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Italiener Sudtirols fur osterreich

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Österreich hat geglaubt, bei der Geltendmachung seiner Rechte auf den deutschen Anteil von Südtirol es deutlich machen zu müssen, daß es auf den italienischen Teil Südtirols, das Land südlich der Salurner Klause, nicht rechne, weil es von Italienern bewohnt sei. Man könnte sagen, Österreich hat dabei einen Fehler begangen, denr menschlidie Gemeinschaften werden nicht allein nach der Sprache gebildet, sondern audi durdi natürlidie Zusammengehörigkeit, gemeinsame Sinnesriditung und Geschichte. Die große Mehrheit der italienisdien Bevölkerung Südtirols fühlte zu stark die eigenen Lebensinteressen, um nicht schon 1918 die drohende Loslösung von Österreich und dann deren tatsächlidie Durchführung mit schmerzlichstem Widerstreben zu empfinden. Selbst jene schmale städtische Schichte von Trient und weniger anderer italienischer Stadtgemeinden Südtirols, die aus feuriger nationaler Gesinnung nach der Vereinigung mit dem italienischen Königreich verlangt hatte, zeigte bald ihre bittere Ent-täusdiung. Die Zustände in der neuen Verwaltung, in der Sdiule, die Behandlung der Gemeinden und die wirtschaftlichen Erschwerungen, welche die Vereinigung mit sich brachte, offenbarten immer deutlicher, welche Verluste die italienische Bevölkerung Südtirols erlitten hatte. Die Stimmung äußerte sich schon damals in wachsender Unzufriedenheit und auch in öffentlidien Kundgebungen, die durch das über das Land sich ausbreitende Polizeisystem unterdrückt und, wo dies nicht mehr geschehen konnte, vor dem Auslande verschwiegen wurden.

Als nun im zweiten Weltkriege Italien kapitulierte, hoffte die Bevölkerung Südtirols — und es sei betont, auch die italienische Bevölkerung Südtirols — auf Befreiung und die Rückkehr in die Tiroler Landeseinheit.

Die italienischen Partisanen, die mit den österreidifsdien Freiheitskämpfern sympathisierten und mit ihnen während der Rückzugskämpfe der Deutschen gemeinsame Sache machten, waren zumeist italienische Südtiroler.

Wie die Stimmung des Landes ist, konnte nidit deutlidier gezeigt werden als durch die Gefallenenfeier, die in Trient, dem einstigen Hauptorte des sogenannten italienischen Irredentismus, am Allerheilige n t a g e des Vorjahres stattfand. Man schmückte die Gräber der im Weltkriege gefallenen österreichisdien Soldaten mit Blumen und ein großer Kranz trug die italienische Inschrift: „Unseren Tiroler Heiden!“ Das geschah unter offener Anteilnahme weitester Kreise. Die Badoglio-Truppen, die das Land besetzten, sahen sich an vielen Orten ähnlichen Kundgebungen gegenüber. Als man diese mit Gewalt zu unterdrücken suchte, begann sich die Bevölkerung zu wehren. In P e r g i n e hißten die Bewohner die Tiroler Fahne. Aufschriften „Tirol“ tauchten überall im Lande auf, der Ruf nach einer Volksabstimmung ging durch das ganze Land. Am 24. März 1946 berichtete das Organ des „Italienischen Befreiungsausschusses“, die „L i b e r a z i o n e N a t i o-n a 1 e“, unter anderem: „Außer den vielen Inschriften, die Österreich und Tirol sowie die Volksabstimmung grüßen und in allen Gegenden auftauchen, wurde zum Fest des Landespatrons, des heiligen Josef, am 19. März im Markte Mori bei Trient die Tiroler Fahne gehißt. In der Nacht vor dem Feiertag bestiegen Anhänger des M. S. T., der Lostrennung von Italien („Movimento Separatista Tridentino“), mit Farbtöpfen und Pinseln die hohen Felsen des Monte Albano und die Felsen des Biaena, um auf diesen Bergeshöhen Inschriften anzubringen und die tirolische Fahne aufzustecken“.

Als in N o a r n a ein Redner der komrhu-nistisdien Partei Italiens zu einer Versammlung erschien, mußte er zuerst Auskunft geben, ob er für Italien oder für die Vereinigung mit Österreich sprechen werde. Als er das letztere verneinte, wurde er unsanft genötigt, die Versammlung zu verlassen. Ähnliches ereignete sich in zahlreichen anderen Orten.

Die italienischen Behörden machten Anstrengungen, der allgemeinen Volksstimmung Herr zu werden. Es gelang ihnen nicht, laut ging durch das ganze Land der Ruf nach einer Volksabstimmung. Und so geschlossen war die Meinung der Bevölkerung, daß in öffentlichen Kundgebungen erklärt wurde, man verzichte auf eine Mehrheitsabstimmung, man verlange die Entscheidung durch einequalifizierteMehrheit. Man sei so sicher der Übereinstimmung der großen Bevölkerungsmehrheit, daß der Entscheid über die Rückkehr der italienischen Teile Südtirols zur Landeseinheit durch eine Zweidrittelmajorität bestimmt werden solle.

Man soll uns nicht sagen, daß das Propaganda war. Wie hätte in diesem Lande, das ganz in der Hand der Badoglio-Truppen ist und die italienischen Behörden alle Mittel der Einflußnahme auf die öffentliche Meinung in der Hand haben, während dem Volk kein Radio, keine großen Zeitungen, kein öffentliches Versammlungsrecht zur Verfügung stehen, Propaganda irgendeine

Bedeutung erlangen können! Eine Volksabstimmung hätte vor ganz Europa die Tatsachen bekundet. Aus guten Gründen ist es nicht dazu gekommen.

Die Wiedervereinigung des Landes wird uns jetzt verwehrt. Das Verlangen danach wird weiter leben! Für uns gibt es keine Sprachgrenze — nur ein einiges Tirol!

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