegeben wurde, wie viele Ergänzungsvorschläge durch Einsender gemacht wurden, ob und welche parteioffiziellen „Outsider“ vorgeschlagen wurden und wieviele Stimmen diese erhalten haben. Die Stillschweigetaktik wurde soweit be-

trieben, daß den Mitgliedern des

Parteipräsidiums die Ergebnisse der Vorwahlen vorenthalten wurden und lediglich Landeshauptmann Krainer und Landespanteisekretär Diplom ingenieur Hasiba die Ergebnisse kennen.

Neue und alte Namen

Entsprechend präsentiert sich auch die Kandidatenliste der ÖVP im besonders wichtigen Wahlkreis 20 — Graz und Umgebung. Da für den ausgeschiedenen Altbundeskanzler Dr. Gorbach, der gleichermaßen für konservative wie für national-liberale Kreise attraktiv erschien, ein Ersatz nicht gefunden werden konnte, wurde Bundeskanzler Doktor Klaus als Listenführer an die Spitze des Wahlvorschlages gesetzt, gefolgt von den Abgeordneten Frau Dr. Dipl.-Ing. Bayer, Regierungsrat Vollmann und Kommerzialrat Fritz, die der Grazer Bevölkerung trotz mehrjähriger Abgeordnetentätigkeit ziemlich unbekannt sind, teilweise sogar eine relativ hohe Zahl von Streichungen aufweisen sollen. Als neuer Name taucht der Geschäftsführer des Industriellenverbandes, Dr. Kunata Kottulinsky auf, der weder von irgendeinem Parteigremium noch von „Vorwählern“ vorgeschlagen worden ist. Im Wahlkreis Oststeier bleibt alles beim alten.

Im Wahlkreis Obersteier wird der bisherige Abgeordnete zum Nationalrat, Krempl, ein bekannter christlicher Arbeitnehmervertreter, gegen den derzeitigen Landtagsabgeordneten Burger ausgetauscht, desgleichen wurde der Abgeordnete zum Nationalrat, Dr. Geissler, zurückgezogen, was Folge einer Absprache mit der Industriellenvereinigung sein dürfte.

Fortsetzung von Seite 3

Bundesheer...

wärts zu ersetzen. Gleichzeitig wird an einem Flugfunksystem, welches die Melde- und Befehlswege für die Luftstreitkräfte sicherzustellen hat, gearbeitet. Auch hier kann das österreichische Bundesheer mit einer besonders modernen Ausrüstung wie dem Funkfernschreiber aufwarten, welcher die Kenntnisse der Bedienung einer Schreibmaschine erfordert und nicht mehr die schwer zu erlernende Technik des Tastfunks. Besondere Anliegen der konzeptiven Arbeit bilden die Luftraumüberwachung, die Ausrüstung des Heeres mit Nachtkampfgeräten und der Schutz gegen biologische und chemische Kampfmittel.

Die finanziellen Grenzen, die dem Bundesheer gesetzt sind, gestatten es nur, schrittweise nach Schwerpunkten vorzugehen. Hiebei muß allerdings bedacht werden, daß — ehe noch der volle Umfang des Heeresaufbaues erfüllt ist — zwischendurch immer wieder Geräteerneuerungen und Geräteersatz notwendig sind.

Im Einsatzfall

Sein besonderes Augenmerk muß das Bundesheer der Möglichkeit der Heeresverstärkung im Ernstfall, wenn Souveränität und Neutralität bedroht erscheinen, widmen und daher das Mobilmachungssystem mit seinen vielfältigen Konsequenzen laufend ausbauen. Einerseits gilt es, das Feldheer oder mobil zu machende Truppen zu verstärken, anderseits gilt es, den Flächenschutz des Landes einzurichten. Im Zeitalter der Infiltrationen und vertikalen Umfassungen (Luftlandungen) genügt es nicht, im sogenannten Operationsgebiet stark zu sein, es ist vielmehr erforderlich, das gesamte Land zu sichern und alle neuralgischen Punkte, die für das Leben der Bevölkerung und für die Verteidigung des Landes von Bedeutung sind, zu überwachen. Im Jahre 1968 wurde daher in der Bundesregierung in Ergänzung der vorliegenden Friedensorganisation auch der für die nächste Zeit geltende Rahmen des Gesamtheeres — also des mobilgemachten Heeres — festgelegt. Hiebei wurde die Landwehr im österreichischen Heerwesen verankert, die Einrichtung also von territorialen Verteidigungskräften, die aus Grenzschutz- und Sicherungseinheiten und aus Besatzungen der Landesbefestigungen zusammengesetzt sind.

Auch hier hat die „Wehrmilliarde“ die Möglichkeit eines weiteren Ausbaues eröffnet. Die Masse der Landwehr besteht aus Jägertruppen, die in Gliederung und Ausrüstung den Truppen des Feldheeres nicht nachstehen dürfen. In Ubereinstimmung mit der Durchführung dieses Landwehrkonzeptes könnte auch durch Novellierung des Wehrgesetzes die rationellere Form der 8-Tage-In-struktion erreicht werden, die nunmehr jedes zweite Jahr anstelle der bisherigen 4-Tage-Instruktionen eine bessere Basis für die Fortbildung und Formierung dieser Verbände bietet.

Ausbau der Infrastruktur

Gleichzeitig, und auch hier sind Mittel der „Wehrmilliarde.“ in erheblichem Umfang bereitgestellt worden, war der Ausbau der Infrastruktur des gesamten Bundesheeres geboten. Jede Armee, die wirkungsvoll verteidigen will, muß sich auf Vorräte und Verpflegung, Munition und Ausrüstung stützen können. Für die Reservetruppen müssen die Ausrüstungen im ganzen Land bereit liegen, damit im Mobilmachungsfalle keine großen Transporte stattfinden müssen und die rasche Bewaffnung

Lediglich im Wahlkreis Mittel- und Untersteier ist eine wichtige Änderung eingetreten: Dort scheint als Listenführer der Sohn des Landeshauptmannes Krainer, Dr. Krainer jun., Direktor des steirischen Bauernbundes, auf. Für den aufmerksamen Beobachter der steirischen politischen Szenerie ist das keine Überraschung. Der Großteil des politischen Nachwuchses, der in den letzten Jahren

der aufgebotenen Verbände sichergestellt ist. Dies erfordert aber Lagereinrichtungen und Verwaltungspersonal aller Art, wobei vor allem Munitions- und Betriebsmittellager besondere Sorgfalt erheischen.

Abbau des „Leerlaufs“

Eine conditio sine qua non ist die Ausbildung. Die kurze Dienstzeit, die dem österreichischen Wehrpflichtigen zur Verfügung steht, erfordert daher besonders gut eingerichtete Ausbildungsstätten und Ausbildungshilfsmittel. Die bedauerliche Tatsache, daß die körperliche Leistungsfähigkeit der jungen Männer unter dem früher gewohnten Niveau liegt, zwingt vor allem zur Anlage von Sportplätzen, Schwimmhallen, Nahkampfbahnen und Turnsälen. Wahrlich nicht nur ein rein militärischer Zweck, sondern ein ganz wesentlicher Beitrag zur österreichischen Volksgesundheit! Darüber hinaus sind Schießstätten mit automatischen Zielanzeigegeräten erforderlich, die die alten, personalaufwendigen Anlagen ablösen. Mit diesen Einrichtungen, die allerdings nur nach und nach eingerichtet werden können, wird man auch wesentlich zum Abbau des „Leerlaufes“ beitragen, der immer wieder einen Ansatzpunkt zur Kritik am Bundesheer bildet. Zum Unterschied vom Wehrpflichtigen, der nur neun Monate in der Kaserne lebt und in der Folgezeit von Fall zu Fall nur wenige Tage auf Übungsplätzen weitergeschult wird, muß man dem aktiven Soldaten im Rahmen des Heeres eine Existenzmöglichkeit bieten, die einigermaßen dem Lebensstandard der übrigen Bevölkerung angenähert wird. Es kann keine Rede davon sein, daß sich hier ein Standesdünkel und eine isolierte Gesellschaftsschichte entwickelt, im Gegenteil, ein dem österreichischen Gesellschaftsleben aufgeschlossener Militärpersonalstand ist das Ziel.

Vernünftig und unvernünftige Kritik

Sosehr jede Art von positiver Kritik willkommen ist und sosehr jede kritische Würdigung, aus welcher die Sorge um unsere Landesverteidigung herauszuhören Jst., im^^hmen^des Heeres auf fruchtbaren Boden fallen wird, sosehr schwächen böswilliße Kritiken die Verteidigungskraft. Man wird auf keinen Fall leugnen können, daß in der Entwicklung des Bundesheeres erhebliche Fortschritte erzielt worden sind. Vergleicht man die wenigen Bataillone aus dem Jahre 1956 mit dem Umfang des jetzigen Heeres, vergleicht man die noch dürftigen Ausstattungen der fünfziger Jahre mit dem Aufschwung der Ausstattung in den sechziger Jahren, so wird man von erheblichen Fortschritten der Landesverteidigung sprechen dürfen. Wird man sich der Tatsache bewußt, daß das Bundesheer im Jahre 1960 noch bestenfalls in der Lage war, zweimal im Jahir ein größeres Aufgebot für Manöver bereitstellen zu können und daß es dies nunmehr jederzeit kann, so wird man sehen, daß im Hinblick auf eine österreichische Strategie der ständigen Abhaltung allfälliger Aggressionen auch in der ganzen Heeresstruktur Fortschritte von entscheidender Bedeutung erzielt wurden.

Kehrt man zum Ausgangspunkt dieser Ausführungen zurück, so wird man anerkennen müssen, daß von einem Anachronismus des Bundesheeres keine Rede sein kann. Als Kleinstaat sind wir nicht fähig, die Erscheinungsbilder moderner Gesellschaftsstrukturen zu beeinflussen. Mit Ideen über eine friedfertige Entwicklung der Welt allein werden wir nicht in der Lage sein, jene Chance, die uns das Schicksal zur Sicherung des Lebens unserer Nächsten gewährt, wahrzunehmen und jene Grundlagen der Gesellschaftsstruktur zu erhalten, die notwendig sind, um eine fruchtbare Fortentwicklung zu gewährleisten.

Mandate oder Schlüsselstellungen in der Parteiorganisation erhielt, stammt aus dem engeren Freundeskreis des Dr. Krainer jun. Dieser ist zweifellos ein politisches Talent, doch wäre der steirischen Volkspartei dringend zu empfehlen, andere als allgemeine Parteilinteressen nicht zu sehr in den Vordergrund zu stellen,

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