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Jarring nach New York?

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Der Abbruch der Beziehungen zu Rumänien durch die Bagdader Regierung blieb nicht die einzige arabische Reaktion auf den Botschafter- austausch zwischen Bukarest und Jerusalem. Khartum und Damaskus folgten dem Beispiel. In anderen vorderorientalischen Hauptstädten verläßt man sich auf einen über das arabisch-rumänische Verhältnis hinausgehenden Gegenzug Ägyptens und der Sowjetunion. Kairoer Regierungskreise erinnern an die Ambitionen des Bukarester Außenministers Manescu auf die Nachfolge U Thants als UN-General- sekretär. Manescus Kandidatur zu verhindern, hieße folglich nicht nur, dem weltpolitischen Prestige Ceau- sescus schaden, sondern auch die westlichen Hoffnungen auf einen entschlußfreudigeren und gegenüber Ostblock und „dritter Welt“ entschiedener auftretenden Hausherrn am New Yorker East River zu zerstören.

Refugium im Kloster

Um einen Abstimmiungssieg Manescus bei der spätestens in zwei Jahren erforderlichen Neuwahl des UN-Generalsekretärs zu verhindern, bedürfe es lediglich eines zugkräftigen Gegenkandidaten. Am Nil glaubt man ihn gefunden zu haben. Es ist der UN-Nahostvermittler und schwedische Botschafter in Moskau, Gunwar Jarrimg. Ungewiß ist, ob man ihn bereits gefragt hat. Er selbst rechnet, wie aus seiner Umgebung zu hören ist, mit der Kandidatur. Er gilt als maßlos ehrgeizig. Sicher ist, daß darüber, unmittelbar nach Bekanntwerden des Botschafteraustausches zwischen Rumänien und Israel, ägyptisch-sowjetische Kontakte stattfanden. Bei einem Besuch des Moskauer Botschafters Winogradow in der Privatvilla Präsident Abdel Nassers war sie, so sickerte aus Ostblockkreisen durch, Hauptgesprächsthema.

Der Burmese U Thant ist bekanntlich amtsmüde und vor allem zermürbt wegen der Kritik an seiner nicht ganz unizwielichtigen Rolle als Hauptkriegsbrandstifter im arabisch- israieliischen Sechstagefeldzug. Damals entfernte er, ohne die UN-Voll- versammluTTg zu befragen, die UN- Streitkräfte von den Demarkations linien und ermöglichte dadurch den kriegsauslösenden ägyptischen Aufmarsch in Scharm esch-Scheich am Südausgang des Akabagolfes.

U Thant war seinerzeit nur schwer zu überreden, zum zweitenmal zu kandidieren. Jetzt möchte er so bald als möglich demissionieren und sich in ein burmesisches Buddhistenkloster zurückziehen.

Nach dem tragischen Tod des zweiten UN-Generalsekretärs Hammarskjöld verfiel man auf den asiatischen Diplomaten, als sich herausstellte, daß infolge der massiven Sperrminorität der farbigen Mitgliedstaaten weder die Westmächte zum drittenmal einen „weißen“ noch der Ostblock zum erstenmal einen kommunistischen Bewerber würden durchbringen können. Für den Kompromißmanm U Thant stimmte damals eine überwältigende Mehrheit. Doch dieser wahrte nicht nur geschickt die Interessen der „dritten Welt“, sondern geriet häufig ims östliche Fahrwasser. Seit er zurückzutreten wünscht, forciert man in westlichen UN-Kreisen eine Kandidatur des rumänischen Außenamtchefs Manesou. Der Bukarester Spitzenfunktionär gilt als Weltmann und Sanderklassediplomat mit unabhängigem Urteil. Der UN-Generalsekre- tärsposten wäre die Krönung seiner Karriere. Rumänien würde sie wahrscheinlich vor etwaigen künftigen sowjetischen Interventionsverauchen bewahren. Für den Westen wäre er der einzige tragbare kommunistische Nachfolger U Thants. Seine Mitverantwortung für den unabhängigen Kurs seines Heimatlandes ließe erwarten, daß er am East River zum wirklich neutralen Schiedsrichter würde. Der Ostblock geriete durch seine Kandidatur in ein echtes Dilemma. Die kommunistischen Delegationen könptan kaum gegen einen kommunistischen Bewerber stimmen. Bei Manescu könnten sie aber auch kaum damit rechnen, daß er die sowjetischen Ziele begünstigt.

Ostblockkontakte zu Jerusalem

In Moskau will man sich aus dieser Zwamgslaige durch eine Kandidatur Jarrings befreien. Der Stockholmer Kremlbotschafter vertritt zwar ein westliches, aber traditionell neutrales Land. Persönlich gilt er als wohl- wollender Interpret sowjetischer Interessen. Der Westen geriete gegenüber ihm in dasselbe Dilemma wie der Ostblock gegenüber Manescu. Er könnte kaum gegen den Landsmann Hammamskjölds stimmen, aber nicht sicher sein, daß er mit den westlichen Interessen immer übereinistimmt. Schon als UN-Ver - mittler im Nahen Osten spielte er, wenn auch vielleicht unwissentlich, den sowjetisch-arabischen Wünschen in die Hand. Sämtliche Friedenspläne, die er vorlegte, begünstigten einseitig die arabische Seite. Das empfiehlt ihn den Arabers taaten als UN-Gene- ralsekretär.

Manescu würde sich gegenüber nah- östlkhen Problemen, eingedenk der guten Beziehungen seines Landes zu Israel, sicher strikt neutral verhalten. Von Jarring erwartet man wesentlich größeres Verständnis für den arabischen Standpunkt. Träte U Thant vorzeitig zurück, womit er offenbar liebäugelt, und stimmten Ostblock, Araberstaaten und Westmächte für Jarring, wäre seine Wahl sicher. Gegen ihn hätten andere Bewerber, wie der finnische Diplomat Jakobsen oder der österreichische Außenminister Waldheim, wenig Chancen.

In Kairo wartet man gespannt auf die Explosion dieser Zeitbombe. An einer Rückkehr Jarrings auf den UN-Vermitrtlerposten für den Nahen Osten ist man dort kaum mehr interessiert. Die Araber spielen auf Zeitgewinn. Sie glauben, der Schwede könne ihnen im New York mehr nützen als in Nikosia. Dieser Schachzug ist allerdings kaum geeignet, weitere kommunistische Staaten davon abzuhalten, ihre nach dem Sechstagekrieg abgebrochenen Beziehungen zu Israel wieder anzuknüpfen. Zum gleichen Zeitpunkt, als die Absicht Präsident Abdel Nassers bekannt wurde, im September seinen Menitor Tito zu besuchen, verlautete aus Belgrad, man verhandle über einen erneuten Botschafteraustausch mit Israel. Sogar Polen möchte sich, um den katastrophalen Eindruck seiner antisemitischen Hetzkampagne zu verwischen, mit Jerusalem aussöhnen.

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