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Italiens Verteidigung

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Eine Überschau nach dem Besuch General Eisenhowers in Rom Von Hans Bauer, Rom

Man würde wünschen, daß die heute erwogenen und in Verhandlung stehenden Verteidigungsmaßnahmen Italiens als militärisches Geheimnis betrachtet werden. Doch lassen die offenen Kritiken seitens militärischer und ziviler Fachleute, wie etwa des Marschalls von Italien, Giovanni Messe, der Generale Cerica, Cadorna, Faldella oder verschiedener Politiker, die keineswegs im oppositionellen Lager stehen, das Gegenteil vermuten. Man weist auf Mängel, Lücken und Versäumnisse hin, die nicht immer unausweichliche Folge der Niederlage und Auflösung nach dem letzten Kriege sind.

Es muß freilich berücksichtigt werden, daß das militärische Potential Italiens im Augenblick des Friedensschlusses auf Null gesunken war. Nicht nur das Waffenmaterial, auch unentbehrliche Archive, Listen, Akten waren im Chaos verlorengegangen. Die Heeres- und Marineverwaltung mußten sich lange Zeit darauf beschränken, das Eigentum des Heeres, der Marine und der Luftwaffe vor dem Zugriff anderer zu schützen. Kasernen, Magazine, Depots, kultivierbare Flächen gingen dennoch zum Teil in den Besitz von Gemeinden, Genossenschaften oder auch Privater über. Die engen Grenzen, die dann der Friedensvertrag einer inzwischen immer noch utopischen Aufrüstung zog — 175.000 Mann Heer, 200 leichte Panzerwagen, 200 Jagdflugzeuge — haben sich allerdings inzwischen weit weniger hemmend erwiesen als die geringe wirtschaftliche Leistungskraft des Landes, ist man doch heute noch weit davon entfernt, das erlaubte Soll zu erreichen. Die voreilig aufgeworfene Frage, ob und wann die Fesseln- des Friedensvertrages bezüglich der Aufrüstung abgeworfen werden dürfen, entbehrt daher jeder Aktualität.

Es wäre ungerecht, Italien Mangel an Opferfreudigkeit vorzuwerfen. Die finanziellen Anstrengungen dieses wirtschaftlich nicht starken Landes sind auch vor der Koreakrise recht beträchtlich gewesen. Das Verteidigungsministerium beanspruchte 22 Prozent der gesamten Staatseinnahmen und seither ist der Prozentsatz auf 30 vom Hundert gestiegen. Das ist für Italien viel, sehr viel. Nun hat die Regierung neben der normalen Ausgabe für das Verteidigungsministerium von 318,5 Milliarden Lire für das Haushaltsjahr 1950/51 noch 250 Milliarden für außerordentliche Rüstungen bewilligt, während die Gesamtausgaben de? Staates 1397 Milliarden Lire betragen. Marschall Messe muß zugeben, daß die äußersten Grenzen der Finanzkraft bereits erreicht, wenn nicht überschritten sind und fordert daher, daß sich die Regierung der finanziellen Beihilfe Amerikas versichere. Diese 250 Milliarden des zusätzlichen Wehrbudgets werden zwar auf drei Bilanzjahre bis 1952 aufgeteilt, können jedoch sofort ausgegeben werden und wahrscheinlich sind sie zum Teil bereits ausgegeben worden. Eine innere Anleihe soll die Lüoken der Bilanz füllen.

Fachleute schätzen die Kosten der Ausrüstung einer modernen Infanteriedivision (jedoch ohne schwere Panzerwagen, die der Friedensvertrag nicht einmal gestatten würde) auf 150 Milliarden Lire. Nun hat aber der Verteidigungsminister Ran-dolfo Pacciardi in seiner letzten Rede von der Aufstellung von zwölf Divisionen gesprochen, von denen neun bereits existieren sollen. Man erfährt jedoch, daß diese neun Divisionen vorderhand nur auf dem Papier stehen, wirklich motorisiert und voll einsatzfähig seien nur zwei. Man versteht daher, wenn Marschall Giovanni Messe, der heute als einer der vertrauenswürdigsten militärischen Fachleute Italiens gilt, in seinen jüngsten Publikationen energische politische Aktionen der Regierung fordert: das Land müsse aufrichtig — brutal, wenn erforderlich — mit dem Ernst der Lage vertraut gemacht werden; die Regierung dürfte auch nicht ,vor Maßnahmen zurückschrecken, die mit den sakrosankten Prinzipien in Widerspruch stehen, welche zu Zeiten normaler Entwicklung ihre Berechtigung hätten; keine Sparsamkeit am falschen Platz. Von durchgreifenden Reformen müsse abgesehen werden, die theoretisch richtig sein mögen. Nicht die theoretisch ideale Organisation sei anzustreben, sondern die sofortige Potentialisierung der bestehenden. Solange diese nicht erreicht ist, müsse sich die Regierung zeitgerechter, angemessener militärischer Hilfe der Alliierten im Falle eines direkten Angriffes auf Italien versichern. Nötig sei realistische Betrachtung der wirklichen Verteidigungsmöglichkeiten, möglichste Einschränkung der Ausgaben für die bürokratische Organisation.

Soweit die Forderungen M e s s e s. Er schneidet damit die Diskussionen ab, die Sich mit Reformen des Heereswesens beschäftigen, und legt den Finger auf eine schwache Stelle der militärischen Organisation, nämlich auf die unvernünftige Aufblähung des Kommahdoapparats. In einem aufsehenerregenden Artikel im „Corriere della Sera“ hat Ivo Luzzatti enthüllt, welch unbegreiflich • hoher Prozentsatz der Wehrausgaben für Gehälter bestimmt ist. Statt weniger, schlagkräftiger Einheiten würde ihrer eine Vielzahl geschaffen, zu dem einzigen Zweck, Kommandostellen und Avancierungsmöglichkeiten zur Verfügung zu haben. Wenn das Zwölf-Divisionen-Programm erfüllt sein werde, werden sie von rund 180 Generalen befehligt sein, die zum allergrößten Teil bereits ernannt sind. Und wenn das Marinebauprogramm erfüllt sein wird und Italien über zwei 8000-Tonnen-Kreuzer, zwei Fregatten und eine Anzahl kleinerer Einheiten verfügen wird, werden diese Einheiten von nicht weniger als 34 Admiialen kommandiert werden; die Ernennung zweier anderer steht bevor. „Man könnte sehr gut auf die Matrosen verzichten“, schreibt Luzzatti. Die Luftwaffe mit ihren (noch nicht völlig vorhandenen) 200 Jagdflugzeugen verfügt über 36 Generale. Der Inflation an Generalen entspricht eine an der Basis immer breiter werdende Pyramide niedrigerer Offiziersränge.

Unter dem Schlagwort „Butter für die Generale“ führt die Presse einen polemischen Feldzug gegen diese Art Militärpolitik. Im Gegensatz dazu mag erwähnt sein, daß der Zulauf junger Kräfte zur Offizierslaufbahn sehr gering ist. Während im königlichen Heer die Zöglinge der Militärakademien einen Studienbeitrag leisten mußten, ist man jetzt gezwungen gewesen, den Beitrag nicht nur aufzuheben, sondern für die Zöglinge sogar ein Gehalt auszuschreiben. Aber auch so meldete sich nur etwa die doppelte Anzahl der verfügbaren Studienplätze, was für eine gute Auswahl ungenügend ist. Eine weitere bedenkliche Erscheinung liegt darin, daß 70 Prozent der Bewerber aus einer kleinen Anzahl süditalienischer Provinzen stammen, wo die chronische wirtschaftliche Depression die Jugend zwingt, sich zu Staatsstellen zu drängen.

Vielleicht wichtiger als die Frage der Bewaffnung ist die nach der seelischen Verfassung der wehrfähigen Jugend. Die Beurteilung der soldatischen Tugenden des Italieners verführt leicht zu oberflächlicher und verallgemeinernder Abschätzung, wenn man sich bloß auf die Erfahrungen während des letzten Konflikts stützen will. Man muß bedenken, daß die politischen Ereignisse, der Frontenwechsel, der Sturz des faschistischen und dann des monarchischen Regimes, die Zweiteilung des Landes und schließlich der moralische Zusammenbruch nach der Niederlage eine geistige Verwirrung besonders unter den einfachen Menschen hervorrufen mußte, von der auch andere Nationen in gleicher Lage nicht verschont geblieben wären. Es ist klar, daß es eine der vernehmlichsten Aufgaben des Verteidigungsministers werden mußte, durch Entpolitisierung des Heeres und Versöhnlichkeit innere Verfeindungen wegzuräumen, damit der italienische Soldat wieder-klaren Kopf und freie Sicht für seine Pflichten bekommt. Dieses Werk ist von Randolfo Pacciardi mit viel Verständnis und Großherzigkeit versucht worden, obwohl ihm eine starke unterirdische pazifistische Propaganda von seiten der linksextremistischen Opposition entgegenstand.

Dennoch wird jetzt oft die Frage laut, ob die Wahl Pacciardis zum Verteidigungsminister eine glückliche war. PacZweig der Familie stammt aus Finnland, war aber durch mehrere Generationen nach Sprache und Bildung schwedisch; Schwede war Sibelius auch von mütterlicher Seite. Aber Nationalfinne wurde er durch leidenschaftliches Sicheinleben in die Kultur, vor allem in die Sagenwelt des finnischen Volkes. Die wichtigsten Inspirationsquellen und Komponenten seiner Kunst sind: Landschaft, Mythologie und Geschichte des finnischen Volkes. Seit dem Streichquartett „Voces intimae“ und der IV. Symphonie tritt der subjektive (und zugleich universelle) Charakter des Komponisten stärker hervor. — Vielfältig und fruchtbar waren die Beziehungen des Komponisten zu Wien (S. 153 ff. 6ein Verhältnis zu Bruckner, die — abgelehnte — Berufung nach Wien als Kompositionslehrer usw). Seit fast fünfzig Jahren wohnt der Komponist in seinem Heim Ainola in der Nähe der Gemeinde Järvenpää in ländlicher Zurückgezogenheit. Das zuletzt veröffentlichte Opus trägt die Jahreszahl 1929. über die Produktion der letzten zwanzig Jahre, die sehr umfangreich sein soll, wissen auch die nächsten Freunde des Komponisten nichts ... Erst der Tod de6 Komponisten wird das Siegel lösen und ein Urteil über das Gesamtwerk ei möglichen. Eindrucksvolle Bilder und Notenbeispiele ergänzen die Darstellung de6 Meisters, seiner Umwelt und seines Werkes.

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